Handlungsanleitung

Selbstständig in der Weiterbildung – fünf Tipps zum sicheren Überleben 

Als Hedwig Seipel vor fast 18 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, ahnte sie nicht, welche Höhen und Tiefen sie erwarten würden. Auf einige davon hätte sie verzichten können. Doch aus Fehlern lernt man. Damit Sie nicht in die gleichen Fallen tappen, gibt Hedwig Seipel ihre Erfahrung in den fünf wichtigsten Tipps zum sicheren Überleben als Selbstständige weiter. 

Tipp 1: Das eigene „Unternehmer-Gen“ selbstkritisch reflektieren 

Von der Idee, mich selbstständig zu machen, bis zu dem tatsächlichen Schritt, sind mehrere Jahre vergangen. Ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich es schaffe, auf die Sicherheiten und geregelten Abläufe als Angestellte verzichten zu können. Wie komme ich damit klar, wenn auf meinem Konto nur noch unregelmäßig Einnahmen, aber kontinuierlich Ausgaben verbucht werden? Kann ich mich nach Angebotsabsagen weiter motivieren? Bin ich selbstdiszipliniert genug, mein Arbeitspensum zu schaffen? Es war enorm wichtig, diese und noch weitere Fragen sehr ehrlich und selbstkritisch zu beantworten. Übertriebener Optimismus und eine rosarote Brille wären die falschen Berater gewesen. Die Fragen, die mich damals beschäftigten, habe ich in einer Checkliste   zusammengetragen. Sie hilft, dem eigenen „Unternehmer-Gen“ auf das Zahnfleisch zu fühlen. 

Tipp 2: Richtig rechnen und realistisch bleiben 

Ohne Spaß an der Arbeit – kein Erfolg. Doch Spaß alleine sichert noch nicht die Lebensexistenz. Deshalb ist Rechnen die wichtigste Disziplin, um als Selbstständige zu überleben. Die Antwort, ob man von der Arbeit leben kann, liefert der Vergleich zwischen der Geldmenge, die man zum Leben mindestens braucht und dem Gewinn, den man erwirtschaften kann. Ich habe für mich den „persönlichen Stundensatz“ ausgerechnet. Es ist die Summe, die ich für eine Stunde als Trainerin oder Dozentin verlangen muss, um alle Ausgaben decken zu können. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich hier um einen Brutto-Wert handelt, von dem noch Steuer und andere Sozialkosten abzuführen sind. Meinem „persönlichen Stundensatz“ stehen Honorare gegenüber, die in der Weiterbildung üblicherweise gezahlt werden. Leider ist die Honorarsituation in der Branche alles andere als erfreulich. Zwar betrug im Jahr 2015 laut der Studie der „managerseminare“ der durchschnittliche Tagessatz für Trainer ca. 1.333 € (ca. 150 € pro Stunde), doch die Schere zwischen Spitzensätzen in der Privatwirtschaft und Billighonoraren institutioneller Anbieter geht extrem auseinander. In vielen Fällen besteht keine Möglichkeit, Honorare zu verhandeln, weil die Institutionen mit festen Stundensätzen arbeiten. Diese liegen leider häufig knapp über dem Mindestlohn. Die einzige Chance, unter diesen Gegebenheiten einen vernünftigen und akzeptablen Gewinn zu erwirtschaften, besteht im geschickten Mix der Aufträge, die man annimmt. Dazu mehr im Tipp 3. 

Tipp 3: Die „5Ws“ klar beantworten und kommunizieren 

Ich muss ehrlich zugeben, Akquise war noch nie meine Stärke. Besonders die sogenannte „Kaltakquise“, bei der potenzielle Auftraggeber erstmalig kontaktiert werden, um den eventuellen Bedarf zu eruieren und das eigene Angebot vorzustellen, liegt mir nicht, und ich habe sie nie in nennenswertem Umfang angewendet. Trotzdem ist es mir gelungen, eine ausreichende Menge an Aufträgen für Trainings, Schulungen und Beratungen zu bekommen, um davon leben zu können. Dabei halfen mir die „5Ws“: 

  • Was biete ich genau an?
    Eine „eierlegende Wollmilchsau“ verkauft sich nicht gut. Trainer, die alles können, mag es zwar geben, doch engagiert werden diejenigen, die sich auf bestimmte Fachthemen oder Methoden spezialisiert haben. Je klarer und strukturierter das Angebot formuliert ist, desto größer ist die Chance, einen Auftrag mit angemessenem Honorar zu bekommen.
  • Welchen (Mehr-)Nutzen liefere ich ab?
    Auf dem Trainings- und Schulungsmarkt finden sich viele vergleichbare Angebote. Für mich war von Anfang an klar: Wenn ich mich von Mitbewerbern abheben will, dann nicht durch eine ausgefallene Selbstdarstellung, sondern durch den Mehrnutzen, die meine Trainings dem Auftraggeber bzw. den Teilnehmern liefern. Was das konkret sein kann, hängt vom jeweiligen Training oder dem Fachthema ab. Wichtig ist, den (Mehr-)Nutzen transparent und klar herauszuarbeiten und darzustellen.
  • Wie mache ich es?
    Manchmal entscheidet über den Zuschlag nicht, welche Leistungen wir anbieten, sondern die individuelle Art, wie wir Trainings oder Schulungen ausführen. Besonders bei Folgeaufträgen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Auftraggeber mich als Trainerin wollten, auch wenn für ein bestimmtes Thema bessere Fachexperten zur Wahl standen. Deshalb lautet mein Tipp: Bleiben Sie sich immer treu. Authentisch zu sein, zahlt sich aus.
  • Warum bin ich genau die Richtige?
    Wenn ich eine Ausschreibung lese oder eine Anfrage bekomme, dann denke ich zuerst intensiv darüber nach, warum gerade ich für die Aufgabe richtig bin. Wenn mir keine besonderen Argumente einfallen, dann ist es keine richtige Anfrage für mich und ich lehne sie einfach ab. Damit spare ich mir nicht nur viel Arbeit, detaillierte Angebote zu schreiben, sondern vermeide den Frust einer Absage, die ich sehr wahrscheinlich bekommen würde. Fallen mir dagegen gute Argumente ein, dann bilden sie die Hauptstütze meiner Antwort und tragen maßgeblich zum Erfolg bei.
  • Wie viel kostet es?
    Klare Preisangaben und transparente Kostenaufstellungen gehören zum professionellen Auftritt. Persönlich halte ich nichts davon, wenn Trainer oder Dozenten ihre Honorare nicht klar kommunizieren. Selbstverständlich erstelle ich bei Bedarf individuelle Angebote oder biete ab und zu aus triftigen Gründen einen Sonderpreis an. Doch die kalkulatorische Basis muss stimmen, ansonsten kann ich nicht überleben (siehe Tipp 2). Klare Preispositionierung selektiert im Vorfeld die Anfragen und erspart mir unnötige Arbeit mit unwirtschaftlichen Angeboten.   

Tipp 4: Sich vor trickreichen Angeboten schützen 

Als „frische“ Freiberuflerin merkte ich schnell, dass ich zur begehrten Zielgruppe für zweifelhafte Geschäftsangebote gehöre. Der scheinbare Eindruck, von Beratern und Anbietern diverser Verzeichnisse für Trainer oder Seminardatenbanken regelrecht umsorgt zu werden, entpuppte sich schnell als teurer Reinfall. Die dubiosen Anbieter leben nur von den Gebühren, die unerfahrene Selbstständige an ihre Portale zahlen. Ein wirklicher Nutzen, schnell und häufig als Trainer gefunden zu werden, bleibt aus. Eine günstige und wirkungsvolle Alternative stellen soziale Netzwerke und seriöse Branchenportale dar. Dazu mehr im nächsten Tipp. 

Tipp 5: Netzwerken und am Experten-Status arbeiten 

Selbstständig tätig zu sein bedeutet nicht, stets alleine und isoliert von anderen zu agieren. Ohne mein bestehendes Netzwerk hätte ich nicht auf dem Markt bestehen können. Richtiges Netzwerken bedeutet nicht, das Geschäftemachen im Fokus zu haben, sondern:

  • Menschen kennenzulernen,
  • Interesse füreinander zu zeigen,
  • Freude am Geben und Nehmen zu haben,
  • bereit zu sein, andere zu unterstützen,
  • den Mut zu haben, selbst um Hilfe zu bitten,
  • wertschätzend mit anderen umzugehen.

Ich gehe ganz bewusst großzügig mit meinem Wissen um und teile es gerne, nicht nur in eigenen Netzwerken. Dadurch liefere ich einen Nutzen für andere und werde als „Expertin“ wahrgenommen. Inzwischen habe ich festgestellt, dass das mein bester Akquise-Weg ist. Wer mein Fachwissen gut und nützlich findet, der will gerne noch mehr und so komme ich zu meinen Aufträgen als Trainerin oder Dozentin. Übrigens, freie Lizenzen sind das beste Mittel, um eigene Expertise schnell und möglichst breit zu teilen. Ich lizenziere meine Beiträge, Artikel und Materialien unter CC-BY, seltener unter CC-BY-SA. Mein Fazit: Durch freies Teilen bin ich kein bisschen ärmer geworden, habe aber zahlreiche Aufträge dazugewonnen. 

So, das waren die fünf ultimativen Praxistipps, die ich aus eigener Erfahrung formuliert habe. Meine Entscheidung für die Selbstständigkeit hatte ich bisher keinen Tag bereut. Ich liebe die berufliche Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung, die mich stets motivieren, weiterzumachen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihrer selbstständigen Tätigkeit in der Weiterbildung.



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