Lernen in Gruppen

Nicht immer harmonisch. Aber effektiv?

Das Lernen in Gruppen stellt für Lehrende und Lernende eine Herausforderung dar. Unterschiedliche Charaktere und Lerntypen treffen aufeinander, um gemeinsam an einer Aufgabe oder einem Projekt zu arbeiten. Es kann zu Missverständnissen in der Kommunikation, unklaren Aufgabenverteilungen, sozialem Faulenzen oder endlosen Diskussionen führen. Soll das Lernen in der Gruppe funktionieren, muss die Lehrkraft darauf achten, dass die Rahmenbedingungen lernförderlich sind. Diese bieten Orientierung für die Lernenden und sorgen für effektive Zusammenarbeit. Das Dossier „Lernen in Gruppen“ verschafft Lehrkräften einen Überblick über Grundlagenkenntnisse in Bezug auf Gruppen wie beispielsweise Heterogene Lerngruppen, Gruppenarbeit oder Gruppendynamik. Außerdem bietet es praxisnahe Handlungsanleitungen, Erfahrungsberichte von Wissenschaftlern sowie von Lehrkräften aus der Erwachsenenbildung und vieles mehr. Wir werden in Zukunft weitere Artikel zu diesem Thema veröffentlichen.

Viele Menschen üben gemeinsam das Spielen auf einem Blasinstrument

Die Arbeit und das Lernen in Gruppen verlaufen nicht immer harmonisch und effektiv. Lehrkräfte der Erwachsenenbildung müssen sich mit dem Wesen von Gruppen vertraut machen (Bild: LoggaWiggler/pixabay, CC0).

Gruppen sind ein fester Bestandteil unseres Soziallebens. Wir kommen im Sportverein, in einer Band, in einem gemeinnützigen Verein oder an unserem Arbeitsplatz mit Arbeitskollegen zusammen und formen unterschiedliche Ausprägungen von Gruppen.

Lehrkräfte in der Erwachsenenbildung sind im Rahmen von Bildungsveranstaltungen regelmäßig in Kontakt mit Gruppen. Die Teilnehmenden an der Veranstaltung bilden bereits eine Gruppe. Wenn hier viele Menschen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen – Alter, Sprache, Leistungsstand etc. – zusammenkommen, ist die Lehrkraft mit einer heterogenen Lerngruppe konfrontiert. Bei Lehrenden ist die Gruppenarbeit eine beliebte Methode, auch wenn einige Teilnehmer das oft anders sehen. Außerdem lohnt sich für das Verständnis von Gruppenprozessen ein Basiswissen über Gruppendynamik.

Wir verbinden mit der Arbeit und dem Lernen in Gruppen nicht zwangsläufig etwas Positives. Vermutlich hat jede Person schon mal negative Erfahrungen mit Arbeits- oder Lerngruppen gemacht, weil die Arbeit an einem selber hängen blieb oder weil am Ende statt eines brauchbaren Ergebnisses nur endlose Diskussionen herauskamen. Eine – natürlich nicht repräsentative – Suche auf Twitter zu Meinungen über Gruppenarbeit fördert fast ausschließlich negative Aspekte des Lernens in Gruppen zu Tage:

Soziales Faulenzen in der Gruppe

Nach einer weit verbreiteten Auffassung erledigt in Gruppen nur ein Teil der Gruppenmitglieder die Arbeit, während die Anderen sich zurücklehnen. Die Sozialpsychologie, die einen großen Fundus an wissenschaftlichen Erkenntnissen über Gruppen bereithält, gibt Aufschluss über die Leistung von Individuen in Gruppen. Danach gibt es in Gruppen tatsächlich den Effekt des sozialen Faulenzens. Es gibt aber auch die gegenteilige Wirkung der sozialen Erleichterung. Das erstere Phänomen wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts beim Tauziehen beobachtet.

Tauziehen in einer Gruppe

Soziales Faulenzen kann in einer Gruppe entstehen, wenn bei kognitiv einfachen Gruppenaufgaben, eine Einzelbewertung nicht vorgenommen wird. Die Leistung der einzelnen Individuen sinkt. Beispiel: Tauziehen (Bild: saxonrider/pixabay.com, CC0).

Der Franzose Max Ringelmann stellte 1880 fest, dass Männer beim Tauziehen in der Gruppe jeweils weniger Kraft investierten als wenn sie alleine an einem Seil zogen. Wenn wir in einer Gruppe agieren, in der einzelne Leistungen nicht bewertet werden – wie eben beim Tauziehen in einer Gruppe – kann dies zu sozialem Faulenzen führen. Die Sozialpsychologie unterscheidet in diesem Zusammenhang aber zwischen der Bewältigung einfacher und schwieriger Aufgaben.

Beim Tauziehen handelt es sich um eine kognitiv einfache Aufgabe. In Kombination mit einer fehlenden Bewertung der Einzelleistung führt dies zu einer sinkenden individuellen Leistung. Wenn eine Gruppe jedoch eine schwierige Aufgabe zu erledigen hat und keine Einzelbewertungen vorgenommen werden, dann führt dies zu einer Leistungssteigerung. Der vermutliche Grund ist, dass die Gruppenmitglieder sich keine Sorgen machen über Einzelbewertungen. Es tritt eine Entspannung ein und die Konzentration gilt der Bewältigung der Aufgabe. Dieses Phänomen wird als „soziale Erleichterung“ bezeichnet.

Gruppenlerner in der Minderheit

Das Arbeiten und Lernen in Gruppen ist kaum zu umgehen. In der Arbeitswelt ist die vielbeschworene „Teamfähigkeit“ aus Stellenanzeigen nicht wegzudenken. Im Bildungsbereich ist der Umgang mit unterschiedlichen Gruppen Realität. Für den Lernerfolg und die Lernmotivation der Teilnehmenden spielt es eine große Rolle, wie die Lehrkraft das kollaborative Lernen gestaltet. Hier entscheidet sich, ob das Lernen in Gruppen einen entscheidenden Vorteil bietet und nicht bloß zur Methode verkommt, die etwas Abwechslung bietet. Gruppenlernen steht schließlich nicht für alle Teilnehmenden oben auf der Beliebtheitsskala.

In einem Forschungsprojekt mit Weiterbildungsteilnehmern (VaLe = Variation von Lernumgebungen) wurde festgestellt, dass sich weniger als ein Viertel der Befragten (21,6 %) als dezidierte Gruppenlerner einstuften. 23 Prozent bezeichneten sich als Alleinlerner und über die Hälfte der Befragten (55,4 %) ordneten sich als Mischlerner ein. Eine Befragung unter deutschen Arbeitnehmern hat darüber hinaus ergeben, dass mehr als die Hälfte der Befragten der Meinung sind, im Team weniger gut kreative Ideen entwickeln zu können. Nur acht Prozent halten die Teamarbeit für die Erarbeitung kreativer Konzepte für ideal. Sollte kooperatives Lernen in Gruppen deshalb vermieden werden? Oder sind diese Zahlen ein Beleg dafür, dass Lernen in Gruppen häufig falsch gestaltet ist?

Gruppen sind komplexe Gebilde. Als Lehrkraft der Erwachsenenbildung kommen Sie automatisch in Berührung mit unterschiedlichen Arten von Gruppen. Eine solide Kenntnis über ihr Wesen ist keine Selbstverständlichkeit. Dabei könnte mehr Wissen darüber zu einer besseren Gestaltung des kooperativen Lernens führen und damit letztlich auch die Skepsis der Lernenden gegenüber Gruppen reduzieren. 

Unser Dossier „Lernen in Gruppen“ bietet Ihnen in Wissensbausteinen grundlegendes Wissen über den Umgang mit Gruppen im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen, praktische Tipps in Form von Handlungsanleitungen und Checklisten sowie Einblicke von Erwachsenenbildnern in ihren Umgang mit Gruppen in Form von Erfahrungsberichten. Damit wird Ihre nächste Gruppenarbeit zu einem Erfolg.