Nachhaltigkeit kann nur mit einer dauerhaften Förderung entstehen. Die Dokumentation zur Fachtagung „Vernetzung innerhalb regionaler Bildungslandschaften – Ein Erfolgskonzept für die Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit?!“, die im Mai stattfand, steht heute online zur Verfügung. Im begleitenden Podcast spricht Michael Stein mit Prof. Dr. Ulrich Klemm, der Studien zur Vernetzung der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit durchführte. Er identifiziert und benennt Probleme, entwickelte Perspektiven und fordert eine Neuordnung der Bildungsstrukturen.
Klemm stellt vier Herausforderungen für eine gelingende Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit als von der Politik und dem Bildungssystem zu lösende Ausgaben in den Raum:
- Bildung von Grundbildungszentren
- Vernetzung länderübergreifend
- Grundbildungsarbeit als Querschnittsaufgabe
- Grundbildung als Daueraufgabe
Die LEO-Studie berichtet von sechs bis sieben Millionen geringliteralisierten Menschen im Bundesgebiet. Betrachtet man jedoch verschiedene Studien, die unterschiedliche Teilnehmendengruppen adressieren, steigt die Anzahl derer, die nicht über ausreichende Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten verfügen, auf ein Drittel der Bevölkerung, so Klemm. Für diese benötigt man eine Angebotsstruktur, die dauerhaft zur Verfügung steht, die bundesweit vernetzt sind, deren Mitarbeitenden fest angestellt sind und denen Fortbildungsmöglichkeiten geboten werden. Die Erwachsenenbildung erreicht nur einen Bruchteil der Betroffenen, etwa fünf Prozent.
Ein Problem ist, dass die geringe Literalisierung individualisiert und pädagogisiert wird. Aus Klemms Sicht sei dies ein Strukturproblem, weil schon das Schulsystem die Menschen kategorisiert. Betrachtet man Skandinavien, wo das Schulsystem vor Jahren umgestellt wurde, stellt er die Frage, ob das hiesige Bildungssystem noch zeitgemäß ist. Alphabetisierung und Grundbildung sei eine Querschnittsaufgabe, so Klemms Forderung. Grundbildung muss in den Köpfen der Pädagogen eine Rolle spielen.
Die Studie von Klemm bietet eine Bestandsaufnahme, welche Grundbildungszentren und Netzwerken auf Landesebene erfasst und analysiert. Es gibt keine übergreifende Vernetzung. Die Strukturen sind unterschiedlich. Im Aufbau sind diese in den neuen Bundesländern. In allen Bundesländern existieren Strukturen. Bundesländer wie NRW haben keine Grundbildungszentren, aber dafür die Volkshochschulen und erreichen damit eine hohe Teilnahme. Ein Grundbildungszentrum kann man als Knotenpunkt für Literalisierung verstehen mit vier Tätigkeitsbereichen: Bildung, Begegnung, Beratung und Bewusstsein. Ähnlich funktionieren Netzwerkstrukturen wie z.B. Grubi –Netzwerke in Rheinland-Pfalz. Die Angebotsstrukturen sind differenziert, ohne Standards und sehr regionalspezifisch ausgerichtet.
Klemm identifiziert die Öffentlichkeitsarbeit als eine Haupttätigkeit der Einrichtungen und Lehrenden. Hierbei steht die Sensibilisierung Betroffener, der Öffentlichkeit, Verwaltung und Behörden sowie in Unternehmen im Fokus, ebenso die Vernetzungsarbeit auf regionaler Ebene.
Nachhaltigkeit kann nur mit einer dauerhaften Förderung entstehen
Dem Aspekt der Nachhaltigkeit steht die Projektstruktur und –förderung entgegen. Hierzu zählt die Beschäftigung hauptberuflicher Lehrender mit einem angemessenen Gehalt in einem sozialversicherungspflichtigen dauerhaften Beschäftigungsverhältnis. Die Projektfinanzierung als zentrales Problem führt dazu, dass qualifiziertes Personal abwandert in Beschäftigungsverhältnisse mit sozialer Absicherung. So verschwinden projektgeförderte Angebote nach der Förderphase schnell wieder vom Markt und mit ihnen die aufgebauten Strukturen.
Die Dokumentation der Fachtagung und den Podcast stehen auf der Seite des Alphanetzes NRW zur Verfügung
- Hier gelangen Sie direkt zum Podcast.