Lars Kilian
Blog
Alphabetisierung und Grundbildung hält Einzug in den EULE Lernbereich
Das vom BMBFSFJ geförderte „Kompetenzzentrum GrundbildungsPFADE“ entwickelt Angebote zur Professionalisierung, die sich an Akteur*innen aus dem Feld der Alphabetisierung und Grundbildung richten. Die Formate setzen sich aus individuellen Selbstlernmöglichkeiten sowie digitalen Präsenzveranstaltungen zur Reflexion zusammen. Damit hat die Alphabetisierung und Grundbildung auch Einzug in den EULE Lernbereich erhalten.
Die im September gestarteten Fortbildungen setzen sich aus drei Schwerpunkten zusammen: Grundlagen, Grundbildungsberatung und Netzwerkkoordination. Sie richten sich im ersten Durchlauf an Mitarbeitende aus den zehn regionalen Projekten der Förderrichtlinie „Grundbildungspfade“ sowie deren Netzwerkpartner. Im zweiten und dritten Durchlauf werden die Angebote in einem formativen Prozess weiter optimiert und für einen größeren Adressat*innenkreis geöffnet. Die Professionalisierungen werden vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V. (BVAG) und Lernende Region – Netzwerk Köln e.V. (LRNK) entwickelt und durchgeführt sowie vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE) evaluiert.
wb web hat Nicole Pöppel, Projektleiterin beim Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung e.V., interviewt.
wb-web: In den Selbstlernangeboten von GrundbildungsPFADE geht es um Grundbildungsberatung und Netzwerkkoordination. Warum diese Schwerpunkte und welchen Stellenwert haben sie für das Projekt?
Nicole Pöppel: Die beiden Profile „Grundbildungsberatung“ und „Netzwerkkoordination“ orientieren sich an Anforderungen, die im Rahmen der zehn regionalen Grundbildungspfadprojekte bestehen. Wir sind damit der Ausschreibung des BMBF(SFJ) gefolgt, die im Rahmen der neuen Förderrichtlinie „Grundbildungspfade“ erfolgt ist. Die regionalen Grundbildungspfadprojekte sollen in ihrer Region tragfähige Strukturen und Netzwerke für je spezifische, aber unterschiedliche Zielgruppen mit Grundbildungsbedarf entwickeln. Unsere Aufgabe (von LRNK und BVAG) ist es, die regionalen Projekte, als fachlichen Service mit passenden Professionalisierungsangeboten zu unterstützen. Die beiden Curricula bieten ein neues Qualifizierungsangebot, das den Teilnehmenden beim Aufbau oder Ausbau von Kompetenzen hilft, die für die jeweilige Funktion notwendig sind. Nehmen wir ein Beispiel: Der Aufbau von verlässlichen Grundbildungspfaden lebt davon, dass die Ansprache, der Verweis und die Begleitung von Menschen mit Grundbildungsbedarf funktioniert. Sowohl die Angebotsträger als auch die Multiplikator*innen müssen vernetzt sein und tragfähige Kooperationen gestalten, damit erfolgreichere Lernpfade von den Betroffenen beschritten werden können. Die Schulung für die beiden Profile ist also anforderungsbasiert. Sie ist aber auch zukunftsorientiert. Zwar gibt es das Jobprofil der Grundbildungsberatung noch nicht, aber es ist eine Rolle, die mit steigender Aufmerksamkeit für die Grundbildung kompetent ausgefüllt werden muss. Grundbildungsberatung und Netzwerkkoordination sind zwei Tätigkeitsprofile, die neben dem Unterrichten innerhalb einer nachhaltigen professionellen Struktur die Grundbildungsarbeit stärken.
Welche Kompetenzen sind für die Grundbildungsberatung und Netzwerkkoordination notwendig?
Professionell handelnde Akteur:innen
- kennen und berücksichtigen die Lebenslagen ihrer Zielgruppen
- beraten und binden vorhandene Unterstützungsstrukturen als Ressourcen ein
- bringen für die Weiterentwicklung der regionalen Grundbildungslandschaft die richtigen Partner:innen an einen Tisch
- schaffen Allianzen und Verbindlichkeiten
(Quelle: Kompetenzprofil erstellt vom Kompetenzzentrum GrundbildungsPFADE)
Interviewpartnerin Nicole Pöppel
wb-web: Der BVAG ist maßgeblich an der Entwicklung und Umsetzung der Professionalisierungsangebote beteiligt. Was ist sein spezifischer Beitrag zu diesen?
Nicole Pöppel: Wir sind für das Curriculum der Grundbildungsberatung zuständig. Wir erstellen die fachlichen Inhalte und setzen sie medial und didaktisch um. Außerdem führen wir die begleitenden Reflexionsveranstaltungen zu diesem Profil durch und überarbeiten das Curriculum nach der Evaluation des DIE und den Rückmeldungen der Teilnehmenden aus den jeweiligen Durchgängen. Grundsätzlich ist die Arbeit am Professionalisierungsangebot eine übergreifende Teamarbeit mit der LRNK, die das Profil Netzwerkkoordination erstellt. Die Inhalte der „Grundlagen“, die wir beiden Profilen vorgeschaltet haben, haben wir gemeinsam und aufgabenteilig erarbeitet. Auch die begleitenden Reflexionsveranstaltungen gestalten wir zusammen und führen sie als Team durch, ebenso die Schnittstelle zum EULE Lernbereich im wb-web. Diese Kooperation ist fachlich gewinnbringend, weil wir vom gegenseitigen Feedback profitieren und sie hilft dabei, dass sich Inhalte nicht doppeln.
wb-web: Wie sind Sie bei der Planung, Entwicklung und Umsetzung der Professionalisierungsangebote vorgegangen?
Nicole Pöppel: Wir sind mit Ideen inhaltlicher und gestalterischer Art gestartet und mit den Partnern der LRNK ins Gespräch gegangen. Eingangs war noch recht offen, wie dieses Lernangebot am Ende aussehen würde. Klar war, dass wir in insgesamt drei Durchläufen (jährlich zwischen 2025 und 2027) für die beiden genannten Profile fortbilden würden. Ebenso sollte das Angebot vom DIE evaluiert werden, um es weiterzuentwickeln. Außerdem war klar, dass wir den Lernbereich EULE im wb-web im Rahmen von Blended Learning-Elementen nutzen möchten. Und es gab ein paar Grundideen im Team, KI für die Aufbereitung der fachlichen Inhalte zu nutzen.
Aufgrund der Tatsache, dass die (potenziellen) Teilnehmenden aus ganz Deutschland kommen, erwuchs die Idee, von Beginn an ein komplettes E-Learning-Programm auszugestalten, das in der EULE nachhaltig verankert ist. Es erschien uns dabei unabdingbar, diese Selbstlernphasen durch einen Austausch zu rahmen. Daraus sind die begleitenden Reflexionsveranstaltungen hervorgegangen, bei denen die Teilnehmenden in Austausch miteinander kommen können und wir zusätzliche Eindrücke und Rückmeldungen zum Lernangebot erhalten.
Insgesamt ist der Prozess sehr kooperativ und agil gestaltet worden. Planung und Entwicklung waren durch Trial and Error und durch zahlreiche interne Feedbackschleifen geprägt. Der Weg zum Produkt besteht aus zahlreichen kleinen Prozessschritten: diese führen u. a. vom inhaltlichen und didaktischen Konzept über die graphisch-visuelle Aufbereitung durch KI-generiertes Bilddesign, die KI-Generierung der Audios, die Einbettung der Videos und Gestaltung von Aufgaben in H5P sowie die Einbindung und Komplettierung der Lernpfade und Lernschritte inkl. inhaltlicher Zusammenfassungen der Lernschritte in EULE sowie der Einbettung der Evaluation. Den gesamten Ablauf müssen Sie sich jeweils mit internen und teamübergreifenden Feedbackschleifen, Korrekturen und Probedurchläufen mit anschließenden Überarbeitungen vorstellen.
Übersicht über die im Verbundvorhaben beteiligten Akteure, von Johannes Bonnes (2025), CC BY-SA 3.0 DE
wb-web: Die Lerninhalte werden mittels KI generierter Videos präsentiert, die entlang von Lernpfaden bearbeitet werden. Warum haben Sie sich für dieses Design entschieden?
Nicole Pöppel: Zur Frage nach der KI: Zunächst war es für uns als Autor*innen des Fortbildungsangebotes interessant, die Möglichkeiten von KI zu nutzen. Hierzu gab es bereits Ideen im Team, wie man dies machen und welchen Mehrwert es bieten könnte. Da das Selbstlernprogramm einen gewissen Umfang hat, sind die Möglichkeiten von KI-Software wie HeyGen oder ChatGPT ein enormer Gewinn, weil sie Zeit und Ressourcen sparen.
Zu den Lernpfaden: Dass wir die Lerninhalte in Lernpfaden gestaltet haben, ist innerhalb des EULE Lernbereichs im wb-web als Grundstruktur angelehnt. Die Infrastruktur dort ermöglicht, einzelne Lernpfade zu erwachsenenbildnerischen Inhalten ganz eigenständig zu bearbeiten. Wir haben ein Lernprogramm erarbeitet, das ebenfalls in Lernpfade und darunter liegende Lernschritte aufgebaut ist. Der Unterschied unseres Programms zu den bisherigen Angeboten in der EULE ist, dass wir ein vollständiges Curriculum anbieten. Die Teilnehmenden sollen das Lernangebot im jeweiligen Profil vollständig und auch linear (aufbauend) in der vorgesehenen Reihenfolge absolvieren. Außerdem ist die Teilnahme am Angebot zunächst geschlossen für die Mitarbeitenden der regionalen Grundbildungspfadprojekte und deren Netzwerke. Wir haben also die Möglichkeiten der EULE genutzt und diese mit Unterstützung des DIE gleichzeitig an vollständige Fortbildungen angepasst.
wb-web: Welchen Herausforderungen sind Sie bei der Umsetzung begegnet?
Nicole Pöppel: Die erste Herausforderung betrifft den Einsatz von KI-Software. Wer damit arbeitet kennt die Grenzen der KI und ihre Unzulänglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist die Implementierung von Schrift in KI-generierte Graphiken, die noch nicht gut fehlerfrei funktioniert. Anfangs haben wir ausprobiert, wie wir KI-Avatare für die Präsentation fachlicher Inhalte nutzen können. Wir haben diese aber letztlich zugunsten von reinen Audios verworfen. Auch die Aussprache bei KI-generierten Videos ist teilweise nicht so wie erwünscht. Oft sind die KI-generierten Inhalte in gewisser Weise unperfekt und man macht kleine Kompromisse.
Eine weitere Herausforderung oder eher Anforderung war, dass für das komplexe Fortbildungskonzept viele verschiedene Kompetenzen vonnöten sind. Ein umfassendes digitales Selbstlernprogramm bedarf viel mehr unterschiedlicher Kompetenzen, als wenn ein Dozent oder eine Dozentin eine präsentische Fortbildung hält. Diese Aufgabe konnten wir nur im Team lösen, in dem Fachwissen, technische Kompetenzen, Experimentierfreude, Ideenreichtum, Kommunikations-, Didaktik- und Gestaltungskompetenzen sowie Zielgruppenkenntnis ineinandergreifen.
Eine konzeptionelle Herausforderung war, dass wir mit der Grundbildungsberatung ein Curriculum für ein Profil entwickeln, das es in dem Sinne nicht als eindeutige Rolle gibt. In der Grundbildung beraten Lehrkräfte, Fachbereichsleitungen, koordinierende Personen, ehrenamtliche Lernbegleitungen und zur Grundbildung beraten teils auch Personen aus dem Sozialraum, der Arbeitsmarktförderung oder betriebliche Mentor*innen. Das bedeutet, dass eine Zuspitzung der Lerninhalte anspruchsvoll ist und es nicht möglich ist, alles gleichzeitig abzudecken.
wb-web: Ziel ist es, die Lernangebote auch im Sinne des Instructional Designs schrittweise zu optimieren und für ein breiteres Publikum zu öffnen. Wie gehen Sie dabei vor?
Nicole Pöppel: Fest steht, dass wir 2026 und 2027 zwei weitere Durchgänge mit optimierten Angeboten machen werden. Die Angebote werden zur Verbesserung bei jedem Durchgang vom DIE evaluiert. Auch in den begleitenden Auftakt- und Reflexionsveranstaltungen erhalten wir im fachlichen Dialog mit den Fortbildungsteilnehmenden zusätzliche Rückmeldungen. Der Adressat:innenkreis des Professionalisierungsangebots soll über die regionalen Grundbildungsprojekte hinaus im zweiten Durchgang geöffnet werden.
wb-web: Am 07.10.25 fand die erste digitale Präsenzveranstaltung zur Reflexion der Selbstlernpfade „Grundlagen“ statt. Wie kommt das Angebot bei den Teilnehmenden an?
Nicole Pöppel: Wir haben im Großen und Ganzen sehr positive Resonanz bekommen. Die Veranstaltung hat ermöglicht, dass Teilnehmende ins fachliche Gespräch kommen und offene Fragen klären konnten. Besonders wichtig fand ich, dass die Relevanz der Inhalte als hoch eingeschätzt wurde. Wir sind eingangs davon ausgegangen, dass gerade im ersten Durchgang vorwiegend Teilnehmende dabei sind, die bereits sehr viel wissen. Was wir gesehen haben, ist, dass die Kenntnisstände breiter gestreut waren, als wir dachten und dass alle etwas Neues oder Relevantes mitnehmen konnten. Verbesserungsbedarf gab es beim Zeitrahmen der Selbstlernphase. Dieser war zwischen der Auftaktveranstaltung und der Reflexion der Inhalte zu knapp bemessen. Daher haben wir die Termine der Reflexionsveranstaltungen verschoben. Es gab auch ein paar Unsicherheiten in Bezug auf die Lernumgebung EULE, vor allem technische Rückfragen. Wir haben bereits jetzt gute Anhaltspunkte, um nachzubessern und sind stets ansprechbar, um unmittelbar Hilfestellungen zu geben.
Das Interview führte Christina Münder für wb-web mit Nicole Pöppel.
"Alphabetisierung und Grundbildung hält Einzug in den EULE Lernbereich" von Christina Münder für wb-web (2025), CC BY-SA 3.0 DE
Dossier Alphabetisierung und Grundbildung
In dem Dossier „Alphabetisierung und Grundbildung“ stellt wb-web Lehrenden Informationen zu Angeboten, Erfahrungsberichte und Materialien zur Verfügung. Neben Erfahrungsberichten finden Sie auf der Seite Linklisten zu umfangreichen Unterrichtsmaterialien, Buchvorstellungen und Handlungsanleitungen. Zusätzlich stellen wir verschiedene Portale und Apps für die Alphabetisierungsarbeit vor.