Erfahrungsbericht
"Als Trainerin braucht es Mut, zu den eigenen Fähigkeiten zu stehen"
Die Trainerin Jessica Greiwe kennt das Arbeitsleben als Trainerin und Coach aus zwei Perspektiven: als Angestellte und als Selbstständige. Sie ist den Weg in die Selbstständigkeit gegangen, um mehr Entscheidungsfreiheit zu haben, sowohl was ihre Zeiteinteilung als auch die Gestaltung ihrer Trainings betrifft. Was sind wichtige Eigenschaften für Trainer, um erfolgreich zu sein und welche Vor- und Nachteile bringt die Selbstständigkeit mit sich? Darüber sprachen wir mit Jessica Greiwe.
wb-web: Frau Greiwe, Sie arbeiten selbstständig als Trainerin und Coach. Können Sie uns kurz erzählen, was genau Ihr Angebot ist und seit wann Sie selbstständig in der Erwachsenen- und Weiterbildung tätig sind?
Jessica Greiwe: Ich finde zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion unglaublich spannend und habe dies zu meinem Schwerpunktthema gemacht. Meine Trainingsthemen sind: Kommunikation, Konfliktmanagement, Führung und außerdem angrenzende Gebiete wie Präsentation, Moderation und Mitarbeitergespräche. Ich bin seit acht Jahren als Trainerin und Coach tätig, davon fünf als selbstständige Trainerin und zwischendurch drei Jahre als Angestellte.
wb-web: Wie sind Sie auf Idee gekommen, selbstständig zu arbeiten?
Jessica Greiwe: Ich wollte in zwei Bereichen wieder mehr Entscheidungsfreiheit haben: Zeit und Themen. Als angestellte Trainerin hatte ich einen sehr engen Zeitplan. Der zeitliche Rahmen, Inhalte und Methoden wurden meist vorgegeben. Das hatte zur Folge, dass ich kaum Zeit und Gelegenheit mehr hatte, Trainings zu reflektieren und zu überarbeiten, sondern einfach von Termin zu Termin gehetzt bin. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass mir meine Kreativität abhanden gekommen ist, die ich so liebe und die einen großen Teil meiner Trainingsmethodik ausmacht. Ich hatte kaum noch Kraft und Ideen für sinnvolle Übungen, die den Teilnehmern Spaß machen und ihnen auch inhaltlich was bringen.
Ich habe also sozusagen Downshifting betrieben. Ich möchte qualitativ hochwertige Trainings und Coachings anbieten. Keine Massenware, sondern auf die Teilnehmer, das Ziel und das Unternehmen zugeschnittene Maßnahmen. Es gibt immer noch sehr anstrengende Phasen, aber eben auch solche, in denen ich mich weiterbilden und meine Trainings weiterentwickeln kann.
wb-web: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Eigenschaften, die man als selbstständige Trainerin oder Coach mitbringen muss, um „erfolgreich“ zu sein?
Jessica Greiwe: Aus meiner Sicht sind Klarheit und Mut die wichtigsten Eigenschaften für eine erfolgreiche Selbstständigkeit.
Klarheit hinsichtlich der Themen, Inhalte, aber auch der eigenen Grenzen. Was kann und will ich leisten, was nicht? Mit wem möchte ich arbeiten, mit wem nicht? Welchen Preis ist meine Leistung wert? Ich hatte letztes Jahr eine Anfrage für ein Training zum demografischen Wandel. Das habe ich abgelehnt, weil ich zwar weiß, was das ist, aber keine Kenntnisse habe, die ein Training rechtfertigen.
Außerdem braucht es Mut, zu sich als Persönlichkeit und zu den eigenen Kenntnissen und Fähigkeiten zu stehen. Ich bin eine ziemlich ruhige Trainerin. In meinen Trainings wird viel gelacht, viel ausprobiert. Wir machen relativ kurze fachliche Inputs und dann viele Übungen, in denen sich die Teilnehmer das Thema selbst erarbeiten und eigene Erfahrungen machen. Zu vielen Gruppen und Kunden passt das gut, aber eben nicht zu allen. Manche wünschen sich sehr extrovertierte Trainer, wie etwa Anthony Robbins. Das bin ich nicht und das ist auch in Ordnung. Es ist wichtig, nicht zu versuchen, um des Auftrags willen jemand anderes sein zu wollen. Im Training wie im Coaching ist „Chemie“ ein wichtiger Erfolgsfaktor.
wb-web: Manche Lehrende in der Erwachsenen- und Weiterbildung verfolgen den Ansatz, sich thematisch breit aufzustellen, um für möglichst viele potenzielle Auftraggeber interessant zu erscheinen. Ist diese Strategie aus Ihrer Sicht erfolgversprechend?
Jessica Greiwe: Ich muss gestehen, dass ich mit diesem Gedankengang auch noch nicht ganz fertig bin. Auf der einen Seite finde ich die spezialisierten Kollegen toll, die ihr Angebot ganz klar umreißen. Sie sind Spezialisten auf ihrem Gebiet. Das gibt meines Erachtens dem Auftraggeber ein Stück weit die Sicherheit, einen Profi einzukaufen.
Auf der anderen Seite kann ich auch die Kolleginnen und Kollegen verstehen, die sich breit aufstellen und viele Themen anbieten. Auftraggeber arbeiten hier auf vielen Gebieten mit einer Trainerpersönlichkeit zusammen und müssen sich nicht für jedes Thema einen anderen Spezialisten suchen. Es ist ein wenig so, als würde man für ein Produkt entweder in ein spezialisiertes Fachgeschäft oder in ein Kaufhaus gehen. Die Wahl trifft der Kunde.
Für mich hat sich die Frage so nicht gestellt, denn Kommunikation ist ein sehr weites und facettenreiches Gebiet. Ich würde es als sehr einschränkend empfinden, nur mit Schulz von Thun oder nur mit Rosenberg oder nur mit NLP zu arbeiten. Für meine Kunden brauche ich von jedem etwas.
wb-web: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Vorteile als selbstständige Trainerin und Coach?
Jessica Greiwe: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kunden und Teilnehmer den unvoreingenommenen Blick von außen, den man als Externer hat, zu schätzen wissen. Das ist sicher ein Vorteil als selbstständiger Trainer und Coach.
Ein anderer ist für mich, die Wahl zu haben, welche und wie viele Trainings ich annehme, wie und mit wem ich arbeiten möchte.
wb-web: Und die größten Nachteile?
Jessica Greiwe: Manchmal würde ich gern sehen, wie sich die Teilnehmer entwickeln, wie sie die Inhalte in ihren Alltag einbauen. Beispielsweise habe ich letztes Jahr ein Multiplikatoren-Training für ein Industrieunternehmen gegeben. Die Multiplikatoren sollten die Mitarbeiter in einer neuen Tracking-Software schulen. Die Teilnehmer haben Ideen entworfen, wie man das so eingängig wie möglich machen kann. Da kamen tolle Sachen zusammen, wie etwa die Idee, den Verlauf und die einzelnen Stationen des Auslieferungsprozesses mit einem Spielzeug-LKW darzustellen und zu üben. Ich hätte gern gesehen, wie die Mitarbeiter mit dieser Methode umgehen und wie erfolgreich sie eingesetzt wird.
Der andere Nachteil sind natürlich Umsatzschwankungen, Absagen, Ausfälle. Als angestellte Trainerin hatte ich ein festes, planbares Gehalt. Als Selbstständige muss ich hier einfach für Puffer sorgen.
wb-web: Eine selbstständige Trainerin hat uns gegenüber beklagt, dass Trainings pädagogisch verarmen, weil Trainerinnen und Trainer nur noch für das Training gebucht werden und das Konzept und alle weiteren Rahmenbedingungen bereits im Vorhinein festgelegt wurden. Würden Sie diesen Trend bestätigen?
Jessica Greiwe: Teilweise. Ich habe bei meinen Kunden viel konzeptionelle und methodische Freiheit. Die Kunden geben nur die Inhalte und Lernziele vor. Insofern kann ich hier für „Reichtum“ sorgen.
Ich gebe der Kollegin allerdings insofern recht, als viele Firmen als Entwicklungsmaßnahme nur das Training an sich einkaufen. Eine weitere Begleitung im Berufsalltag in Form von Coachings oder Trainings-on-the-Job, die den Lerntransfer erheblich verbessern würden, findet nicht mehr statt.
Jessica Greiwe ist Trainerin und Coach mit den Schwerpunkten Kommunikation (innere wie äußere), Konfliktmanagement, Führung und Präsentation. Sie versteht sich in erster Linie als Reisebegleiterin, die die Teilnehmer ein Stück weit auf der Reise ihrer Entwicklung begleitet und auf Sehenswürdigkeiten und Geheimtipps hinweist.