Handlungsanleitung

Unfreiwillige Teilnahme am Kurs

Auch das ist Realität: Teilnehmende sind nicht aus eigenem Antrieb im Kurs, sondern weil sie am Kurs teilnehmen müssen. Wie kann man als Kursleiterin oder Kursleiter damit umgehen, wenn Teilnehmende auf Druck der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters oder auf unmissverständlichen Wunsch des Arbeitgebers im Kurs sind? Sie finden nachfolgend zwei Methoden. Die erste Methode hilft, aus Unfreiwilligkeit drohende Konfliktpotenziale transparent zu machen. Die zweite Methode hilft Erwartungen zu klären und damit Konflikte aktiv zu vermeiden.

Ein Kurs mit stets engagierten und interessierten Teilnehmenden ist wohl der größte Wunsch eines und einer jeden Lehrenden. Nicht selten hat man es in der Bildungsarbeit mit Geringqualifizierten – und nicht nur dort – mit Teilnehmenden zu tun, die sich aus eigenem Antrieb, also freiwillig, nicht zum Kurs angemeldet hätten. Und es ist durchaus verständlich, dass sie ihrem Ärger über den „erzwungenen“ Besuch eines Kurses auf unterschiedliche Art und Weise Luft machen, durch Zuspätkommen, durch das Zeigen von Desinteresse und Langeweile oder gar Abwertung dessen, was im Kurs passiert. Der Umgang mit Situationen dieser Art ist nicht einfach, sondern eine echte und ernste Herausforderung.

Die Erfahrung lehrt uns: Lassen Sie die Unfreiwilligkeit von Teilnehmenden nicht zum Konflikt in der Gruppe oder zu einem Konflikt zwischen Ihnen und den Teilnehmenden werden, sondern:

  • Agieren Sie frühzeitig. Thematisieren Sie die Situation der unfreiwilligen Teilnahme frühzeitig.
  • Nehmen Sie das Abwehrverhalten der Teilnehmenden nicht persönlich.
  • Gehen Sie der Unfreiwilligkeit auf den Grund.

Bemühen Sie sich, individuell auf die Teilnehmenden einzugehen und ihre Lernbedürfnisse und Beweggründe zur Teilnahme in Erfahrung zu bringen. Nur so können Sie zielgruppenorientiert arbeiten, das Entstehen von Konflikten vermeiden, entstandene Konflikte verstehen, weitere Konflikte verhindern und den Teilnehmenden gerecht werden, ohne im Kurs thematische Einbußen zu riskieren.

Zwei Methoden haben genau dies zum Ziel und können kombiniert angewendet werden.

Methode „Das ist meine Position

Die Methode ist für den Einstieg in den Kurs und eine unkomplizierte Darstellung der Ausgangssituation der Teilnehmenden geeignet. Sind die Teilnehmenden z.B. demotiviert, können mittels dieser Methode die Beweggründe erfragt und falls notwendig oder gewünscht (mit einer weiteren Methode) vertieft werden. Durch die einfache Umsetzung können alle Teilnehmenden ihre Meinung äußern, ohne diese verbalisieren oder sich rechtfertigen zu müssen. Verdeutlicht wird durch diese Methode, wie das allgemeine Stimmungsbild im Kurs ist und sie gibt einen groben Überblick darüber, welche Tendenzen, beispielsweise in Bezug auf die Freiwilligkeit der Teilnahme, bei den Teilnehmenden vorhanden sind.

Durchführung

Die Methode kann besonders gut zu Beginn des Seminars eingesetzt werden. Nehmen wir an, Sie wollen wissen, warum die Teilnehmenden Ihren Kurs besuchen. Ihre Aufgabe als Kursleitung wird es sein, entweder einen Gegenstand zur Thematik (beispielsweise ein nach oben und unten gerichteter Daumen aus Pappe für Zustimmung oder Ablehnung) oder alternativ einen Zettel mit einem Stichwort in die Mitte (z.B. Freiwillige Teilnahme am Kurs) des Raumes zu legen. Anschließend werden die Kursteilnehmer gebeten, einen Platz im Raum einzunehmen, welcher ihre Freiwilligkeit verdeutlicht. Dabei bedeutet, je freiwilliger der Besuch, desto weiter stellt man sich in die Mitte bzw. in die Nähe des Gegenstandes. Die Methodik ist vielseitig einsetzbar und durch die non-verbale Aufstellung gewinnen Sie als Kursleitung ein Gefühl für die Motivationslage der Teilnehmenden. Zudem schafft die Methode Anschlusspunkte für weitere Gespräche, in denen das Einverständnis/Nicht-Einverständnis, Zufriedenheit/Unzufriedenheit, Motivation/Demotivation usw. ausgedrückt werden kann. Haben sich alle Teilnehmenden an einer Position eingefunden, können sie diese kurz in einem Satz begründen, müssen es aber nicht. Dies ist vorwiegend bei introvertierten Personen hilfreich. Insbesondere ist darauf zu achten, dass sich niemand für seinen Standpunkt rechtfertigen muss. Zuvor sollten Sie dem Kurs jedoch eine Minute gewähren, damit sich alle einen Überblick über die Positionen verschaffen können.

Ein Effekt dieser Methode ist es, dass Konflikte zunächst transparent gemacht werden können, für Sie und für die Teilnehmenden. Dies impliziert, dass Sie an dieser Stelle die Möglichkeit bekommen, die Konflikte vor diesem Hintergrund zu lösen. Konkret bedeutet dies, dass das transparent machen von Konflikten im Kurs der erste Schritt ist um diese zu lösen.

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Die Methode ist mit wenig Vorbereitungsaufwand verbunden und schnell durchzuführen. Sie benötigen lediglich einen Gegenstand bzw. einen Zettel und einen Stift, mit welchem Sie den Schüsselbegriff notieren. Die Methode hat keine spezifische Altersbegrenzung und kann bei einer Gruppengröße von 5-40 Personen angewendet werden. Für die Durchführung ist eine Zeit von ca. zehn Minuten vorgesehen. Je nach Mitteilungs- und Erklärungsbedarf der Gruppe kann die vorgesehene Zeit individuell erweitert werden.

Tabelle Pro und Contra

Methode: „Erwartungsinventar“

Das Erwartungsinventar eignet sich für Situationen, in denen es wichtig ist, die Erwartungen der Teilnehmenden zu kennen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Teilnehmenden unfreiwillig den Kurs besuchen und somit von Beginn an demotiviert sind. Es macht wenig Sinn mit dem Unterricht zu beginnen, wenn der Kurs sich dagegen sperrt. Diese Methode verhilft Ihnen individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen und eignet sich hervorragend als Ergänzung zu „Das ist meine Position“. Nachdem im ersten Schritt die Teilnehmenden ihre Position zur Freiwilligkeit des Besuchs verdeutlich haben, können sie an dieser Stelle die Möglichkeit ihre Erwartungen spezifizieren. Das Ziel hierbei ist es, die eigenen Erwartungen wahrzunehmen und sie anderen zu kommunizieren. So können Ihre und die Erwartungen der Kursteilnehmer verglichen werden. Wichtiger ist aber, dass so realistische Anforderungen in Hinblick auf den weiteren Kursverlauf gestellt werden können. Darüber hinaus bringen Sie durch diese Methode den Teilnehmenden Wertschätzung entgegen, die es Ihnen mit einer stärkeren Unterrichtsbeteiligung danken werden.

Einsatz

Im ersten Schritt fordern Sie Ihren Kurs auf, sich Notizen zu einer bestimmten Frage zu machen. Diese könnte z.B. lauten: „Was erwarte ich mir (von diesem Abend, diesem Seminar, diesem Kurs ...) für mich persönlich und für ... (zum Beispiel: meine Situation in meiner jetzigen oder zukünftigen Arbeit?)“ (Knoll 2007, S. 124). Hierfür erhalten die Teilnehmenden eine Bearbeitungszeit von zehn Minuten. In der Zwischenzeit suchen Sie sich einen geeigneten Platz im Seminarraum (möglichst gut sichtbar für alle) und hängen ein von Ihnen mitgebrachtes Wandplakat auf. Dieses wird im späteren Verlauf der Ergebnissicherung dienen. Nach der Bearbeitungszeit bitten Sie den Kurs, eine Partnerin oder einen Partner zu suchen und sich gegenseitig über die Erwartungen auszutauschen. Hierfür wird ihnen eine Bearbeitungszeit von 20 Minuten gewährt. Anschließend sollen die Teilnehmenden die ihnen wichtigsten Aspekte auf dem Wandplakat schriftlich festhalten. Auf diese Weise hat der gesamte Kurs einen Überblick über die allgemeinen Erwartungen, welche bei Bedarf nochmals im Plenum kommuniziert werden können. Das Plakat bleibt während des gesamten Kursverlaufs hängen, sodass die Entwicklungen des Kurses mit den zuvor formulierten Erwartungen verglichen werden können.

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Die Methodik ist auf eine Gruppengröße von bis zu 40 Personen ausgelegt und bedarf einer Gesamtbearbeitungszeit von 30 Minuten. Diese teilt sich in eine 10-minütige Einzelarbeit und 20-minütige Partnerarbeit auf. Die Durchführung verlangt keine lange Vorbereitungsphase, da man mit wenigen Materialien arbeitet (Plakatwand, Filzstifte) und meist eine Idee zur der Fragestellung hat. Es sollte lediglich darauf geachtet werden, dass der Raum genügend freie Plätze für die Bildung von Zweiergruppen sowie für das Aufhängen der Wandzeitung bietet.

CC BY SA 4.0 by Milica Mladenovic und Ellen Schmidt für wb-web

Weiterführende Hinweise

Im Bereich der Erwachsenenbildung mangelt es an Literatur, die sich mit der Zielgruppe der unfreiwilligen Teilnehmer beschäftigt. Oft wird nur darauf hingewiesen, dass diese Gruppe meist ein hohes Maß an Demotivation aufzeigt, ohne Lösungen dafür anzubieten. Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse der Teilnehmenden wertzuschätzen. Dieses Ziel wird erreicht, indem deren Bedürfnisse in den Unterricht integriert werden. Auch die praxisorientierte Kursgestaltung sowie der Einsatz aktivierender Methoden im Unterricht tragen zur Steigerung der Motivation der Teilnehmenden bei.

Methodenkoffer

Eine Vielzahl an Methoden findet sich z.B. auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die einen umfangreichen Methodenkoffer zur Verfügung stellt. Eine Unterteilung in einfache Methoden, Methoden zur inhaltlichen Strukturierung, Interventionen/Spielen und komplexe Methoden vereinfacht die Suche.

Trainingsbuch für Kurs- und Seminarmethoden

In diesem Buch findet sich eine ausführliche Beschreibung zur allgemeinen Anwendung von Methoden und worauf man als lehrende Person zu achten hat. Eine Methodensammlung für unterschiedliche Situationen und Anwendungsbereiche rundet den theoretischen Rahmen ab.

Knoll, J. (2007): Kurs- und Seminarmethoden. Ein Trainingsbuch zur Gestaltung von Kursen und Seminaren, Arbeits- und Gesprächskreisen (11., vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl.). Weinheim und Basel. Beltz Verlag.

Methoden-Set

Das Methoden-Set von Rabenstein, Reichel und Thanhofer bietet Methoden für spezifische Konfliktsituationen an. Das Buch liefert einen guten Überblick über unterschiedliche Unterrichtssituationen und offeriert passende Methoden.

Rabenstein, R., Reichel, R., & Thanhofer, M. (2004). Das Methoden-Set. 5 Bücher für Referenten und Seminarleiterinnen. 5. Konflikte (12. Aufl.). Münster: Ökotopia.


Quellen

Knoll, J. (2007): Kurs- und Seminarmethoden. Ein Trainingsbuch zur Gestaltung von Kursen und Seminaren, Arbeits- und Gesprächskreisen (11., vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl.). Weinheim und Basel: Beltz Verlag.

„Das ist meine Position! Abstandnehmen, Motorinspektion“ aus dem Methodenkoffer der Bundeszentrale für politische Bildung


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