Handlungsanleitung

Konfliktlösung mit TZI-Konzept

„Ich habe hier nichts gelernt“ - mit einem solchen Satz können Teilnehmende sehr deutlich signalisieren, dass sie ein Problem mit dem Unterricht und folglich mit dem Kursleitenden haben. Die Ursache muss nicht sein, dass die Kursleitung die Lerninhalte unverständlich vermittelt hat. Aber: Offensichtlich besteht Handlungsbedarf, weil Unzufriedenheit eine Ursache von Konflikten ist. Wie Sie mit solchen Konflikten umgehen können, darum geht es im Folgenden.

Konflikte begleiten das Arbeiten in und mit Lerngruppen. Sie können auch zwischen Lehrenden und Lernenden existieren. Als Kursleitung ist man Lernbegleiter bzw. Lernbegleiterin, hat aber auch Leitungsfunktion; man trägt also die Hauptverantwortung für die Gestaltung eines angenehmen und förderlichen Lernklimas. Wenn die Auseinandersetzung mit einem Konflikt vermieden wird, kann der Konflikt größer werden. Möglicherweise werden die Umgangsformen im Kurs unfreundlicher, mehr Teilnehmende werden in den Konflikt mit einbezogen oder Teilnehmende verweigern die Mitarbeit. Folglich muss die Kursleitung – möglichst schon bei auftretenden Konflikten – lösungsorientiert intervenieren, auch wenn es um sie selbst geht, sie Teil des Konflikts ist oder aus Sicht von Teilnehmenden als Verursacher gilt.

Die Voraussetzung für eine gute Intervention ist, sich auf die Suche nach den Ursachen zu machen. Zentrale Fragen sind dabei: „Was ist passiert?“ Oder auch: „Was ist nicht passiert?“ Konflikte können aus etwas Erfolgtem oder etwas Versäumtem entstehen.

So herausfordernd die Situation auch ist: Die Einsicht als Kursleitung, Teil des Konfliktes zu sein und die Entscheidung, sich dem Konflikt zu stellen, sind ein erster wesentlicher Schritt zur Konfliktlösung. Das TZI-Konzept von Ruth Cohn unterstützt dabei, den Konflikt von verschiedenen Seiten zu betrachten.

Wofür kann man das Konflikt-Modell der TZI einsetzen?

Konflikte im Unterricht können zu Störungen führen und das Lernen beeinträchtigen. Das Konfliktdiagnosekonzept von Ruth Cohn, weiterentwickelt von Thomas Renner (s.u.) ist eine Grundlage, um methodisch angeleitet eine Diagnose für einen Konflikt zu stellen. Das Konzept basiert darauf,

  • Fragen zum Streitgegenstand (ES)
  • Fragen zu den Hintergründen des Einzelnen (ICH)
  • Fragen zu den Beziehungen der Kontrahenten (WIR) und
  • Fragen zum Umfeld (GLOBE)

zu stellen.

Interventionsmöglichkeiten werden dann aus der Beantwortung der Fragen entwickelt.

Zielgruppe

Die TZI-Diagnose kann in der Arbeit mit Lerngruppen unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen angewandt werden. Für den Kursleitenden empfiehlt es sich, abhängig von der Gruppensituation zu entscheiden, ob er das Instrument für sich selbst als Stütze, zusammen mit der Gruppe, mit einzelnen Gruppenmitgliedern oder in einer kollegialen Beratung nutzen möchte.

Umsetzung

Schritt 1: Zu Beginn entscheidet die Kursleitung, in welchem Rahmen und mit welchen Personen er/sie die diagnostischen Fragen beantworten möchte.

Schritt 2: Nach dem Vierfaktorenmodell von Ruth Cohn und abhängig von den inneren und äußeren Umständen werden die folgenden Fragen formuliert:

Es - Zum Streitgegenstand und zur Vorgeschichte:

  • „Wie zeigt sich der Konflikt?“ (z.B.: Der Kursteilnehmer weigert sich Arbeitsaufträge umzusetzen.)
  • „Was wurde bisher dagegen unternommen?“ (z.B.: Dem Kursteilnehmer wurde individuelle Hilfe angeboten.)

Wir – Beziehung der Konfliktgegner:

  • „Wer ist an dem Konflikt beteiligt?“ (z.B.: Mehrere Personen, die offen oder verdeckt der Kritik zustimmen.)
  • „Wie stehen die beteiligten Personen zueinander? Welche Rolle nimmt jeder ein?“ (z.B.: Kollege oder Kollegin im Team-Teaching ist beliebter und wird viel gelobt.)

Ich – Hintergründe des Einzelnen:

  • „Welche Erwartungen haben die Beteiligten?“ (z.B.: Die Kursleitung ist alleine für den Lernerfolg verantwortlich.)
  • „Wie sind die Lebensumstände?“ (z.B.: Kursteilnehmende oder Kursleitende sind überlastet durch viel Arbeit, eigene oder familiäre gesundheitliche Beeinträchtigungen.)

Umfeld der Konfliktgegner:

  • „Unter welchen Rahmenbedingungen findet die Lern-/Lehrsituation statt?“ (z.B.: Raumverhältnisse und Materialausstattung behindern das Lernen.)
  • „Welche Umstände könnten ein Auslöser sein?“ (z.B.: In der Gruppe ist Unruhe durch häufigen Wechsel der Kursleitung.)

Schritt 3: Bei der Beantwortung können sich aus Teilnehmenden- und Kursleitungssicht unterschiedliche Ursachen offenbaren, die jedoch gleichwertig zu sehen und zu bewerten sind. Es ist unbedingt empfehlenswert, verschiedene Standpunkte nebeneinander stehen zu lassen und jeden Standpunkt ernst zu nehmen. Aufgabe der Kursleitung ist es, die Ergebnisse wertfrei zusammenzufassen.

Schritt 4: Nun gilt es zu unterscheiden, was man ändern kann oder eben nicht. Bei Ängsten vor einer Prüfung verbunden mit dem Vorwurf, der Unterricht habe nicht genug gebracht,  kann  die Prüfung zwar nicht vermieden werden, aber der Aufbau und der Ablauf der Prüfung kann für die Teilnehmenden transparent gemacht werden. Auch kann gemeinsam identifiziert werden, was noch für die Vorbereitung auf die Prüfung getan werden muss und kann.

Oft haben Konfliktbeteiligte sowie Unbeteiligte vielfältige Lösungsideen. Empfehlenswert ist es, sich auf realistische Lösungswege zu einigen, sie schriftlich zu fixieren und sie in einem überschaubaren Zeitraum umzusetzen.

Schritt 5: Nach einer festgelegten Zeit, die Raum lässt für die vereinbarten Veränderungen, bietet sich eine gemeinsame Reflexion an, in der alle Beteiligten gleichberechtigt ein Feedback geben können. Idealerweise geht die Gruppe zusammen mit ihrer Kursleitung gestärkt aus dem Konflikt raus.

Voraussetzungen und Rahmenbedingungen

Die Schrittfolge der Konfliktbearbeitung benötigt Zeit, sowohl in der Gruppe (ca. 90 Minuten) als auch für die einzelne Person.Die Fragen sind auf die Konfliktsituation und die Gruppe im Vorhinein abzustimmen.Die Lerngruppe muss bei einer Beteiligung Interesse an einer Klärung des Konflikts haben, mit der Vorgehensweise einverstanden sein und ein hohes Reflexionsvermögen aufbringen.

Die „Hilfsregeln“ für die Kommunikation nach Ruth Cohn helfen bei der Klärung. Im Anschluss an die Konfliktdiagnose braucht man unbedingt Zeit für Interventionen, die ggf. nicht im Kursplan vorgesehen sind, damit Lösungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden können.

Pro & Contra

Für dieses Konzept zum Umgang mit Konflikten spricht: Als Kursleitung lernen Sie, mit welchen Fragen Sie dem Konflikt auf die Spur kommen können. Sie schulen Ihre Aufmerksamkeit, wie ein Konflikt – schon im Entstehen - aus verschiedenen Blickwinkeln schnell abgeklopft werden kann.

Im Gespräch mit den konfliktbeteiligten Lernenden braucht es Fingerspitzengefühl. Denn die Ursachenforschung kann sich leicht mit Schlichtungsversuchen vermischen. Auch als involvierte Konfliktpartnerin oder involvierter Konfliktpartner müssen Sie als Kursleitung Distanz bewahren.

In jedem Fall sollte die Kursleitung anstreben, bei einem (drohenden) Konflikt Kolleginnen und Kollegen um kollegiale Unterstützung zu bitten, z.B. in Form kollegialer Beratung.

CC BY-SA 3.0 BY Melanie Rudolph für wb-web


Quellen

Thomann, C.; Renner, C. (1995). Wege aus dem Konflikt. Leitende Prinzipien der Klärungshilfe an einem Fallbeispiel aus dem beruflichen Alltag. In: Redlich, A.: Materialien aus der Arbeitsgruppe Beratung und Training. Band 9. Hamburg .

Cohn, C. (2013). Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle. (17.Aufl.) Stuttgart: Klett-Cotta Verlag.


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