Handlungsanleitung

Der Gold-Standard für Videos als OER

Videos sind ein weit verbreitetes Format, das man sehr gut auch als OER veröffentlichen und bereitstellen kann. Voraussetzung dafür ist, dass sie unter einer freien Lizenz zur Verfügung gestellt werden und damit eine Nachnutzung und Weiterbearbeitung möglich ist. Wie Videos optimal als OER erstellt und geteilt werden können, beschreibt Blanche Fabri in ihrem Beitrag zum Gold-Standard für OER.

Das Bild zeigt eine Regieklappe und ein Paar Kopfhörer. Auf der Regieklappe steht der Schriftzug OER Gold-Standard.

Foto: Blanche Fabri, CC BY 4.0.

Im Bildungskontext ist das Format Video sehr beliebt, um Themen und Wissen zu vermitteln. Von einfachen Anleitungen via Screencast über Interviews bis hin zu Reportagen oder Erklärvideos ist alles denkbar.

Videos als OER bilden allerdings oft noch eine Randerscheinung. Manchmal werden sie unter einer CC-Lizenz veröffentlicht. Das ist gut. Warum das im Sinne eines   OER-Gold-Standards  noch nicht ausreicht und was man dafür tun muss, um Videos als perfekte OER zu erstellen und zu veröffentlichen, erklärt dieser Artikel.

Das Format als OER

Besonderheiten

Open Educational Resources (OER) sind jegliche Arten von Lehr-Lern-Materialien, die gemeinfrei oder mit einer freien Lizenz bereitgestellt werden. Das Wesen dieser offenen Materialien liegt darin, dass jedermann sie legal und kostenfrei  vervielfältigen,  verwenden,  verändern  und  verbreiten  kann“. Soweit die   Definition.

Bei Videos gibt es dabei besondere Herausforderungen. Die Punkte „Vervielfältigen“, „Verwenden“ und „Verbreiten“ bieten schon einige Fallstricke, noch schwieriger wird es beim Thema „Verändern“.
Warum ist das so? Dazu müssen wir uns etwas genauer anschauen, wie Videos produziert werden.
Ein Video besteht aus verschiedenen Elementen. Beispielsweise:

  • Videomaterial
  • Tonmaterial
  • Musik
  • Bilder und Grafiken
  • Texte und weitere Einblendungen
  • Übergänge und Effekte

Die Elemente werden auf unterschiedlichen Spuren parallel zueinander angeordnet, können dann bearbeitet und in einer sogenannten Projektdatei gespeichert werden. Abschließend exportiert man aus all den Spuren eine Video-Datei, die mit einem Videoplayer oder im Browser abspielbar ist. Für die Bearbeitung und den Export braucht es eine Videoschnittsoftware.

Das Bild zeigt einen Screenshot einer Videoschnittsoftware mit zwei Video- und Tonspuren.

Screenshot Videoschnittsoftware, nicht unter freier Lizenz

Nun muss man drei Dinge beachten:

1. Material und Lizenzauswahl:  Achtung bei der Auswahl des Materials, das man verwenden möchte, denn bei einem Video handelt es sich IMMER um eine Vermischung des Materials. Die unterschiedlichen Elemente können im Sinne einer Lizenz nicht einzeln für sich stehen.

Ein Beispiel:   Das Rohmaterial wurde von uns selbst produziert und mit einer CC-BY-Lizenz versehen. Nun haben wir aus einer Musikdatenbank eine gute Hintergrundmusik gefunden, der Clip steht unter „CC BY-SA“. Binden wir diese Musik in unserem Video ein, „infiziert“ die Lizenz unser ganzes Video. Das bedeutet, dass wir das gesamte Video unter „CC BY-SA“ stellen müssen, auch wenn unser Rohmaterial unter „CC BY“ steht. Genauso ist es mit Bildern und weiteren Clips, die wir einbinden möchten.

Anders als bei anderen Formaten, beispielsweise Artikeln, wo ein Text unter einer Lizenz und ein Bild unter einer anderen Lizenz veröffentlicht werden kann, funktioniert das bei einem Video so nicht. Hier wirkt sich ein – und sei es auch kleines – Element mit restriktiven Auflagen auf das komplette Video aus. 

2. Video-Format des fertigen Videos: Wenn man bei einem Video von Format spricht, ist meist der Container gemeint. Dieser Container findet sich auch in der Endung einer Datei wieder, im sogenannten Suffix. In diesem Container lagern dann alle Informationen zum Video (Videostream, Audiostream, Metadaten). Beim Export des Videos sollte man auf ein Video-Format zurückgreifen, das eine möglichst große Offenheit bietet. Der gängigste Container für Videos ist   MP4, weitere offene Formate sind   Ogg oder   WebM.

3. Bearbeitbarkeit des Videos:  Lädt man ein Video in eine Schnittsoftware, erhält man nur zwei Spuren: eine Video-Spur und eine Audio-Spur. Auf die verschiedenen Elemente wie beispielsweise Musik, weitere Töne und Bilder kann dann nicht mehr so einfach zugegriffen und diese können dann auch nicht bearbeitet werden. (Es ist wie bei einem Kuchen, der nicht einfach in seine Zutaten zerlegt werden kann.)
Wenn nun ein Video, mitsamt aller Spuren, also mit allen Elementen, bearbeiten werden soll, braucht es die Projektdatei, mit der das Video erstellt wurde und diese Datei muss auch geöffnet werden können. Das klingt trivial, ist es aber nicht. Denn die Projektdatei lässt sich in der Regel nur mit der Software öffnen, mit der sie erstellt wurde. Für eine größtmögliche Offenheit braucht es also zum einen überhaupt einmal die Bereitstellung dieser Projektdatei (und des dazugehörigen Materials, die Quelldaten) und zum anderen die Möglichkeit diese Datei auch öffnen und damit nutzen zu können. Projekte, die beispielsweise mit dem   MovieMaker  oder   iMovie   oder   Adobe Premiere  erstellt wurden, lassen sich dann auch nur mit diesen Programmen wieder zum Bearbeiten öffnen. Proprietäre Software sollte deshalb vermieden (weil sie eben nicht von jeder Person genutzt werden kann) und Open-Source-Software genutzt werden.

Das ideale OER für mein Format sieht so aus:

  • Sämtliches Material (selbst produziertes und Fremdmaterial) steht unter einer offenen Lizenz.
  • Für das Video wurde ein offenes Dateiformat gewählt.
  • Für die Postproduktion wurde ein Open-Source-Schnittprogramm benutzt und so eine Projektdatei erstellt, die für alle zugänglich ist.
  • Die Lizenz wurde nach der   TULLU-Regel    im Abspann des Videos eingebaut. Alle verwendeten Elemente wurden aufgeführt und Links wurden ausgeschrieben.
  • Das Video samt Quelldateien (Projektdatei und Material) steht zum Download bereit.
  • Das Video wurde barrierefrei produziert.

Die No-Go’s bei Video als OER

  • Die Lizenzierung von Fremdmaterial zu ignorieren.
  • Ein Video ganz ohne Lizenzangaben im Abspann zu veröffentlichen.
  • Quelldateien zum Video nicht bereitzustellen.

Lizenzierung

Auch in einem Video muss man einen Lizenzhinweis anbringen. Dies kann zum Ersten im Abspann des Videos geschehen. Wichtig ist, dass man dort alle verwendeten (und lizenzpflichtigen) Elemente aus dem Video einzeln aufführt. Als Eselsbrücke hilft die   TULLU-Regel. Da in einem Video Links nicht anklickbar sind, müssen die Links ausgeschrieben sein. Und so kann das aussehen:

Dieses Video steht unter der Lizenz CC BY 4.0
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Titel: Mustervideo für OER
Urheber: Paula OERe
Ursprung: www.oerinfo.de/musterrvideo/

Da eine Maschinenlesbarkeit der Lizenz (noch) nicht bei jedem Videoformat möglich ist, sollte man unbedingt in den Begleitprodukten (Artikel oder Beschreibungen) die Lizenz nochmals nennen und richtig ausschreiben. Das Wichtigste dabei ist die “rel”=”license”-Angabe, beispielsweise so:

<a rel="license" href="https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de">CC BY 4.0</a>

Weitere Informationen dazu finden sich auf   oerhoernchen.de.

Offene und empfehlenswerte Tools für mein Format

Produktion/Erstellung/Bearbeitung

Um ein Video zu erstellen braucht es eine Videoschnittsoftware. Dort kann man dann die verschiedene Elemente (Rohmaterial, Ton, Musik, Bilder etc.) zusammenfügen und bearbeiten. Seit einigen Jahren gibt es sehr gute Schnittprogramme im Open-Source-Bereich. Hier eine kleine Auswahl:

  • Olive    (Linux, MacOS, Windows)
  • NATRON  (Linux, MacOS, Windows)
  • Blender    (Linux, MacOS, Windows)

Vor der Finalisierung des Videos – möglichst schon zu Beginn eines Projektes – sollten folgende Dinge geklärt sein:

  • Unter welcher Lizenz soll das Video veröffentlicht werden?
  • In welcher Weise soll die Namensnennung erfolgen?
  • Wer ist berechtigt, die Lizenz zu erteilen?
  • Jenseits vom Thema OER, sollte geklärt sein, ob alle notwendigen Genehmigungen (beispielsweise Einverständniserklärungen der Protagonist*innen, Drehgenehmigungen) vorliegen.

Barrierefreie Videos

So geht es:

  • Untertitel sind nicht nur für gehörlose Menschen wichtig, sondern auch hilfreich für Nicht-Muttersprachler*innen und Menschen, die in Bus und Bahn unterwegs sind.
  • Audiodeskription: eine Audiodeskription erklärt in einem Video die Inhalte, die rein visuell wiedergegeben werden. Sie ist eine zusätzliche Tonspur zu einem Video. Als Light-Variante könnte man beispielsweise einfach den Vor- und Abspann vorlesen.
  • Gebärdensprache: Untertitel sind gut, eine Übersetzung in Gebärdensprache ist noch besser. Für Gehörlose ist dies die Muttersprache und lässt sich dadurch angenehmer verstehen. Außerdem folgt sie einer anderen Grammatik und Struktur als Untertitel.
  • Leichte Sprache: Videos sollte auch in leichte Sprache übersetzt werden. Dies kann entweder über Untertitel oder Audiokommentar erfolgen oder als zweite Variante eines Videos produziert werden.
  • Webplayer: damit auch alle Varianten eines Videos nutzbar sind, braucht es einen geeigneten Player bei dem man zwischen den Versionen wählen kann.

Nachdem das Video fertig geschnitten ist, muss man nun noch die notwendigen Angaben im Abspann aufführen (siehe auch Abschnitt   Lizenzierung). Anschließend exportiert man das Video in einem offenen Format (beispielsweise MP4, Ogg oder WebM).

Das Bild zeigt den Screenshot eines Abspanntextes unter CC-BY sa 4.0 Lizenz.

Veröffentlichung

Das fertige Video kann nun auf einer Videoplattform wie YouTube oder Vimeo oder auf dem eigenen Server hochgeladen werden. Falls eine Videoplattform für die Veröffentlichung genutzt wird, sollte das Video unbedingt gut beschrieben sein: 

  • Aussagekräftiger Titel
  • Kurze Inhaltsbeschreibung
  • Aussagekräftige Schlagworte
  • Nennung der Protagonist*innen
  • Ggf. Nennung genutzter Software
  • Nennung der Lizenz

Zusätzlich zur Videodatei sollten die Quelldateien bereitgestellt werden, nur dann kann das Video auch im Nachhinein verändert werden. Diese Daten kann man entweder auf der eigenen Website einstellen oder auf Plattformen wie beispielsweise   GitHub    hochladen. Den Link zu den Quelldateien stellt man dann mit in die Beschreibung des Videos.

Was gehört alles zu den Quelldaten?

  • Projektdatei der Schnittsoftware
  • Rohmaterial
  • Audiomaterial
  • Musikclips
  • Bilder und Grafiken
  • „Beipackzettel“ mit allen Angaben die im Abspann stehen und ggf. weiteren Hinweisen

Nachnutzung

Hat man nun das Video unter einer freien Lizenz in einem offenen Format und mit den Quelldateien bereitgestellt, ist der Gold-Standard erreicht.

Für eine optimale Nachnutzung sollte das Video inkl. Materialien zum Download bereitgestellt und der Embed-Code zum Einbinden auf Websites angeboten werden.  Hilfreich ist es auch, die Unterlagen der Videoproduktion bereit zu stellen. Hierbei bieten sich beispielsweise folgende Materialien an:

  • „Dispo“ (Drehplanung)
  • Drehbuch
  • Schnittlisten
  • Storyboard

(Damit wäre ein „Platin-Standard“ erreicht, der noch über den Gold-Standard hinaus reicht.)

Dieser Text steht unter der   CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden:  Blanche Fabri  für OERinfo – Informationsstelle OER.


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