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Politischer Kurswechsel in der Schweiz: Sparmaßnahmen bedrohen Weiterbildung

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In der Schweiz besteht punkto Grundkompetenzen (vergleichbar mit der Grundbildung in Deutschland) großer Förderbedarf. Die aktuellen Sparpläne des Bundesrats drohen die Bemühungen für mehr Chancengleichheit jedoch zu verhindern.

Die kürzlich veröffentlichten PIAAC-Daten zeichnen ein unrühmliches Bild für die Schweiz: 30 Prozent der Wohnbevölkerung haben Mühe mit mindestens einer der drei gemessenen Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Problemlösen. Es besteht also enormer Förderbedarf und es sind längst nicht nur Personen mit niedrigem Bildungsstand betroffen.

Dem versucht die Schweiz bislang mit Fördermaßnahmen beizukommen. Dazu zählen die erfolgreich eingeführten Bildungsgutscheine   zur Förderung der Grundkompetenzen oder die Möglichkeit, niederschwellige Kurse im Betrieb anzubieten.

Unterstützung von Bund und Kantonen

Durch das Bundesgesetz von 2014 über die Weiterbildung (WeBiG) fördert das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener. In der Förderperiode 2021–2024 haben dazu 21 Kantone eine Programmvereinbarung mit dem SBFI abgeschlossen und verdoppeln demnach die für diesen Zeitraum zur Verfügung stehenden Bundesbeiträge in der Höhe von 43 Millionen Franken.

Dank des Förderschwerpunkts «Einfach besser… am Arbeitsplatz» können Betriebe ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Grundkompetenzbedarf Kurse maßschneidern lassen und sie so für die Herausforderungen am Arbeitsplatz vorbereiten. Diese Maßnahmen eröffnen Tausenden Personen den Zugang zu Weiterbildungen und tragen einen wichtigen Teil zur Chancengleichheit bei.

Doch die Bestrebungen sind nach einer überraschenden Kehrtwende des Bundesrats in Gefahr. 

Plötzlicher Kurswechsel

Zwar hatte die Exekutive noch beim Verabschieden der BFI-Botschaft im September 2024 die Förderung der Weiterbildung als strategische Priorität festgelegt. Und dabei betont, dass sich Kürzungen in der Weiterbildung in Folgekosten – etwa bei der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe – niederschlagen würden.

Wenige Monate später klang es jedoch plötzlich ganz anders: Im Rahmen des «Entlastungspakets 27» schlug derselbe Bundesrat massive Sparmaßnahmen im Bereich der Weiterbildung vor. So sollen zum Beispiel die Bundesmittel zur Förderung der Grundkompetenzen oder jene für die Leistungen der acht Dachorganisationen, kurz: Organisationen der Weiterbildung (OWB), gestrichen werden.

Pläne, die aus Sicht des Weiterbildungsfeldes kurzsichtig und widersinnig sind. So würde die Streichung der Bundesmittel zur Förderung der Grundkompetenzen zu einem direkten Abbau von dringend notwendigen Weiterbildungsangeboten in den Bereichen Lesen und Schreiben, Alltagsmathematik sowie digitalen Kompetenzen führen. Gegenüber all jenen, die einen Förderbedarf im Bereich Grundkompetenzen haben, wäre dies verantwortungslos, da diese Menschen zunehmend den Anschluss und ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu verlieren drohen.

Kürzungen mit massiven Folgen

Die Streichung der Bundesmittel für die Leistungen der OWB würde dazu führen, dass unabdingbare, systemrelevante Leistungen für das Weiterbildungssystem, wie zum Beispiel Sensibilisierung für die Weiterbildung, Information über die Weiterbildung, Professionalisierung und Qualitätssicherung in der Weiterbildung und Koordination der Weiterbildungsakteure, komplett wegfielen. Das Weiterbildungssystem in der Schweiz würde dadurch strukturell und leistungsmäßig massiv geschwächt.

Insbesondere würde sich die bereits heute sehr hohe Ungleichheit bei der Weiterbildungsbeteiligung ohne die OWB weiter verstärken. Dies zu Lasten derjenigen Erwachsenen, die Weiterbildung am nötigsten haben und auf die die Schweizer Volkswirtschaft in Zukunft angesichts des Fachkräftemangels angewiesen sein wird.

Weiterbildung braucht ein klares Bekenntnis

Investitionen in die Weiterbildung sind langfristig zu betrachten. Hier vorschnell den Sparhammer anzusetzen, kann weitreichende Folgen haben. Zumal die Erwachsenen- und Weiterbildung eine zentrale Rolle einnimmt, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Wirtschaft zu stärken sowie den Zeiten des Wandels zu begegnen und diese zu gestalten. Um den Beitrag der Weiterbildung zu sichern, müsste sie bildungspolitisch in den Fokus gerückt werden. Die aktuellen Sparpläne tun das Gegenteil.

Reto Hunziker ist Verantwortlicher Kommunikation bei SVEB Schweizerischer Verband für Weiterbildung.

CC BY-SA 3.0 DE  Reto Hunziker für wb-web (2025)


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