Handlungsanleitung

Der Gold-Standard für Maker-Vorlagen als OER

„If it can be imagined it can be made“, so lässt sich die Haltung in der Maker-Szene beschreiben. Wer denkt dabei aber an OER? Dabei ist eine lebendige Maker-Community nur möglich, wenn Ideen und Vorlagen aktiv geteilt, remixed und re-used werden. Kai Obermüller und Kristin Narr zeigen, wie Maker-Vorlagen unter dem bestmöglichen Standard für OER veröffentlicht werden können.

Einleitung

Making ist das neue Basteln mit digitalen und analogen Technologien. Es gibt viele MakerSpaces oder FabLabs, Schulen und Einrichtungen nutzen Kooperationsprojekte oder machen eigene Werkstätten auf. Making lebt vom Austausch und der gegenseitigen Unterstützung, vom Weitergeben der Vorlagen und dem Prinzip, etwas (gemeinsam) selbst zu machen. Konsequenterweise existieren auch passende Formen des Austauschs und Dateiformate, mit denen (weiter-) gearbeitet werden kann.

Vorlagen verändern und anzupassen ist ein wichtiges Ziel bei deren Veröffentlichung. Das zeigt sich auch in der bereitwilligen Weitergabe der Vorlagen und Hilfestellungen in der Maker-Szene. MakerSpaces und FabLabs sind nicht nur Orte, an denen die Maschinen zur Umsetzung zu finden sind. Man trifft dort vor allem auf Menschen, mit denen man sich austauschen kann und die bei der Umsetzung unterstützen. Sich gegenseitig zu stärken und voneinander zu lernen geschieht im Machen während eines Making-Projekts. Der Austausch ist dabei nicht auf physische Orte wie MakerSpaces begrenzt. Auch auf Online-Plattformen entstehen Communities, die sich gegenseitig helfen, konkrete Projekte, Vorlagen, Muster oder Anleitungen austauschen. Das können große DIY-Communities wie das Ravelry    sein oder zum Beispiel 2020 die weltweite Bewegung “Maker vs. Virus“, über die u.a. Modellvorlagen für Faceshields (Visiere) während der Corona-Krise gemeinsam entwickelt, erstellt und organisiert worden sind.

Verglichen mit anderen Medienformaten (z.B. Videos, Texte oder Folien) ist Making ein spezielles Thema. Durch die Vielzahl an verfügbaren Materialien und Geräten, von 3D-Druckern über Stickmaschinen bis hin zu CNC-Fräsmaschinen, werden viele verschiedene Dateiformate benötigt. Dazu zählen vor allem zweidimensionale Vektorgrafiken und dreidimensionale Modelle, meist in Kombination mit der Information über das verwendete Material.
Am Beispiel eines Lasercutter-Projektes wird vorgestellt, wie wir dem Prinzip der Offenheit folgten und am Ende ein Ergebnis erzielten, welches im Sinne von OER veröffentlicht wurde.

Das Format als OER

Das Bild zeigt eine Bleistiftskizze des ersten Entwurfes zum OER-Award 2017.

Abb.1: 1. Skizze zum OER-Award 2017

Zum OER-Festival 2017 mit dazugehörigem   OER-Award  wurde ein Pokal für die Preisträger*innen gestaltet. Dabei war eine Veröffentlichung der Vorlage bereits mit angedacht. Der erste Entwurf wurde mit Bleistift und Papier gezeichnet (siehe Abbildung 1).

Zum Übertrag in ein maschinenlesbares digitales Format wurde die Open-Source-Software „Inkscape“ verwendet. Diese ist plattformunabhängig und kann zur Erstellung und Bearbeitung zweidimensionaler Vektorgrafiken verwendet werden. Der aus der Skizze übertragene Entwurf ist in Abbildung 2 zu sehen.

Um diesen Entwurf an den Lasercutter übergeben zu können, waren noch zwei Zwischenschritte nötig: Zum einen mussten die einzelnen Teile überschneidungsfrei in der Fläche platziert werden. Der offene Austausch über mögliche Strategien zur bestmöglichen Ausnutzung der Holzfläche ist ein gut dokumentiertes Beispiel    für den gemeinsamen Austausch und die gegenseitige Unterstützung bei Fragestellungen in Making-Projekten. Zum anderen musste die fertige Datei über eine   CAM-Software    (Computer Aided Manufacturing) mit Angaben zu Geschwindigkeit und Intensität des Laserschnitts ergänzt und auf die Maschine übertragen werden.

Das Bild zeigt die Verktorgrafik des OER-Awards 2017.

Abb. 2: Vektorgrafik des OER-Awards 2017

Schließlich wurde die Dokumentation, und damit das eigentliche OER, in Form eines   Forenbeitrags    geschrieben. Um diese optimal nachnutzen zu können, sind nicht nur die Entwurfsdateien unter einer freien Lizenz veröffentlicht worden, sondern auch eine genaue Beschreibung der Problemstellung und der daraus resultierenden Anforderungen.
Die Pokale wurden aus Pappel-Sperrholz mit 4mm Dicke geschnitten, mit handelsüblichem Spraylack lackiert und zusammengeschraubt. Es gab zwei verschiedene Größen: etwa A4-Größe für die Erstplatzierten und A5 für alle Nominierten. Doch neben der Variante der Nutzung als Awards gab es dank der Veröffentlichung unter einer Creative Commons Lizenz, die auch die Veränderung des Werkes ermöglicht, auch noch eine weitere andere Umsetzung des Projektes (siehe Abbildung 3).

Das Bild zeigt den OER-Award in Übergröße auf der Preisverleihung in Berlin 2017.

Abb. 3: OER-Award 2017 groß – Foto: Anja Lorenz,  CC BY 4.0.

Das Foto zeigt den Award in 3 Meter Größe. Die Preisverleihung fand in Berlin statt, ein lokaler Künstler entwickelte das vergrößerte Modell aus Kunststoff. Dank der Originaldatei als weiter nutzbare Vektorgrafik und der Veröffentlichung unter freier Lizenz war eine Verwendung der Vorlage zur Skalierung und eine Anpassung an die neuen technischen Gegebenheiten kein Problem.

Die jeweilige(n) Materialart(en)

Das Besondere beim Thema Making ist die unglaublich Vielschichtigkeit desselben. Es gibt so viele verschiedene Formen der Gestaltung und der digitalen Umsetzung, dass an dieser Stelle keine allgemeingültigen Aussagen gemacht werden können. Dennoch ist es sinnvoll, möglichst offene Tools dafür zu verwenden, um die Wiederverwendung und Überarbeitung der Modelle zu ermöglichen. Denn die Making-Community lebt den Gedanken des Reuse stark aus.

Das ideale OER für mein Format…

Gibt es so direkt also nicht. Dennoch lassen sich viele Projekte auf zwei Grundkonzepte reduzieren: 2D oder 3D. Ebenso gibt es durchaus Standards, die sich durchgesetzt haben. Eine genauere Erläuterung erfolgt im Abschnitt “Produktion und Erstellung”.

Die No-Gos bei meinem Format…

Wären vermutlich schlicht:

  • Veröffentlichung in einem unbrauchbaren Dateiformat.
  • Keine oder unzureichende Informationen über das verwendete Rohmaterial.
  • Keine oder unsaubere Lizenzierungshinweise.

Lizenzierung und Lizenzhinweise

Die Erzeugung der benötigten Computergrafiken kann mithilfe von Open Source Programmen erzeugt werden. Doch wohin mit diesen Dateien, und wie weist man dann mögliche Lizenzen aus?

Das Auszeichnen der Lizenz des Werkes innerhalb der Veröffentlichungsseite ist der übliche Weg – und es ist eher unüblich, die Lizenzhinweise direkt am Werk beziehungsweise Produkt anzubringen. Bei Produkten aus dem Lasercutter oder 3D-Drucker könnten die Angaben eingraviert werden, je nach Einsatz wäre auf einem Hinweis auf einer Beschilderung denkbar, wird aber meist nicht erwartet.
Dabei ist die Vorlage im Sinne des Urhebergesetzes auf jeden Fall ein Werk und damit geschützt.

Offene und empfehlenswerte Tools

Produktion, Erstellung & Bearbeitung

Wie bereits erwähnt, kann man Making-Projekte gut in zwei verschiedene Formate aufteilen: 2D und 3D. Da beispielsweise beim Lasercutten nur auf der Fläche und damit zweidimensional gearbeitet werden kann, wurden im konkreten Fall   SVG-Dateien („Scalable Vector Graphics”) erzeugt. Das SVG-Format ist ein standardisiertes, quelloffenes Dateiformat und kann von den meisten Grafikprogrammen eingelesen werden. Es ist also zur Verwendung in 2D-Projekten, beispielsweise also für Lasercutter und CNC-Stickmaschinen, gut geeignet.
Zur Erzeugung von dreidimensionalen Objekten kann man beispielsweise   Blender, ebenfalls eine Open-Source Anwendung, verwenden. Eine Alternative, die zwar nicht Open Source, aber für Studierende und Anwender*innen aus dem Bildungsbereich kostenfrei nutzbar ist, ist   Fusion 360.

Beide sind gut geeignet, um dreidimensionale Objekte für 3D-Drucker, CNC-Fräsen und andere Geräte, die dreidimensionale Vorlagen verwenden, zu erzeugen oder zu bearbeiten. Freie Formate sind hier SVG (Scalable Vector Graphics, 2D),   DXF    (Drawing eXchange Format, 2D und 3D) sowie   VRML   (Virtual Reality Markup Language, 2D & 3D). Die gängigen 3D-Drucker verwenden das   STL  (STereoLithographie) Format, welches als eine Art Schnittstelle zwischen dem Entwurf und dem Druck fungiert und das Objekt in viele kleine Dreiecke zerlegt – und damit den Speicherplatz deutlich verringert. Seit 2015 arbeitet ein Konsortium an einem freien Standard namens   3MF  (3D Manufacturing Format), mit dem neben den „reinen“ 3D-Modell-Werten auch Informationen über das verwendete Material und dessen Eigenschaften (bspw. Farbe) gespeichert werden kann.

Veröffentlichung & Nachnutzung

Für die Dokumentation von Making-Projekten bieten sich Textformate bspw. in Blogs, aber auch Videos an. Für diese sind die Goldstandards der jeweiligen Formate anzuwenden. Eine   Anleitung    bestehend aus Text und interaktivem Video via   H5P  wurde für den Award-Remix umgesetzt.

Bei den Awards haben wir   Dateien und Dokumentation    im Forum des FabLab Lübeck unter der Lizenz CC0 veröffentlicht. Da der Pokal einen sehr speziellen Verwendungszweck hatte, ging es uns nicht um eine große Verbreitung. Hierfür war eine Benennung der Lizenz innerhalb des Postings ausreichend. Nachnutzungen werden sich eher auf den grundlegenden Aufbau als auf das spezielle Design beziehen, durch die CC0-Lizenz werden bei einer Nachnutzung und Anpassung keinerlei (auf dem Objekt eher störende) Lizenzangaben benötigt

Es gibt einige Portale zur Suche und/oder Veröffentlichung von Vorlagen. Nachfolgend stellen wir ein paar Anlaufstellen vor und zeigen, wo sich dort die Lizenzhinweise befinden.

  • Thingiverse    ist eine der bekanntesten Seiten zur Suche nach 2D- und 3D-Vorlagen. Die Projekte können in allen Varianten der CC-Lizenzen veröffentlicht und danach gefiltert werden. Es gibt allerdings keine Filtermöglichkeit nach bestimmten CC-Lizenzen. So werden automatisch alle Abstufungen dieser Lizenz, bis hin zu CC-BY-NC-ND, angezeigt. Um herauszubekommen, welche Lizenz sich hinter dem einzelnen Projekt verbirgt, müssen die Projekte einzeln aufgerufen und angeschaut werden (siehe Abbildung 4).
Das Bild zeigt einen Screenshot des Programms Thinqverse mit sichtbarem Verweis auf eine CC-Lizenz.

Abb. 4: Sehr gut erkennbar: Die ausgewiesene Lizenz des Werkes, hier CC BY. Screenshot von Thingiverse, nicht unter freier Lizenz.

Das Bild zeigt eine Screenshot des Programms YouMaqine.

Abb. 5: Auch hier erfolgt die Auszeichnung der Lizenz sehr sichtbar. Screenshot von YouMagine, nicht unter freier Lizenz.

  • YouMagine  bezeichnet sich selbst als Online-Community von 3D-Druck-Enthusiast*innen. Dabei setzen sie vor allem auf Open-Source-Kreationen. Die meisten Werke hier sind unter Creative-Commons-Lizenzen (CC BY, CC BY-SA) veröffentlicht (siehe Abbildung 5). Die Lizenzen sind unter den Werken ausgezeichnet. Auch hier lässt sich allerdings die Suche auf der Webseite nicht nach den Lizenzen filtern.
Das Bild zeigt einen Screenshot des Programms Nasa.qov.

Abb. 6: Die Guidelines der NASA ermöglichen eine Verwendung der Objekte für jegliche Zwecke. Screenshot von Nasa.gov, nicht unter freier Lizenz.

  • NASA – Die US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft, kurz NASA, hat auf ihrer Webseite auch einige   3D-Modelle veröffentlicht. Diese sind frei verfügbar und können von allen genutzt werden. Mehr Infos dazu findet man hier.

Je nach Materialart (Videos, Blogbeiträge etc.) kommen weitere Plattformen zum Tragen, bspw. YouTube für Videos mit Anleitungen für Making-Projekte oder MOOC-Plattformen für offen Online-Kurse rund ums Making.

Viele der gefundenen Objekte bieten nicht nur die 3D-Dateien an, sondern auch eine weiterführende Erläuterung, beispielsweise das verwendete Material (beim Lasercutter beispielsweise die Materialart oder -dicke; beim 3D-Drucker oft, welches Filament genutzt wurde) oder die Einstellungen der Geräte (beispielsweise die Geschwindigkeit beim Laserschnitt oder der Modus beim 3D-Druck). Einige Webseiten bieten dazu eine Möglichkeit zum Austausch untereinander an, beispielsweise in Form von Kommentaren oder Diskussionsforen oder zum Upload von verbesserten Versionen oder Fotos Reproduktion der Werke.

Kollaboration

Bei allen Beispielen zeigt sich der Grundgedanke des Making: Es geht auch um das Teilen guter Ideen und die Weiterentwicklung und Freude daran.
So bietet beispielsweise   Instructables  eine Möglichkeit an, auch Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Kurse zum Making zu finden und zu teilen. Die HAW Hamburg bietet mit „Beyond the Screen“ Lehr-Lernmaterialien rund um das Thema. Und auf   iMooX  gibt es einen Online-Kurs zum Thema Coding und Making im Unterricht.

Wer auf der Suche nach einem MakerSpace oder FabLab im deutschsprachigen Raum ist, um sich Unterstützung bei der konkreten Umsetzung zu holen, kann für den deutschsprachigen Raum die von der   MakerFaire erstellte Karte  nutzen. Hier lassen sich auch in wenigen Schritten eigene Werkstätten eintragen. Für FabLabs im internationalen Bereich gibt es eine offizielle   Karte. Zudem sind auch Zusammenschlüsse wie der   Verbund Offener Werkstätten  zu empfehlen.

Dieser Text steht unter der   CC BY 4.0-Lizenz. Der Name des Urhebers soll bei einer Weiterverwendung wie folgt genannt werden:   Kai Obermüller  und   Kristin Narr  für  OERinfo – Informationsstelle OER.


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