Handlungsanleitung
Der Gold-Standard für Präsentationsfolien als OER
Es ist gängige Praxis, Vortragsfolien weiterzugeben, zu remixen und sie neu zu veröffentlichen. Durch welche Maßnahmen es möglich ist, Präsentationsfolien unter dem bestmöglichen, dem Gold-Standard für OER, zu erstellen und zu veröffentlichen, das beschreiben Lambert Heller, Nele Hirsch und Jöran Muuß-Merholz.
Einleitung
Präsentationsfolien wie Powerpoint, Keynote & Co. sind vielleicht das unterschätzteste Medienformat, wenn es um Open Educational Resources (OER) geht. Hier liegt großes Potential für Offenheit und Nachnutzung. Denn bei Folien ist es gang und gäbe, sie ständig neu zusammenzustellen (also zu remixen) und sie an andere weiterzugeben oder zu veröffentlichen (also zu teilen). Durch freie Lizenzen können diese Praktiken deutlich erleichtert und verbreitert werden.
Gleichzeitig sind Folien ein Format, das sich für den Umgang mit freien Lizenzen relativ klar strukturieren lässt werden kann. Denn sie bestehen in der Regel aus unterschiedlichen Bausteinen, die miteinander kombiniert werden – und für die man sich aus unterschiedlichen Quellen bedienen kann. Damit hat man zwar bisweilen viele, aber in der Regel klar unterscheidbare Bausteine.
Das Format Präsentationsfolien als OER
Besonderheiten bei Folien
Eine wesentliche Eigenschaft von Foliensätzen ist die Modularität. Folien lassen sich auf drei Ebenen als Bausteine sehen, die sich miteinander kombinieren lassen:
- ein Foliensatz, also eine Präsentation, von denen man mehrere kombinieren kann, z.B. für eine Vorlesungsreihe
- einzelne Folien, die sich als Bausteine zu einem Foliensatz kombinieren lassen
- einzelne Elemente, die sich auf einer Folie kombinieren lassen, zum Beispiel Textblöcke, Grafiken, Fotos, Tabellen oder Videos
Das OER-typische Remixen liegt im Wesen der Arbeit mit Folien. Es ist üblich und ganz einfach, für einen neuen Foliensatz verschiedenen Folien zusammenzuziehen und für eine neue Folie verschiedene Elemente zusammenzusetzen. Diese hohe Kombinierbarkeit bedeutet umgekehrt auch eine hohe Trennbarkeit. Einzelne Folien oder einzelne Elemente lassen sich nach Belieben wieder entfernen oder ersetzen.
Dabei ist es gängige Praxis, dass man nicht nur auf Bausteine zugreift, die man selbst erstellt hat, sondern auch auf Inhalte Dritter. Beispielsweise übernimmt eine Dozentin die Folien einer Kollegin als Ausgangsmaterial und gestaltet daraus ihren eigenen Foliensatz. Oder sie nutzt zur Illustration ein Foto, das sie im Netz gefunden hat. Oder sie integriert eine Abbildung oder Tabelle aus einem Buch. Oder sie zeigt im Rahmen der Folien ein kurzes Video.
Will man allen urheberrechtlichen Vorgaben gerecht werden, sind solche Übernahmen und Veränderungen aufwändig, kompliziert, in einer Grauzone oder schlicht nicht gestattet. (Man kann vermuten, dass ein Großteil der Nutzung im Graubereich eher zur dunkelgrauen Seite tendiert.) Hier kommt die Stärke von OER zum Zuge – denn frei lizenzierte Inhalte sind ja genau dafür gemacht, dass man urheberrechtlich einfacher und sicherer arbeiten kann.
Das ideale OER für mein Format
Folien erstellen
Folien sollten wie alle OER mit Programmen und Diensten erstellt werden, deren Einsatz keine zusätzlichen Hürden darstellt. Üblicherweise werden dafür Freie Software und offene Dateiformate als Kriterien herangezogen.
Bei Folien zeigt sich eine Schwäche dieser Definitionen. Denn proprietäre Software (zum Beispiel PowerPoint) und semi-offene Dateiformate (zum Beispiel pptx-Dateien) sind hier so stark etabliert, dass alternative Software (z.B. LibreOffice oder SlideWiki) und offene Formate (z.B. odp-Dateien) für viele Nutzer*innen de facto eine höhere Hürde darstellen. Vor diesem Hintergrund gibt es bei der Erstellung nicht das eine, ideale Tool zur Erstellung von Folien.
Folien bereitstellen
Bei der Bereitstellung von Folien können zwei Ziele konkurrieren: Komfort in der Darstellung einerseits und die Möglichkeiten zur weiteren Bearbeitung andererseits. Das erste Ziel führt dazu, dass Folien gerne im pdf-Format oder in eingebetteten Viewern bereitgestellt werden – damit können Folien komfortabel betrachtet, aber nicht gut nachgenutzt werden.
Das Problem lässt sich einfach lösen: Man kann Folien in mindestens zwei Fassungen bereitstellen – zum einen optimiert für die Darstellung (z.B. als pdf), zum anderen bereit zu weiteren Bearbeitung (z.B. als pptx).
Folien barrierefrei gestalten
Um eine inklusive Nutzung, beispielsweise für Menschen mit einer Sehbehinderung zu ermöglich, sollten Folien nach den Grundsätzen der Barrierefreiheit gestaltet werden. Dazu gehören beispielsweise die Entscheidung für eine große, kontrastreiche Schrift, keine animierten Übergänge, keine Bedeutung durch Farbgebung, das Festlegen einer Lesereihenfolge und das konsequente Verwenden von Beschriftungen bzw. Alternativtexten für Bilder, Grafiken und Diagramme. Wenn Folien weitere Medienarten enthalten, sind auch deren spezifische Eigenschaften betroffen, man denke zum Beispiel an Videos mit alternativen Audiospuren.
Für die praktische Umsetzung empfiehlt sich eine Webrecherche, bei der man die Suchbegriffe „barrierefrei gestalten“ mit dem Namen der verwendeten Software kombiniert, also zum Beispiel „Powerpoint barrierefrei gestalten“ oder „Google Slides barrierefrei gestalten“.
Folien offen und maschinenlesbar lizenzieren
Für die Auswahl der Lizenz empfiehlt sich bei Folien noch mehr als ohnehin schon eine Lizenz mit möglichst wenigen Auflagen, also CC BY oder CC0. Bereits die beliebte Lizenz CC BY-SA kann für Unklarheiten und Schwierigkeiten in der Nachnutzung sorgen, beispielsweise wenn man ein Foto als Hintergrundgrafik nutzt und entsprechend eine Vermischung von Lizenzen erfolgen kann.
Um Maschinenlesbarkeit der Lizenz zu gewährleisten, ist die Art und Weise der Veröffentlichung wichtig, auf die weiter unten eingegangen wird.
Die No-Go’s bei meinem Format
Die besten Möglichkeiten, um die Nutzung von OER als Folien zu erschweren, sind:
- Man veröffentlicht die Folien nur (!) im PDF-Format.
- Es gibt zwar Lizenzhinweise, aber diese sind nicht eindeutig konkreten Inhalten zuzuordnen. Beispielsweise wird auf der ersten oder letzten Folie einfach eine Lizenz genannt, aber es ist nicht klar, worauf genau diese sich bezieht.
- Man nutzt eine Lizenz, deren Auflagen die Bearbeitung unmöglich machen (z.B. CC BY-ND) oder hohe Hürden setzen (z.B. CC BY-SA).
Lizenzierung
Für die Lizenzierung von Folien kann unterschieden werden in drei verschiedene Fälle:
- A. einzelne Elemente wie Texte, Abbildungen, Videos etc.
- B. der Foliensatz als Gesamtwerk
- C. Zitate
zu A.) Für jedes einzelne Element sollte ein Lizenzhinweis vorhanden sein. Das kann zum Beispiel in einem schmalen Streifen am unteren Rand der Folien geschehen. Eine gesammelte Darstellung auf einer gesonderten Folien z.B. am Ende des Foliensatzes ist möglich, aber nicht empfehlenswert, da so beim Neuzusammenstellen von Folien und Elemente Lizenzhinweise leicht „verloren gehen“. Für die Formulierung empfiehlt sich eine Orientierung an der TULLU-Regel.
zu B.) Auch wenn eine Foliensatz sich aus den einzelnen Elementen zusammensetzt, so ist er doch mehr als die Summe seiner Teile und somit eine eigenständige schöpferische Leistung. Deswegen muss auch für das Gesamtwerk eine Lizenz vergeben werden. Häufig fallen die Zusammenstellung von Inhalten und die Texte auf den Folien zu einem Werk zusammen. Eine bewährte Formulierung dafür lautet z.B.: „Der Foliensatz insgesamt und seine Texte stehen als Gesamtwerk unter der Lizenz … Einzelne Elemente wie Grafiken, Abbildungen etc. sind eigenständig lizenziert.“
Ein Graubereich besteht bei der Frage, ab wann das Layout eines Foliensatzes einen urheberrechtlich Schutz und damit eine eigenständige Lizenzierung erfordern kann. Wer ein Layout selbst erstellt, kann im Zweifelsfall mit einem entsprechenden Hinweis für Klarheit sorgen, z.B.: „Das Layout der Folien kann keinen urheberrechtlichen Schutz beanspruchen und ist für Zweifelsfälle im Sinne von CC0 freigegeben.“
Wenn zur Erstellung Offline-Anwendungen verwendet werden, können die fertigen Folien wie andere OER auch z.B. auf der eigenen Website oder in einem Repository veröffentlicht werden. Für Maschinenlesbarkeit sollte die Gesamtlizenz des Foliensatzes dann zusätzlich auf der jeweiligen Website angegeben und hierfür mit dem Creative Commons Licence Chooser erstellt werden.
Kollaboration bei Folien
Neben der vorgestellten Plattform SlideWiki gibt es für die verbreiteten Office-Pakete (Microsoft 365 mit PowerPoint, Google Docs mit Slides, Apples Keynote) jeweils Cloud-Dienste, die kollaboratives Erstellen und Bearbeiten von Foliensätzen ermöglichen.
Danksagung
Einige Benutzer*innen von Twitter haben unverzichtbare Anregungen für diesen Artikel gegeben. (Vgl. die Antworten auf diesen Tweet: https://twitter.com/Lambo/status/1248978987310874633)
Einige Gedanken, die im Artikel aufgegriffen werden, wurden kollaborativ in einem Workshop beim OERcamp 2017 entwickelt. Diese sind – natürlich – in einem offenen Foliensatz nachzulesen: https://www.joeran.de/powerpoint-fuer-oer/
Dieser Text steht unter der CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden: Lambert Heller, Jöran Muuß-Merholz und Nele Hirsch für OERinfo – Informationsstelle OER.