Erfahrungsbericht

Biographische Arbeit mit Lernenden

Allee im Winter

Sich bewusst mit verschiedenen Faktoren der bisherigen Biographie, vor allem in Bildungs- und Berufskontexten, auseinander zu setzen, kann Lernende weiterbringen. (Bild: Unsplash/pixabay.com, CC 0)

Es gibt verschiedene Faktoren im sozialen Umfeld der Lernenden, die auf deren Lernen einwirken – positiv oder weniger positiv. Einige davon reichen zurück in Kindheit und Jugend. Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie ist daher eine gute Möglichkeit, mit den Schatten der Vergangenheit aufzuräumen. In diesem Erfahrungsbericht zeigen Helmut Kronika und Claudia Prasch-Hofer vom BEST Institut für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining GmbH, wie sie im Rahmen ihrer Bildungsarbeit dabei vorgehen.

Soziales Umfeld beeinflusst Bildungsambitionen

Jugendliche, die ihre Lehre abgebrochen haben oder Personen (mit oder ohne Migrationshintergrund), die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen sowie Personen, die in den Bereichen Kulturtechniken und soziale Kompetenzen einer besonderen Förderung bedürfen, finden sich in verschiedenen Projekten, die wir im BEST Institut für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining GmbH durchführen. Sie alle lassen sich der Zielgruppe „Geringqualifizierte“ zuordnen. Obwohl man hier auf den ersten Blick von einer relativ homogenen Gruppe ausgehen könnte, gilt es sich der vielfältigen Eigenschaften der Lernenden bewusst zu werden, die ein durchaus heterogenes Gruppengefüge bedingen. So sind die Teilnehmenden je unterschiedlich geprägt durch z.B. die gesammelten biographischen Erfahrungen etwa in Bildungs- und Arbeitskontexten, das eingebunden Sein in familiäre sowie soziale Netzwerke oder den vorhandenen Migrationshintergrund. Diese Komponenten beeinflussen die gegenwärtigen Bildungsambitionen und bilden die Basis förderlicher oder hemmender Faktoren, welche die gegenwärtige und zukünftige Berufs- und Lebensgestaltung beeinflussen.

Einfluss von Familie und Lernerfahrungen

Viele der Teilnehmenden, die sich der Gruppe der Geringqualifizierten zuordnen lassen, verbinden Schule und Lernen mit negativen Assoziationen. Diese sind einerseits auf vielfältige negative und demotivierende Erlebnisse der bisherigen Schul- oder Bildungslaufbahn zurückzuführen, zum anderen aber auch auf negative Einflussnahme bzw. Verstärkung durch das Elternhaus oder den Freundeskreis. Bei manchen Personen haben Eltern und andere Verwandte nur wenig Interesse an diversen schulischen Aktivitäten sowie am Lernerfolg des Kindes gezeigt. Darüber hinaus wurde das „System Schule“ sowie die „Notwendigkeit des Lernens“ vielfach abgewertet oder bereits bestehende negative Einstellungen gegenüber Schule und Lernen sogar noch verstärkt. Solche Personen werden auch als Jugendliche oder Erwachsene nicht zu besonders ambitionierten Lernenden. Vor allem bei Migrantinnen lässt sich diese Problemlage beobachten, zumal für Töchter häufig andere Pläne vorgesehen sind und viele Eltern durch ihr traditionsbestimmtes Handeln eine zukunftsorientierte Bildungs- und Berufslaufbahn leider immer noch verwehren bzw. erschweren.

In unseren Projekten mit jungen Migranten und Migrantinnen der zweiten Generation ist oftmals auch eine gewisse Orientierungslosigkeit zu beobachten: Die Teilnehmenden sind sich ihrer Identität nicht bewusst. Sie wissen nicht, wo sie wirklich hingehören, wie sie sich in der „neuen“ Heimat bestmöglich integrieren und ihre bereits erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen, ihr Know-how einsetzen bzw. weiterentwickeln können, um diese für eine zufriedenstellende Berufs- und Lebensgestaltung nutzen zu können.

Biographiearbeit ermöglicht Auseinandersetzung

Eine gute Möglichkeit, sich mit den persönlichen „Wurzeln“ auseinanderzusetzen, stellt die biographische Arbeit dar. Sie ermöglicht es sich mit persönlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen, etwa danach, wie die die individuellen Erfahrungen und Lebensbedingungen die eigenen Bildungsambitionen beeinflussen. Daher ist die biographische Arbeit ein wesentlicher Bestandteil der Kompetenzbilanzierung. Gerade in der Arbeit mit Geringqualifizierten und bildungsfernen Personen, aber auch mit Wiedereinsteigern und Wiedereinsteigerinnen, erweist sich die Erstellung eines Kompetenzprofils als motivationsförderndes und nutzbringendes Instrument. Durch biographische Ansätze werden die Teilnehmenden dazu angehalten sich bewusst mit verschiedenen Faktoren ihrer bisherigen Biographie, vor allem in Bildungs- und Berufskontexten auseinander zu setzen. Dies bildet die Basis, auf der sie sich ihres bereits verfügbaren Know-hows, ihrer bereits verfügbaren formellen und vor allem auch informellen Kompetenzen und Skills bewusst werden. Die bewusste Wahrnehmung und Verdeutlichung persönlicher Ressourcen und Potenziale wirkt sich positiv auf Selbstbewusstsein, Motivation und Engagement der Teilnehmenden aus und lässt sie mit neuem Mut und Zuversicht an neue Aufgaben und Herausforderungen herantreten.

Im Projekt „On Stage“, einem von BEST koordinierten internationalen Projekt, wurden z.B. verschiedene biographische Lernmodelle entwickelt, in denen z.B. auch schauspielerische Elemente zur Aufarbeitung persönlicher Fragestellungen eine Rolle spielen. Sie kommen vor allem in der Bildungsarbeit mit Migranten und Migrantinnen zum Einsatz und stellen eine andere Form zielgerichteten Empowerments dar. Die „schauspielerischen Elemente“ wurden mittlerweile in verschiedenen, von BEST in Österreich realisierten Bildungsprojekten (z.B. Golden Goal, Ausbildungsfit) implementiert und zur Aufarbeitung individueller biographischer Konstellationen herangezogen. Die Teilnehmenden haben diese „andere“ Form der biografischen Lernarbeit als sehr positiv und nutzbringend erlebt, da sie den persönlichen Erfahrungshorizont und Handlungsspielraum um wertvolle Möglichkeiten erweitert. Eine gesteigerte Motivation der Lernenden beeinflusst schließlich den nachfolgenden Kursverlauf nachhaltig positiv und stellt eine bessere Erreichung der Lernziele sicher.

 

CC BY SA 3.0 BY Helmut Kronika und Claudia Prasch-Hofer für wb-web


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