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Digitale Teilhabe? Nicht ohne die Kursleitung

Mit Graffiti bekritzelte Kästen an einer Hauswand.

Kabelwand (Bild: Nina Oberländer CC BY SA 3.0)

Weiterbildung in einer digitalisierten Gesellschaft stellt Bildungsanbieter und ihre Kursleitungen vor ganz verschiedenartige Problemstellungen. Eine der zentralen Fragen für uns ist: Werden die Bildungsanbieter durch digitale Angebote weniger Kurse realisieren können? Die Antworten darauf fallen sehr unterschiedlich aus. Aber eines ist gewiss: Schlüssel zu Kursen sind die freiberuflichen Kursleitungen. Ein Blogbeitrag von Joachim Sucker.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beurteilen die Bildungsarbeit über die Qualität der Kursleitungen. Die Kompetenz, auch die digitale Kompetenz, ist den Bildungsanbietern deshalb sehr wichtig. Aber ist ihnen die Kompetenz ihrer Kursleitungen auch etwas wert? Sicher, Fortbildungen werden angeboten, aber darüber hinaus?  Das sollen dann bitte die Kursleitungen selber umsetzen, höre ich aus den Führungsetagen öffentlicher Weiterbildungseinrichtungen. Der Anspruch ist klar: Wer sich heute als Kursleitung erfolgreich im Markt der Zukunft präsentieren will, braucht digitale Lernkompetenz. 

 Jede Kursleitung entscheidet selbst, ob das bisherige Geschäft so weiterbetrieben werden kann oder nicht. Wer neue Lernsettings anbieten will, muss dafür in die Eigenverantwortung gehen. Warten auf Bildungsanbieter, die einem das Wissen „frei Haus“ liefern, funktioniert nicht.
Erstens sind die meisten Bildungsanbieter selber in der Lernphase und zweitens sind Online-Lernsettings auch eine „Bedrohung“ eigener Marktsegmente. Präsenzbildung ist territorial orientiert, hört meist an der kommunalen Grenze auf, damit auch das Einzugsgebiet der Kursleitung. Diese Abhängigkeit kann durch Onlineangebote aufgehoben werden.

 Wie es erfolgreich auch anders geht, zeigen Pink University, Udemy, video2brain, oncampus , IBB oder andere. In all diesen Unternehmen bekommen Kursleitungen eine Einführung in das Thema  digitales Lernen und eine Begleitung in der Erstellung ihrer Kurse. Udemy hat dafür eine eigene Community. Ist ja auch logisch, denn hier wird mit digitaler Medienkompetenz Geld verdient. Aktuell ist das inhaltliche Portfolio noch schmal. Es sind die klassischen Themen wie Marketing, Softskills oder die MINT-Fächer. Aber auch das wird sich ändern. Gesundheitsthemen und Sprachen tauchen zunehmend auf und virtuelle Führungen durch die Kulturtempel der Welt sind hipp.

  Folgende neue Kurskonzepte lassen sich grob unterscheiden:

  •   Flipped Classroom
    Wir treffen in den Kursen oft auf sehr heterogene Lernteilnehmerinnen und -teilnehmer, deren Wissensbasis sehr unterschiedlich ist. Das Flipped-Classroom-Konzept soll vor dem eigentlichen Kursbeginn ein Basiswissen zum Kurs vermitteln. Dieses Wissen wird vorab mit Videos und Links zur Verfügung gestellt. Dieses kann die Kursleitung individuell anbieten oder die Volkshochschule packt diese Inhalte auf eine Lernplattform z.b. Moodle. Das daraus resultierende Kurskonzept kann sich somit auf die Inhalte konzentrieren, die zum Lernerfolg führen sollen. Das können erweiterte Wissensbausteine sein, das kann ein Gespräch zwischen den Teilnehmenden sein oder eine Anwendung des Basiswissens in einzelnen Projekten. Mit diesem Konzept erhoffen wir uns ein intensiveres und erfolgreicheres Lernergebnis. Evtl. lassen sich dadurch Präsenztermine verringern und Kurszeiten flexibler gestalten. Auswirkungen auf die Raumauslastung sind da eher Nebeneffekte.
  •  Spezialkurse
    Wir kennen es in den Volkshochschulen sehr gut. Wir bieten Kurse auf dem Niveau 1 und 2 an und für das Niveau 3 melden sich nicht ausreichend Interessierte an. Wir schließen diese Kurse. Das führt bei den Volkshochschulen zu unzufriedenen potentiellen Kunden, und das in der Zielgruppe der Intensivlerner. Im Freundeskreis wird die VHS dann eher für die Anfänger wahrgenommen, worauf wir uns nicht reduzieren lassen wollen. Es führt zu Einnahmeverlusten der  Kursleitungen.
    Wäre es nicht sinnvoll, die Module 1 und 2 in bisheriger Präsenzform anzubieten und das Modul 3 als Online-Special-Kurs ins Programm zu nehmen? So könnten auch zum Thema Photoshop eine Reihe von Spezialkursen realisiert werden. Optimistisch macht mich dabei, dass es in der Summe ausreichend Interessierte für diese Spezialkurse gibt, denn der Markt ist ja überregional für den deutschsprechenden Raum.
    Für Kursleitungen bedeutet das eine sichere Einnahmequelle. Je nach Konzept können diese Lerneinheiten als Webinarkonserve produziert werden oder aber als Live-Webinar mit Feedbackmöglichkeit der Teilnehmenden. Kursleitungen könnten so auch ein Bündel von Fortbildungen gestalten.
  •  Online-Kurse
    Wenn Kursleitungen reine Online-Kurse konzipieren, können diese natürlich jedem Bildungsanbieter angeboten werden. Manchmal haben Kursleitungen gute eigene Ideen, die von dem örtlichen Träger nicht angenommen werden. Das wäre nicht so tragisch, denn andere Bildungsunternehmen könnten Interesse haben, das eigene Angebotsprofil zu erweitern.

Für Kursleitungen bedeuten diese neuen Lernsettings ein massives Umdenken:

  • Didaktik
    Die Didaktik zielt noch stärker auf eine Beteiligung der Teilnehmenden ab. Vom Teilnehmer zum Teilgeber könnte ein wichtiges Kriterium sein.
  • Medienkompetenz
    Neue Lerntools werden fast monatlich am Markt vorgeführt. Daraus für die eigene Bildungsarbeit die Richtigen herauszufiltern, braucht Zeit. Vieles muss praktisch ausprobiert werden. Und wenn ein Tool gefunden ist, braucht es weiterhin Aufmerksamkeit, denn die Anbieter nehmen ständig Aktualisierungen vor.
    Bildungsunternehmen nutzen nicht EIN Tool, sondern jede Bildungseinrichtung nutzt IHR Tool. Sie sollten also nicht nur Vitero können, sondern auch Moodle, Adobe Connect, Skype, Facebook, Slack     und andere einsetzen können.
  • Selbstmarketing
    Für ihr Bildungsangebot müssen die Kursleitungen jeweils erweiterte Partnerschaften eingehen. Bei allen Präsenzkursen können sie weiterhin auf regionale Partnerschaften zusteuern. Bei Onlinekursen erweitert sich der Markt auf alle deutschsprachigen Menschen.
    Da sind sie auf das Wissen der jeweiligen Bildungsanbieter angewiesen. Eigenmarketing heißt aber auch, ein eigenes Profil in entsprechenden sozialen Netzwerken aufzubauen. Darüber werden Kursleitungen auch von Bildungsanbietern gefunden und kontaktiert.

   Es ist ein guter Zeitpunkt, den Volkshochschulen eine Zusammenarbeit anzubieten. Mit der Verabschiedung des Konzeptes „Erweiterte Lernwelten“ haben die Volkshochschulen ihren Willen erklärt, digitales Lernen in die Bildungsarbeit zu integrieren.

 Ideen sind sicherlich vorhanden. Was fehlt, sind überregionale Strukturen, eine Börse für Online-Kurse und ein gemeinsames Marketing für Online-Kurse.

Volkshochschulen möchten als moderne Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden. Dazu braucht es auch innovative Kurse. Sie benötigen also auch innovative Kursleitungen. Sind alle Beteiligten dafür bereit?

 Ich freue mich sehr über Kommentare von Kursleitungen, die auf diesem Weg ihre Erfahrungen einbringen wollen.

    

Joachim Sucker arbeitete 25 Jahre als Hauptamtlicher pädagogischer Mitarbeiter und Marketingleitung in der Hamburger Volkshochschule. Er ist außerdem Initiator von großen Online-Kursen (vhsmooc.de + ichmooc.de) und  Preisträger des OER-Awards in der  Kategorie Erwachsenenbildung. Zudem ist er  Inhaber der Agentur Allesauszucker (#innovationsbegleitung).

Zum Thema Digitale Teilhabe hat Joachim Sucker auch einen Beitrag auf dem Blog volkshochschule.de veröffentlicht.


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