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"Die Jungen wissen, dass das ihre Zukunft ist"

Ansicht des Webinars mit Agenda und Video des Moderators

Wie verändert die Digitalisierung das professionelle Handeln als Weiterbildner? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für Lehrende? Welche Widerstände können Organisationen und Lehrenden begegnen? Auf diese Fragen versuchten die Referentinnen und Referenten im wb-web-Webinar „Weiterbildungs-Arbeit 4.0“ Antworten zu geben. Es gab vier interessante Inputs aus verschiedenen Perspektiven.

Zunächst gab Ole Wintermann, bei der Bertelsmann Stiftung aktuell Leiter des Projekts „Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung“ einen Einblick in seine Einschätzungen zur Zukunft der Arbeit. Beim Stichwort Digitalisierung schauten viele zu sehr auf die Technik, wichtiger sei eine Einordnung in den Arbeitskontext, um die Auswirkungen für die Zukunft beurteilen zu können, so Wintermann. Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Augmented Reality (AR) seien schon in vielen Bereiche der Arbeitswelt angekommen, meinte Wintermann weiter mit Verweis auf Beispiele aus der Industrie, aber auch aus dem Berufsfeld der Übersetzer, der Pflege, den Naturwissenschaften, dem Recht, der Medizin und der Wirtschaft. Arbeitsplätze seien vor allem gefährdet, wo die Blockchain-Technologie als „automatisiertes Kontrollsystem“ Tätigkeiten in sogenannten „Gatekeeper-Bereichen“, also bei Banken, Maklern, Juristen oder auch im Einzelhandel, übernehmen kann.

Die Verwendung von 3D-Druck-Technologie wird unser gesamtes Produktionssystem auf den Kopf stellen, erklärte Wintermann weiter. Die Berufsbilder von Installateuren, Ingenieuren und Marktanalysten würden sich durch das „Internet der Dinge“ grundlegend ändern, Roboter und Exo-Skelette machten körperlich schwere oder gefährliche Arbeiten leichter. Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) ermöglichten effektive kollaborative Zusammenarbeit.

Deutschland verpasse gerade bei diesen Technologien den Anschluss, so die These von Wintermann. „Wir müssen umparken im Kopf“, meint er. Hier müsse man „neue Formen der Unternehmensorganisation ausprobieren, Innovation Labs schaffen, die hier Freiräume bieten.“ Interessant auch die Auswirkungen auf Personaleinsatz und Berufsbilder sowie Bildung, die Wintermann skizzierte: „Informelles Lernen wird wichtiger. Abends mal ein YouTube-Tutorial gucken wird wichtiger“.

Seite mit Text und Grafik zu Nutzertypen im Internet

Seite zu digitalen Nutzertypen. CC BY 4.0 International by D21 Digital Index 2017/2018, eine Studie der Initiative 21, durchgeführt von Kantar TNS.


Zweiter Referent beim Webinar war Bernhard Schmidt-Hertha, Professor für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt berufliche und betriebliche Weiterbildung an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Er sprach über Forschungsergebnisse aus seinem aktuellen Projekt MEKWEP. Ausgehend von der Frage, wie die Erwachsenenbildung auf die Veränderungen durch die Digitalisierung reagieren kann und soll, werde klar, dass die Erwachsenenbildung wie alle anderen Bereiche der Arbeitswelt auch auf allen Ebenen betroffen ist: Bei den Institutionen, den Organisationen, den Angeboten und bei Lehre und Lernen. Bezogen auf das Lernen bietet die Digitalisierung eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten, so Schmidt-Hertha. Mobiles Lernen, Gamification, Lernen on demand, kollaboratives Lernen, vernetztes Lernen und die Frage kostenloser Lehr-/Lernmaterialien sind hier die Stichworte.

Sind die in der Erwachsenenbildung als Lehrende Tätigen vorbereitet? Können die diese Vielfalt an medialen Möglichkeiten angemessen nutzen? Schmidt-Hertha stellte die Ergebnisse aus dem MEKWEP-Projekt zu den medienpädagogischen Kompetenzen von Lehrenden in der Erwachsenenbildung vor. 

Ansicht aus der Präsentation mit Titel Medienpädagogisches Kompetenzmodell für Lehrende in der Erwachsenenbildung

Ergebnisse des Projekts MEKWEP zu Medienkompetenz.  (Bild: Präsentation Bernhard Schmidt-Hertha, nicht unter freier Lizenz)

Dabei gehe es nicht nur um die Fähigkeit, mit digitalen Medien umzugehen, sondern wie Schmidt-Hertha ausführte, auch um „die Offenheit, überhaupt Neues auszuprobieren, sich auf Experimente mit digitalen Medien einzulassen und diese für die Selbstorganisation zu nutzen.“ Und Erwachsenenbildner sollten auch erkennen können oder wissen, welche Medienkompetenzen ihre Zielgruppe in der jeweiligen Veranstaltung habe, so Schmidt-Hertha.

Befragungen im Projekt ergaben fünf Gruppen typischer Erwachsenenbildner:

  • Lehrende mit wenig mediendidaktischem Wissen, aber grundsätzlich interessiert
  • Lehrende, die digitale Medien in der Lehre ablehnen (ca. 12 Prozent)
  • Lehrende mit geringem Wissen zum medienbezogenen Umfeld der Teilnehmenden (relativ große Gruppe)
  • Lehrende mit wenig medienbezogener Teilnehmerorientierung („erwachsenenpädagogisch problematische Haltung“)
  • durchschnittlich medienkompetente Lehrende (die größte Gruppe)

Im Projekt arbeitet Schmidt-Hertha zurzeit an einem Test, den jeder Erwachsenenbildner für sich machen kann, um eigene Medienkompetenzen zu erfragen. Dieser Selbsttest soll im Herbst veröffentlicht werden.

Die eigene Rolle reflektieren

Ute Demuth brachte die Perspektive der Dozentinnen und Dozenten in die Runde ein. Sie arbeitet als freie Trainerin und Autorin vor allem in der politischen Medienbildung für Erwachsene. „Wenn man sich mit digitalen Medien auseinandersetzt in der Weiterbildung, heißt das für mich auch, dass man die eigene Rolle stark reflektieren muss und mit dem Einsatz dieser Medien in der Weiterbildung verändert sich die Rolle von Dozentinnen und Dozenten“, erklärte Demuth. Durch die Nutzung digitaler Medien verschwömmen die Grenzen zwischen Lehrenden und Lernenden, so Demuth. Es entstehe „das sprichwörtliche Loch in der Wand des Klassenzimmers, wenn die Leute mit ihren Smartphones da sitzen und selber nachschauen können, wie hoch der Berg ist …“. Das zu reflektieren und sich darauf einzulassen sei eine Kernkompetenz für Dozentinnen und Dozenten.

Auch die Verwendung digitaler Medien im Berufsleben sollte reflektiert geschehen. Noch sind es oft die Dozenten, die neuartige Nutzungsformen von digitalen Medien in Weiterbildungsveranstaltungen hereintragen, ist die Erfahrung von Ute Demuth. Die Teilnehmenden bringen digitale Medien meist mit und erwarten, dass auf ihre Nutzungsgewohnheiten eingegangen wird.

„Ich bestimme, wie ich die Technik nutze und wie sie meine Arbeit zu guter Arbeit machen kann,“ schildert Demuth ihre favorisierte Haltung zu digitalen Tools. Grundsätzlich ließen sich digitale Medien bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen nutzten, so Demuth, und stellte als Beispiel Etherpad (Handlungsanleitung von wb-web) vor. 

Bilder mit Menschen, die Virtual Reality-Brillen tragen

An der Hamburger Volkshochschule entstehen durch digitale Technik neue Lernformen und -räume. (Bild: Präsentation Sylvia Fohrer, nicht unter freier Lizenz)

Aus der Sicht einer Programmplanenden sprach Sylvia Fohrer, bei der VHS Hamburg zuständig für die Bereiche Multimedia, Web und EDV. Sie stellte vor, welche digitalen Medien in ihrer Einrichtung genutzt werden: Zum Beispiel künstliche Intelligenz in Form des Roboters Nao oder Virtual Reality-Brillen für Selbstlernräume. Circa 50 Webinare bieten Lernen unabhängig von einem Ort an, stellen allerdings auch technische Herausforderungen an Lehrende und Lernende. Fohrers Erfahrung dabei: Kostenlose Webinare werden gerne angenommen, kostenpflichtige Webinare laufen nur, wenn sie eine andere Veranstaltung ergänzen. Oft finde im Webinar aber nur herkömmlicher „Frontalunterricht“ statt, wenn es auch andere Möglichkeiten gebe. Doch die Motivation der Teilnehmenden aktiv an diesen Formen teil zu haben, sei schwierig: „Es ist schon schwierig, sie dazu zu bewegen, ihr Mikrophon freizuschalten, da gibt es Hemmungen.“ Fohrer war zuversichtlich, das Teilnehmende und Lehrende sich daran gewöhnen würden und zitierte einen ihrer Kursleiter: „Die Jungen wissen, dass das ihre Zukunft ist.“

Die Präsentationen aus dem Webinar und die Aufzeichung finden Sie hier.