Handlungsanleitung

Talente entdecken und dokumentieren 

Was bringen Sie mit? Wo wollen Sie genau hin? Wie kommen Sie dort hin? Diese Fragen stellen sich in Phasen der beruflichen Neuorientierung. Für Geringqualifizierte sind sie manchmal schwer zu beantworten, besonders wenn kein positives Selbstbild vorhanden ist und das Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen und Stärken gering ausgeprägt ist. Es gilt also offenzulegen, was im Verborgenen schlummert. Der Talentkompass NRW ist dafür ein bewährtes Instrument.

Im Rahmen der Arbeit mit dem Talentkompass NRW bildet die Biografiearbeit einen wichtigen Baustein. Die Beschäftigung mit der eigenen Lebenslinie, um die es im Folgenden geht, eröffnet den Lernenden häufig eine neue Sichtweise auf Fähigkeiten und Vorlieben, auf ihre eigene Selbstwirksamkeit sowie ihre Konfliktlösungskompetenzen. Gerade in der Bildungsarbeit mit Geringqualifizierten – aber nicht nur für sie – stellt dieser Prozess einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Persönlichkeit dar.

Lernsequenz Lebenslinien

Die Arbeit mit dem Talentkompass beginnt mit der Betrachtung der persönlichen „Lebenslinie“ im Rahmen eines Gruppenseminars. Die besondere Herausforderung besteht hierbei darin, die z.T. sehr sensiblen Details aus dem Leben der Teilnehmenden mit der nötigen Diskretion zu behandeln und dennoch die o.g. Effekte zu erzielen.

Anmoderation

Jedes Gruppenmitglied soll sich zunächst einzeln mit der eigenen Lebenslinie befassen. Alles was wichtig erscheint, soll aufgeführt werden. Die Regel der Vertraulichkeit soll eingehalten werden. Niemand muss später in der Gruppenphase Dinge preisgeben, die nicht für andere bestimmt sind. Dennoch sollten alle für das bisherige Leben wichtige Punkte erwähnt werden. Alles was in der Gruppe an persönlichen Erlebnissen besprochen wird, verlässt nicht den Raum, darf also Dritten gegenüber nicht erwähnt werden.

Lebenslinie erstellen (ca. 15 bis 20 Minuten)

Schritt 1: Erstellen der Lebenslinie

In der Mitte des Blattes/Plakates zeichnen die Teilnehmenden einen Zeitstrahl (ein nach rechts zeigender Pfeil). Der Beginn stellt die Geburt dar, die Spitze die Gegenwart. Der Zeitstrahl wird in einzelne Lebensabschnitte aufgeteilt, z. B. 5 bis 10 Jahre, 11 bis 20 Jahre, 21 bis 30 Jahre. Teilnehmende dürfen jedoch auch eigene Einteilungen von Lebensabschnitten vornehmen.

In die einzelnen Zeitabschnitte werden Lebenserinnerungen chronologisch eingetragen. Hoch- und Tiefpunkte können farblich besonders gekennzeichnet werden. Auch die damit verbundenen Stimmungen können zum Ausdruck gebracht werden, z. B. mit Smilies.

Das Bild zeigt eine Tabelle zum Talentkompass NRW.

Schritt 2: Austausch in Partnerarbeit

Die Lernenden finden sich danach paarweise zusammen, idealerweise aufbauend auf bereits vorhandenen Vertrauensverhältnissen (z. B. Sitznachbarn). Die Paare suchen sich jeweils einen ungestörten Platz. Sie erläutern sich gegenseitig ihre Lebenslinien. Der oder die Zuhörende darf Zwischenfragen zum Verständnis stellen. Erfahrungsgemäß ergeben sich auf diese Weise sehr intensive Gespräche. Denn beim Erzählen und durch die Nachfragen treten Aspekte in den Mittelpunkt, die einem selbst gar nicht so aufgefallen wären. Mitunter wird der vorgesehene Zeitrahmen von 15 bis 20 Minuten überschritten.

Schritt 3: Auswertung im Plenum

Zunächst werden nun in Form einer Blitzlichtrunde erste Eindrücke aus der bisherigen Arbeit ausgetauscht. Durch vertiefende Fragestellungen können einzelne Aspekte deutlicher herausgearbeitet werden.

„Das Lebensblatt dient dazu, weitere zentrale Lebensbereiche (über die beruflichen Erfahrungen hinaus) in den Blick zu nehmen und in kurzer Zeit möglichst viele Erinnerungen an konkrete Ereignisse der eigenen Lebensgeschichte hervorzulocken. Jede Erinnerung kann bei der weiteren Bearbeitung dazu dienen, einzelne Fähigkeiten und Interessen benennen zu können, die sonst möglicherweise "unter der Oberfläche" verborgen geblieben wären.“ (MAIS Talentkompass-Leitfaden, S. 21).

Diese besonderen Fähigkeiten und Interessen sollen nun noch einmal hervorgehoben werden, als Verbindungsschritt zur anschließenden Analyse der Kraftfelder. Dies geschieht mit einer Kartenabfrage (ein Begriff pro Karte), z. B. mit der Fragestellung:

 „Welche Stärken, Besonderheiten, Kompetenzen sind mir durch die Arbeit mit meiner Lebenslinie nochmals oder auch neu bewusst geworden?“

Die eigenen Begriffe werden zusätzlich auch auf dem persönlichen Lebenslinien-Blatt im Talentkompass-Ordner notiert, um sie später wieder präsent zu haben.

Die Teilnehmenden heften nach und nach ihre Karten an eine Pinnwand. Karten mit ähnlichen Ergebnissen werden zusammengehängt. Neue Aspekte bilden eine neue Rubrik (Cluster). So werden Gemeinsamkeiten sichtbar, die im weiteren Verlauf Gegenstand des informellen persönlichen Austauschs werden können.

In einer Abschlussrunde in Form eines Blitzlichts zum Thema:

„Was habe ich heute Neues über mich erfahren? Was werde ich damit anfangen?“

können die Einzelnen ihr persönliches Ergebnis der Lerneinheit kurz zusammenfassen. Dies dient dazu die weitere Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie zu fördern. Zum Abschluss kann auch die Stimmung bezüglich der Arbeitsweise und der Zusammenarbeit in der Gruppe abgefragt werden.

Was bringt die Arbeit mit Lebenslinien?

Die Teilnehmenden werden sich über besondere Stärken und Kompetenzen bewusst, mit denen sie zurückliegende Lebenssituationen bewältigt haben. Der Austausch untereinander hilft zudem, eigene Erfahrungen zu präzisieren, aber auch zu verallgemeinern. So erkennen die Teilnehmenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den jeweiligen Stärken. Gleichzeitig entdecken sie durch den Blick auf die Lebenslinien anderer eigene, noch unbekannte Stärken.

Fähigkeiten und Interessen erkennen und einsetzen

Die Lebenslinien stellen den Einstieg in die Arbeit mit dem Talentkompass NRW dar. Die weitere Arbeit ist im Talentkompass NRW in fünf Schritte gegliedert:

1. Kraftfelder: persönliche Fähigkeiten

Die Beschreibung von Eigenschaften, Tätigkeiten, Wissen bietet die Möglichkeit, differenziert aufzuarbeiten, z. B. welches Wissen vorhanden ist; was am liebsten angewendet wird; welches Wissen in den verschiedenen Lebensbereichen erworben worden ist und welches Wissen der jeweiligen Person besonders wichtig ist und in besonderer Weise angewendet wird.

2. Magnetfelder: Wo zieht es Sie hin?

Hier findet eine Auseinandersetzung mit den Wünschen an das berufliche Umfeld sowie mit persönlichen Werten und Interessen statt:

  • Erwartungen an den Arbeitsplatz, an Kolleginnen und Kollegen, an Vorgesetzte sowie Kundinnen und Kunden.
  • Werte, die besondere Bedeutung für die künftige berufliche Entwicklung haben.
  • Interessen, die im bisherigen Leben (in Gesprächen, in der Freizeit) eine Rolle spielen und für die Neuorientierung relevant sein könnten.

  3. Kompass: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse

In jedem der vorangegangenen Arbeitsschritte sind jeweils drei Ergebnisse formuliert worden, die nun in den Talentkompass übertragen werden.

Das Bild zeigt eine Grafik angelehnt an einen Kompass.

4. Erkunden: Neue Ideen entwickeln und überprüfen

In dieser Arbeitsphase werden Interessen und Fähigkeiten miteinander kombiniert und daraus Ideen für neue berufliche Perspektiven entwickelt. Drei besonders ansprechende Ideen werden ausgewählt, mindestens eine davon auch weiter verfolgt: durch weitere Informationsrecherche, Gespräche mit Personen oder durch den Besuch von Veranstaltungen. Die Ergebnisse der Recherche werden gesammelt und ausgewertet.

5.Losgehen: berufliche Ziele entwickeln und umsetzen

Aus den Ideen werden nun (mit unterschiedlichen Methoden) berufliche Ziele entwickelt. Mögliche Hürden werden analysiert und Pläne entwickelt. Die Pläne sollen so konkret sein, dass sie in kleinen Schritten nach und nach umgesetzt werden können.

Weiterführende Hinweise

Auf der Internetseite talentkompass.nrw.de gibt es weitere Informationen sowie Downloads für den Talentkompass, für Flyer, sowie für einen Leitfaden für Beratungsfachkräfte.

CC BY-SA 3.0 DE by Christoph Eckhardt und Jutta Pörtner für wb-web


Quellen

Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Talentkompass NRW. 2.Auflage, Düsseldorf 2013.

Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW. Talentkompass NRW – Leitfaden für den Einsatz in Beratung und Kursangeboten.

Download Talentkompass: https://www.mais.nrw/sites/default/files/asset/document/arbeit_talentkompass.pdf

Download Leitfaden: https://www.mais.nrw/sites/default/files/asset/document/arbeit_talentkompass_leitfaden.pdf

Download Leitfaden: https://www.mais.nrw/sites/default/files/asset/document/arbeit_talentkompass_leitfaden.pdf



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