Wissensbaustein

Lernberatung

Wie wird aus der Lehrenden eine Beraterin?

In vielen Bereichen des täglichen Lebens begegnen uns Berater: Steuerberater, Eheberater, Finanzberater – wer ein Problem hat, sucht entsprechende Beratung. Anders bei Lernberatung: Hier muss nicht unbedingt ein Problem vorliegen, damit Beratung erforderlich ist. Vielmehr geht es um die Frage, wie Lernende ihr individuelles Lernpotenzial optimal entwickeln können. An die in der Weiterbildung Tätigen stellt die Arbeit in der Lernberatung neue Anforderungen.

DefinitionWas ist das?

In der Pädagogik gibt es verschiedene Definitionen für den Begriff „Beratung“. Grundsätzlich definiert Beratung sich als ein Gespräch zwischen Berater und Ratsuchendem über einen bestimmten Gegenstand mit dem Ziel, eine Strategie zu entwickeln (Pätzold, 2009, S. 196). Lernberatung kann zum einen verstanden werden als Lernprozessbegleitung, zum anderen als didaktische Form (Abb. 1). 

Abbildung 1: Definitionen von Lernberatung (Quelle: Pätzold, 2009, S. 197)

Abzugrenzen ist die Lernberatung von anderen Formen der Beratung wie Coaching, psychologische oder sozialpädagogische Beratung, wobei die Übergänge zu diesen Formen in der Praxis fließend sein können: Gerade wenn es um Probleme im Lernprozess geht, sollten Lernberater darauf achten, ob sie an die Grenzen ihrer Beratungsaufgabe geraten und ob eine Vermittlung an andere Beratungsinstanzen sinnvoll ist (Pätzold, 2013, S. 139ff.).

In diesem Wissensbaustein geht es um die Lernberatung als didaktische Form, die in einem Beratungsgespräch stattfindet. Näheres zur Lernberatung als Lernprozessbegleitung finden Sie in der Infobox "Lernberatung als Lernprozessbegleitung".

Gerade in der Erwachsenen- und Weiterbildung spielt Lernberatung eine bedeutende Rolle: Menschen, die aus der geregelten schulischen Bildung ausgeschieden sind, bringen sehr individuelle Wünsche, Bedarfe und Probleme mit, wenn sie sich (weiter-)bilden wollen oder müssen. Lernberatung ist dann mehr, als nur die Frage nach der richtigen Lernmethode bei Verständnisschwierigkeiten. Es geht vielmehr um ein Konzept von Beratung, die

  • Lernbedürfnisse bestimmt,
  • Lernziele ableitet,
  • Lernressourcen ermittelt,
  • Strategien entwickelt und umsetzt,
  • Lernerfolg bewertet.

GeschichteWoher kommt das?

Bildungsberatung als Berufs- und Erwerbsberatung gibt es in Deutschland seit Beginn des 20. Jahrhunderts: 1921 wurde die erste staatliche Behörde zur Berufsberatung eingerichtet. In der zweiten Jahrhunderthälfte nahm das Beratungsangebot stetig zu: In den 1950er Jahren wurden an den Schulen Beratungsmöglichkeiten geschaffen, in den 1970er Jahren entstanden Einrichtungen der Arbeitslosen-, Studien und Weiterbildungsberatung. Verbunden war damit die Absicht, bestimmte Gruppen durch Qualifizierung (wieder) in Beschäftigung zu bringen.

Im Zusammenhang mit der Maxime vom Lebenslangen Lernen wurden in den vergangenen Jahren mit staatlicher Förderung weitere Bereiche für Weiterbildungsberatung geschaffen: Es entstanden Netzwerke wie die „Lernenden Regionen“ oder „Lernen vor Ort“, die Beratung anbieten. Über 500 Beratungsstellen, darunter Wirtschaftsorganisationen, Kammern, kommunale Wirtschaftsförderer oder Volkshochschulen gibt es zurzeit im Zusammenhang mit der Vergabe des „Bildungsschecks“.

Lernberatung im Sinne von Lernprozessbegleitung (s. Infobox) ist hingegen ein noch relativ junges Konzept. 

MerkmaleWie geht das?

Soll Lernberatung in Form der personenbezogenen Beratung, also in einem Einzelgespräch zwischen Beraterin und Ratsuchendem oder auch in einer (Klein-)Gruppe, gelingen, so sind Kommunikation und Interaktion entscheidend. Alle Beteiligte sind dafür verantwortlich, betont Nollmann (2010, S. 41). Das ideale Beratungsgespräch verknüpft gelingende Kommunikation und Interaktion mit der Vermittlung von Information und Wissen (ebd.).

Gelingende Lernberatung orientiert sich nach Manz (2010, S. 73) am Teilnehmenden und seinen Lerninteressen, seinen Kompetenzen und seiner Biografie und bemüht sich dabei um lern- und lebensbiografische Kontinuität. Abbildung 2 zeigt die Elemente der Lernberatung:

Grafik zu den Elementen der Lernberatung

Abbildung 2: Lernberatung hat viele Elemente (nach Pätzold, 2013, S. 20)

Bei der Lernberatung geht es naturgemäß um das Lernen, insbesondere um die individuellen Lernstrategien und Lerngeschichten der Ratsuchenden. Um diese im Beratungsgespräch sichtbar zu machen, kann man nach Knoll (2008, S. 101ff.) folgende Methoden anwenden:


HandlungsfelderWo brauche ich das?

Für die Lernberatung benötigen in der Weiterbildung Tätige besondere Kompetenzen: Neben Methoden zur Analyse, Beratung, Handlung und Diagnose für die Planung und Steuerung von Beratungsprozessen sollten sie Kenntnisse zu psycho-dynamischen Prozessen haben. Die Lehrkraft muss zudem vertraut sein mit Verfahren der Kontrolle und Evaluation (Schlüter, 2010, S. 14f.). Nicht zuletzt gehören zur Tätigkeit als Lernberater auch emotionale und soziale Kompetenzen wie Reflexivität, Sensibilität und Empathie.

Angeboten wird Lernberatung in Form von Gesprächen; es gibt Datenbanken im Internet und regionale Lernzentren bieten Informationen für Ratsuchende an.

Als Haltung und Methode in der Erwachsenenbildung ist Lernberatung als Lernprozessbegleitung (s. blauer Infokasten) ein Element in Lehr-Lernarrangements, die nach dem Konzept des selbstgesteuerten Lernens arbeiten. Insbesondere in der beruflichen Weiterbildung setzen Maßnahmen auf entsprechende Konzepte, die Selbstständigkeit, Kooperationsfähigkeit und Lernfähigkeit fördern sollen. 
 

DiskussionWas wird diskutiert?

In der aktuellen Diskussion geht es vor allem um die Lernberatung als Lernprozessbegleitung, eine relativ junge Idee, die im Zusammenhang mit zwei anderen wichtigen Trends in der Erwachsenenbildung – selbstgesteuertes Lernen und Lebenslanges Lernen – Beachtung findet. Es geht dabei um eine neue Definition der Rolle der in der Erwachsenen- und Weiterbildung Tätigen vom Lehrenden hin zum Lernbegleiter. Welche Kompetenzen ein Lernbegleiter haben sollte und wie die Verantwortung im Lernprozess verortet wird, sind dabei zentrale Fragen, die zukünftig geklärt werden müssen. Ebenso stellt sich die Frage nach der Rolle der Lehrenden mit Blick auf die Entwicklung computergestützter Lernangebote (Pätzold, 2013, S. 7ff.).

In der beruflichen Weiterbildungsberatung werden zunehmend digitale Werkzeuge zur Dokumentation und Reflexion von Kompetenzen eingesetzt, sogenannte E-Portfolios (Elsholz & Rohs, 2014).


Service

Zur Reflexion

  • Bietet die Institution, in der Sie Weiterbildungsveranstaltungen durchführen, Beratung an? 
  • Welche Art der Beratung würden Sie sich dort wünschen? Was könnten Sie dazu beitragen?
  • Warum ist es sinnvoll, bei einer Lernberatung die Lernbiografie des Ratsuchenden zu berücksichtigen?

Literaturliste

  • Elsholz, U., & Rohs, M. (Hrsg.). (2014). E-Portfolios für das lebenslange Lernen. Konzepte und Perspektiven. Bielefeld: W. Bertelsmann.
    In der beruflichen Weiterbildungsberatung werden zunehmend digitale Werkzeuge zur Dokumentation und Reflexion von Kompetenzen eingesetzt. Der Band stellt maßgebliche Konzepte und Umsetzungen von E-Portfolios in unterschiedlichen Bereichen der Bildungspraxis vor, etwa den eProfilPASS, das mobile Ausbildungsportfolio, das Online-Berichtsheft BLok und den Berufswahlpass.
  • Knoll, J. (2008). Lern- und Bildungsberatung. Professionell beraten in der Weiterbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann. 
    Knoll bearbeitet das Thema Beratung anschaulich, umfassend und mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis. Besonders interessant ist das Kapitel zu Therapie und Beratung: Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Konzepte werden ausführlich dargestellt. Auch als Download unter www.die-bonn.de/id/4193
  • nfb – Nationales Forum in Bildung, Beratung und Beschäftigung (Hrsg.). (2014). Professionell beraten: Qualitätsstandards für die Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Bielefeld: W. Bertelsmann.
    Dieser Band stellt die neu entwickelten BeQu-Standards vor. Mit den Standards können Ratsuchende die Qualität von Beratungsleistungen besser beurteilen. Beratende und Anbieter können die Qualität der eigenen Angebote überprüfen und verbessern.
  • Wimmer, A., Buchacher, W., Kamp, G., & Wimmer, J. (2012). Das Beratungsgespräch. Skills und Tools für die Fachberatung. Wien: Linde.
    Die Autoren sind in der Beratungspraxis auf verschiedenen Feldern aktiv und geben Anleitungen für Beratungsgespräche für viele Situationen. Mit dem Buch verschafft man sich schnell einen Überblick über viele Methoden der Beratung. Abbildungen von Flipcharts visualisieren Konzepte und Zusammenhänge: Ein Buch für den Einstieg ins Thema Beratung.

Quellen

Dietrich, S. (Hrsg.). (2001). Selbstgesteuertes Lernen in der Weiterbildungspraxis. Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Projekt SeGeL. Bielefeld: W. Bertelsmann.

 Käpplinger, B., & Rohs, M. (Hrsg.). (2014). Lernberatung in der beruflich-betrieblichen Weiterbildung. Konzepte und Praxisbeispiele für die Umsetzung. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2014-lernberatung-01.pdf

 Knoll, J. (2008). Lern- und Bildungsberatung. Professionell beraten in der Weiterbildung. Bielefeld: W. Bertelsmann.

 Kurbjuhn, S. (2010). Handwerkszeug für Verlauf und Prozess in Beratungsphasen. In A. Schlüter (Hrsg.), Bildungsberatung. Eine Einführung für Studierende (S. 50–54). Opladen: Barbara Budrich.

 Manz, A. (2010). Lernberatung. In A. Schlüter (Hrsg.), Bildungsberatung. Eine Einführung für Studierende (S. 73–79). Opladen: Barbara Budrich.

 Nollmann, U. (2010). Wie kann Beratung gelingen? In A. Schlüter (Hrsg.), Bildungsberatung. Eine Einführung für Studierende (S. 39–47). Opladen: Barbara Budrich.

 Pätzold, H. (2004): Lernberatung und Erwachsenenbildung (Online-Zweitveröffentlichung August 2013). Baltmannsweiler: Schneider. Abgerufen von www.die-bonn.de/doks/2013-lernberatung-01.pdf

 Pätzold, H. (2009). Pädagogische Beratung und Lernberatung. PÄD Forum, (5), 196–199. Abgerufen von www.pedocs.de/volltexte/2011/3199/pdf/Paetzold_Paedagogische_Beratung_2009_5_D_A.pdf

 Schlüter, A. (Hrsg.). (2010). Bildungsberatung. Eine Einführung für Studierende. Opladen: Barbara Budrich.

 Wimmer, A., Buchacher, W., Kamp, G., & Wimmer, J. (2012). Das Beratungsgespräch. Skills und Tools für die Fachberatung. Wien: Linde. 


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