Handlungsanleitung

Der Gold-Standard für Arbeitsblätter und interaktive Übungen als OER

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, um Arbeitsblätter und interaktive Übungen digital zu erstellen. Anhand von Glitch, H5P und tutory machen die Autor*innen deutlich, wie der bestmögliche Standard, der Gold-Standard für Arbeitsblätter und interaktive Übungen aussehen sollte.

Einleitung

Mit Arbeitsblättern können Lehrende Inhalte und Aufgaben zur Bearbeitung an Lernende weitergeben, um ihnen Lernen im eigenen Tempo und selbständiges Üben zu ermöglichen. Zusätzliche Möglichkeiten wie verschiedene Übungsvarianten oder automatisierte Rückmeldung erhalten Lehrende, wenn sie interaktive Übungen oder andere Anwendungen erstellen.
Beide Formen, Arbeitsblätter und interaktive Übungen, bringen Besonderheiten als und für OER mit sich, die andere Formate nicht in dieser Form aufweisen.

Arbeitsblätter und interaktive Übungen als OER

Besonderheiten

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, um Arbeitsblätter und interaktive Übungen digital zu erstellen. Lehrende können Arbeitsblätter prinzipiell mit gängiger Software zur Text- und Bildbearbeitung anfertigen. Einfacher wird es jedoch mit besonderer Software. Bei interaktiven Übungen ist man grundsätzlich auf spezielle Werkzeuge angewiesen. Vor diesem Hintergrund spielt die verwendete Software eine besondere Rolle. Ihre Bedeutung im Rahmen eines Gold-Standards wird in diesem Beitrag daher hervorgehoben.

Das ideale OER für Arbeitsblätter und interaktive Übungen

Fasst man Arbeitsblätter und interaktive Übungen als Bündel von Medienbausteinen wie Texten, Bildern, Tonaufnahmen  oder   Videos    auf, ergeben sich viele Kriterien für ideale OER schon aus deren Eigenschaften. Da beim Erstellen von Arbeitsblättern und dem Erstellen und Nutzen interaktiver Inhalte die verwendete Software eine große Rolle spielt, konzentriert sich der folgende Abschnitt auf deren wünschenswerte Merkmale.

In den Definitionen zu OER wird ausdrücklich gefordert, die Materialien sollten   kostenfrei zugänglich sein. Diese Forderung lässt sich direkt auf Werkzeuge übertragen, mit denen OER erstellt werden. Die Argumentation ist dieselbe wie bei den Materialien selbst: Wenn das Verwenden von Werkzeugen Geld kostet, grenzt dies finanzschwache Personen aus. Infolgedessen könnte deren Aufwand zum Erstellen von OER steigen. Die Forderung nach kostenfreiem Zugang zu OER bzw. Werkzeugen schließt dennoch nicht aus, dass die Erstellung mit Kosten verbunden ist. Um gleichzeitig kostenfreien Zugang und Finanzierbarkeit zu ermöglichen, gibt es zahlreiche Modelle, etwa:

Das Symbolbild zeigt das Piktogramm eines Arbeitsblattes mit der Silhouette einer Person davor.
  • Spenden/Patenschaften,
  • Freemium-Modelle mit kostenfreien Basisversionen und kostenpflichtigen Versionen mit mehr Möglichkeiten oder
  • gemischte Lizenzen, bei denen nur nicht-kommerzielle Nutzung kostenlos ist.

Neben der Kostenfreiheit gehört zu OER eine offene Lizenz, die das Anpassen und Weitergeben gestattet. Dasselbe sollte für den Quelltext der Werkzeuge gelten. Dritte können dann Fehler beheben, Funktionen erweitern etc. Da die Verfügbarkeit von Quelltext allein selten garantiert, dass ihn Programmierer*innen zügig verstehen, sind weitere Angebote erforderlich. Das können sein:

  • Online-Diskussionskanäle für die Kommunikation mit den Hauptentwickler*innen der Software,
  • Beschreibungen und Dokumentationen von Schnittstellen oder
  • Veranstaltungsformate wie z.B. Konferenzen für den Austausch untereinander.

An die offene Lizenzierung des Quelltextes schließt sich die Verwendung offener Standards an. Um Nutzung und Remix in anderen Programmen nicht zu erschweren, sollten Werkzeuge keine proprietären, patentierten oder undokumentierten Dateiformate ausgeben. Offene Standards ermöglichen zudem, Werkzeuge auf verschiedenen Betriebssystemen oder in verschiedenen Browsern verfügbar zu machen. Positive Beispiele sind z.B.   HTML5    und   JavaScript   (wie etwa auf   learningapps.org) statt   Adobe-Flash, wie bei älteren Produkten.

Das Bild zeigt einen Extrakasten, in dem steht: "Sind die zuvor genannten Kriterien erfüllt, ergibt sich fast automatisch, dass Nutzer*innen die Hoheit über die damit erstellten Inhalte haben. Sie können bspw. ohne Lock-in-Effekt frei über die Dateien verfügen.

Um die Medien im Netz auffindbar zu machen und die Verbreitung der Materialien zu vergrößern, sollten die Werkzeuge das Erstellen und Exportieren von Metadaten erlauben, die sich an den üblichen Standards der   Bildungsserver    (PDF) ausrichten. Dazu gehören zumindest: Titel, kurze Beschreibung, Lernressourcen-Typ, Schlagworte, Fach- und Sachgebiet, Bildungsbereich und Lizenz.

Um größtmögliche Freiheit zu gewährleisten, sollten Werkzeuge auf   eigener Infrastruktur  betrieben werden können. Das kann ein für sich stehender Rechner sein, aber auch ein eigener Webserver. Andernfalls besteht die Gefahr, ohne eigenes Verschulden den Zugriff auf die Werkzeuge und gegebenenfalls auf damit erstellte Inhalte zu verlieren. Positive Beispiele sind etwa   H5P   oder   LibreOffice  Online, die beide auf eigenen Servern installiert werden können.
Möchte man OER(-Werkzeuge) möglichst vielen Menschen zugänglich machen, sollte   Barrierefreiheit   nicht ausgeklammert werden. Zu den Dingen, die zu berücksichtigen sind, zählen etwa:

  • Inhalte lassen sich von blinden und sehbehinderten Menschen mit Vorlesewerkzeugen zur Texterkennung nutzen,
  • Knöpfe werden ausreichend groß dargestellt, so dass motorisch Beeinträchtigte sie anklicken können oder
  • Videos können mit Untertiteln ausgeliefert werden.

Zu einem Gold-Standard gehört ferner eine hohe Bedienfreundlichkeit der Software. Insbesondere muss das Werkzeug ohne weitergehende Technik-Kenntnisse (z. B. eigenen HTML-Code schreiben zu müssen) nutzbar sein. Eine Ausnahme hiervon sind Werkzeuge, die spezifisch für den Kontext der Programmierung oder den Erwerb von   Digital Literacies    gestaltet sind. Eine gewünschte Mitarbeit bei der Programmierung erfordert dann aber weitergehende Kenntnisse.

Die No-Go’s bei Arbeitsblättern und interaktiven Übungen

Werkzeuge zur Erstellung und Bearbeitung von Arbeitsblättern und interaktiven Übungen entsprechen nicht den Anforderungen an Offenheit im Sinne des Gold-Standards, wenn
keine Unterstützung für Urheberrechtsangaben im fertigen Material geboten wird
keine kostenfreie Erstellung und Nutzung möglich ist.

Lizenzierung

Bei Arbeitsblättern und interaktiven Aufgaben kann es vorkommen, dass verschiedene Inhalte aus mehreren Quellen kombiniert werden. Werkzeuge sollten daher eine entsprechende Unterstützung bei der Verwaltung von Lizenzangaben bieten. Das kann ermöglicht werden, indem Urheberrechtshinweise direkt an verwendete Einzelbestandteile angebracht werden und entsprechende Angaben für den gesamten Inhalt gemacht werden können. Ideal ist eine automatische Generierung von Lizenzhinweisen sowie Überprüfung der gewählten Lizenzkombinationen.

Offene und empfehlenswerte Werkzeuge für Arbeitsblätter und interaktive Übungen

Zur Erstellung von Arbeitsblättern ist   tutory    als kollaborativer Arbeitsblatteditor weit verbreitet. Bei den interaktiven Übungen ist   H5P  am bekanntesten als Open-Source-Software zum Erstellen von interaktiven Inhalten für das Web. Speziellere Herausforderungen können über die Plattform   Glitch gelöst werden. Sie lässt sich am besten als Coding- und Remix-Plattform charakterisieren. Diese drei Werkzeuge erfüllen die Kriterien des dargestellten Gold-Standards am ehesten, wenngleich nicht vollständig und genügen ihm daher nicht. Da sie aber sehr praktikabel und „okay“ sind, stellen wir sie hier ausführlicher vor.

Produktion/Erstellung

Glitch:   Glitch    ist ein Code-Editor, mit dem man individuelle interaktive Übungen erstellen oder remixen kann. Interpretiert man eine Sammlung von mehreren interaktiven Übungen als Arbeitsblatt, sind auch diese damit erstellbar. Glitch ist geeignet, wenn man einen Blick auf den Code einer Anwendung ermöglichen und Hemmschwellen zum Schreiben von Code abbauen will. Alle Anwendungen können kopiert, weiter bearbeitet, angepasst und neu veröffentlicht werden. So sind auch ohne Programmierkenntnisse schnelle Erfolgserlebnisse beim Remixen von Spielen, Quiz-Formaten, Timern etc. möglich.

H5P:   H5P  bietet eine Reihe von Aufgabenformaten wie Quizzes, interaktive Videos oder Diktate, die kombiniert auch als Arbeitsblatt aufgefasst werden können. Je nach Aufgabentyp erfolgt das Erstellen von Übungen mit H5P über Formulare, die man Schritt für Schritt ausfüllt, oder über auf den speziellen Aufgabentyp zugeschnittene grafische Editoren. Das ist meist sehr einfach.

tutory: Das erste Erstellen eines Arbeitsblatts mit tutory    ist selbsterklärend und benötigt für Alltägliches keine längere Einarbeitung. Die einzelnen Teile eines Arbeitsblatts, wie z. B. Überschrift, Tabelle oder QR-Code, können aus einem Baukasten direkt auf das Blatt gezogen werden. Schnell lässt sich so ein übersichtliches Arbeitsblatt erstellen.

Bearbeitung

Glitch: Erstellte Anwendungen auf Glitch lassen sich entweder direkt auf der Plattform veröffentlichen oder exportieren und dann lokal auf dem Rechner weiter bearbeiten. Der Bearbeitungsmodus auf der Plattform ermöglicht kollaboratives Arbeiten.

H5P: Einmal erstellte Inhalte können stets weiter bearbeitet werden. Das betrifft sowohl eigene wie fremde Inhalte. Dank des Rückgriffs auf offene Formate kann man die Inhalte zur Not sogar mit einem Texteditor verändern.

tutory: Arbeitsblätter und Teile davon können jederzeit weiter bearbeitet werden, allerdings nur online in tutory selbst. Man kann sein Arbeitsblatt für sich selbst als PDF-Datei herunterladen. Privat abspeichern kann man in der kostenlosen Version maximal sechs Arbeitsblätter. Weitere müssen öffentlich als OER geteilt werden.

Veröffentlichung

Glitch: Die Veröffentlichung und Nutzung von Glitch-Anwendungen ist für den Online-Kontext gedacht. Die Anwendungen können auch in andere Coding-Plattformen wie Github  exportiert bzw. heruntergeladen und z. B. auf der eigenen Website veröffentlicht werden.

H5P: H5P ist für den Einsatz im Web konzipiert. Aufgaben werden sowohl auf einer Website erstellt wie auch durch Lernende verwendet. Das erfordert eine Internetverbindung. Das Erstellen und Nutzen von H5P ohne eine Internetverbindung wird nur durch die zusätzliche, ebenfalls kostenlose Software LUMI ermöglicht.

tutory: Arbeitsblätter werden können auf der Plattform unbegrenzt veröffentlicht und geteilt werden. Erstellte Dokumente können in Wikis,   Moodle-Plattformen und   WordPress-Blogs [Link zu Beitrag Blogs] eingebunden werden. Allerdings lassen sich die Arbeitsblätter auch als PDF-Dateien speichern und offline nutzen.

Nachnutzung

Glitch: Glitch-Anwendungen können standardmäßig remixt und weiterbearbeitet werden. Zudem wird eine Funktion zum Einbetten von Inhalten angeboten.

H5P: H5P-(Teil-)Inhalte können innerhalb des Editors kopiert und an anderer Stelle eingefügt werden. Fertige Inhalte können heruntergeladen und auf anderen Systemen weiterverwendet werden. Auch ist es möglich, die Aufgaben von einer Website per iframe  in eine andere einzubetten. Das Ausdrucken von Inhalten ist nicht möglich und ergibt vielfach auch keinen Sinn.

tutory: Jeder Baustein kann innerhalb des Editors kopiert und an anderer Stelle eingefügt werden. Ebenfalls kann man nach einzelnen Bausteinen eigener oder fremder Arbeitsblätter suchen. Fertige Arbeitsblätter und Lösungsblätter können als PDF-Dateien heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Kollaboration bei Arbeitsblättern und interaktiven Übungen

Kollaboration beim Erstellen von Arbeitsblättern und interaktiven Übungen kann sowohl synchron als auch asynchron stattfinden. In der synchronen Form werden Inhalte zeitgleich erstellt und dann veröffentlicht. In der asynchronen Form wird auf die erstellten Inhalte von anderen aufgebaut und diese für den eigenen Lehrkontext angepasst. Der Fokus von H5P und tutory liegt auf der asynchronen Kollaboration. Bei Glitch kann auch synchron zusammen gearbeitet werden.

Eine kollaborative Nutzung durch Lernende ist oft nicht vorgesehen, da die Formate vorrangig zum Üben und Selbstlernen konzipiert sind. Für H5P ist jedoch eine Erweiterung in Entwicklung, mit der kollaborativ zu bewältigende Aufgaben möglich werden. Bei Glitch ist Kollaboration bei der Nutzung abhängig von der jeweils erstellten Web-Anwendung.

Dieser Text steht unter der   CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden:   Oliver Tacke, Susanne Friz, Nele Hirsch, Christina König  und   Thomas Hoyer  für OERinfo – Informationsstelle OER.


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