Handlungsanleitung

Evaluation mit dem Lerntagebuch

Das Lerntagebuch wird als zur Bewertung des Lernerfolgs und zur Lernstandortbestimmung eingesetzt. Es dient als ein „Lernbegleiter“ und führt die Lernenden an einen aktiven, selbstreflexiven und eigenverantwortlichen Umgang mit dem eigenen Lernprozess heran. Das Lerntagebuch ist ein Instrument, das die im bisherigen Leben erlangten Kompetenzen ermittelt und dokumentiert.

Der folgende Text ist ein Auszug aus:  Strauch, A., Jütten, S., & Mania, E. (2009). Kompetenzerfassung in der Weiterbildung. Instrumente und Methoden situativ anwenden. Bielefeld: W. Bertelsmann.  S. 55ff.

Was ist das Ziel des Lerntagebuchs?

Lernende reflektieren im Tagebuch ihre konkreten Lernfortschritte im Verlauf des gesamten Lernprozesses. Auch können hier Ziele, Wege und Spezifika des eigenen Lernens erfasst und dokumentiert werden. Die Nutzer eines Lerntagebuchs erhalten die Möglichkeit, neben dem eigenen Lernverhalten, sowie Lernstrategien und -inhalten auch die Gruppendynamik, das Gruppenklima und die eigenen Gefühle und subjektiven Wahrnehmungen zu reflektieren und aufzuschreiben. Dies geschieht anhand verschiedener Anleitungen im Lerntagebuch, beispielsweise durch gezielte Fragen nach Arbeitsweisen, Lernformen, Lernfortschritten und Schwierigkeiten.

Kompetenzen werden im Lerntagebuch in erster Linie in Form einer Selbstevaluation, mit Blick auf die vorgegebenen Fragen und Strukturen des Tagebuchs aber auch als Fremdevaluation erfasst.

Das Lerntagebuch unterstützt den Lernenden dabei, seine eigenen individuellen Ziele mit denen der Lehrenden abzugleichen und in Einklang zu bringen. Die gemeinsam vereinbarten Lernziele sowie ein gemeinsam gestalteter Lernweg werden im Lerntagebuch festgehalten und immer wieder auf ihre Aktualität hin überprüft. Im Team werden kurz-, mittel- und langfristige Lernziele sowie Grob- und Feinziele für den Lernprozess ausgearbeitet.

Die Arbeit mit dem Lerntagebuch ist subjekt- und handlungsorientiert und zielt auf eine Kompetenz- statt eine Defizitorientierung. Lernstärken als auch Lernprobleme können leicht erkannt und durch die Hilfe des Lehrenden weiter gestärkt bzw. behoben werden. Das Lerntagebuch hilft den Lernenden bei der Reflexion über:

  • Fakten und Inhalte
  • ihr eigenes Wissen
  • die eigenen Erfahrungen und Gedanken
  • Ziele und Kriterien (z.B. Kompetenzbeschreibungen)
  • eigene Vorgehensweisen
  • Vorgehensweisen von Mitlernenden

Welche Anwendungsbereiche gibt es für das Lerntagebuch?

Generell kann ein Lerntagebuch in allen Weiterbildungskursen eingesetzt werden. Vorzuziehen sind dabei längerfristig angelegte Lernprozesse, da die Arbeit mit dem Tagebuch regelmäßig festgelegte Zeiten zur Bearbeitung und Bewertung benötigt. 

Voraussetzungen

Für die Lehrenden ist die Arbeit mit dem Lerntagebuch eine große Herausforderung und bedarf einer angemessenen Vorbereitung. Wenn Zeiten zum regelmäßigen und aktiven Arbeiten mit dem Lerntagebuch in den Unterricht einbezogen werden, so unterstützt dies die Teilnehmenden, sich mit dem Lerntagebuch zu befassen.

Zu Beginn der Veranstaltung ist eine inhaltliche Einführung in die Arbeit mit dem Instrument empfohlen. Dabei sollten folgende Fragen mit den Teilnehmenden geklärt werden:

  • Was ist ein Lerntagebuch?
  • Wie arbeite ich und wie arbeitet jeder Einzelne mit dem Tagebuch?
  • Welche Materialien befinden sich in unserem Hefter? Was soll hinzugefügt werden und was dürfen wir hinzufügen?
  • Welche Modifikationsmöglichkeiten gibt es?
  • Wird das Lerntagebuch zum Ende der Lernveranstaltung bewertet? Geschieht dies mittels Selbst- und/oder Fremdbewertung?

Weiterhin besteht die Möglichkeit, den Einstieg in die Arbeit mit dem Lerntagebuch durch verschiedene Hilfsmittel oder Strategien zu unterstützen. So können z.B. mit einer Kartenabfrage erste Einschätzungen, Ängste und Befürchtungen, aber auch positive Annahmen und Anregungen vonseiten der Tagebuchnutzer formuliert und gemeinsam diskutiert werden. Die Teilnehmenden schreiben dabei ihre Gefühle, Ideen, etc. auf Karteikarten. Diese werden danach an einer Pinnwand gesammelt und besprochen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Selbsteinschätzung durch die Teilnehmenden. Sie reflektieren durch gezielte Anleitung, die das Lerntagebuch vorgibt, ihren Lernprozess. Dies schließt aber nicht aus, dass sich eine Fremdbewertung durch den Lehrenden anschließen kann. Dafür muss dieser jedoch über fundierte Kenntnisse zu anderen Methoden der Kompetenzerfassung verfügen.

Durchführung

Das Lerntagebuch kann ein Buch, eine Mappe oder ein Heftordner sein. Mappen und Ordner in DIN-A4-Größe sind praktisch, weil während des Seminars weitere lose Blätter hinzugefügt oder die Inhalte mittels Register individuell sortiert werden können. Die Lernenden arbeiten zwar selbstständig mit dem Instrument, sie erhalten aber Anleitung und Unterstützung durch die Lehrenden. Letztere können entscheiden, wie das Tagebuch gestaltet werden soll und wie viel Zeit zur Bearbeitung gewährt wird. Als Leitsatz gilt: Je anspruchsvoller das Lerntagebuch gestaltet wird, desto höher ist auch die Motivation, mit dem Instrument zu arbeiten.

Die Arbeit mit dem Lerntagebuch sollte in den gesamten Lernprozess eingebunden werden. Dabei ist darauf zu achten, dass feste Zeiten zum Arbeiten mit dem Instrument eingeplant werden. Sinnvoll ist es, die individuelle Reflexion der Lernenden mit einem anschließenden Gruppengespräch oder Lernberatungsgespräch zu verbinden.

Mithilfe des Lerntagebuchs können auf zwei unterschiedlichen Wegen Kompetenzen erfasst werden: durch eine Selbsteinschätzung oder durch eine Bewertung. Bei der Selbsteinschätzung reflektieren und bewerten die Lernenden die Einträge ihres Lerntagebuchs. Dies geschieht anhand von Fragen.

Diese lassen sich in vier Bereiche unterteilen:

  • die sachliche Erklärung
  • die persönliche Bewertung
  • die emotionale Wahrnehmung
  • die Selbstreflexion

Auf jeder Evaluationsebene werden die Lernenden aufgefordert, über ihr Lernverhalten, ihre Lernerfolge, Misserfolge, Lerninhalte und Gefühle nachzudenken.

Werden die Fragen bei der Evaluation nicht zu offen formuliert, fällt den Lernenden der Reflexionsprozess leichter. Der Lernende wird dazu aufgefordert, die Fragen so detailliert und gewissenhaft wie möglich zu beantworten. Hat der Lernende alle Fragen beantwortet, kann er seine Antworten sortieren und nach selbst gewählten Kriterien in eine Rangfolge bringen oder in Form einer Mindmap darstellen.

Schlussfolgerungen dieser Bewertung können beispielsweise sein: „Aufgabe A möchte ich sofort erledigen.“ … „Die Inhalte aus Fach X brauche ich nicht mehr lernen, die beherrsche ich sehr gut.“ … „Ziele D und E möchte ich noch erreichen.“ Der Lernende wird auf diese Weise in die Lage versetzt zu erkennen, was ihm bereits gut gelungen ist oder woran er noch arbeiten möchte.

Die zweite Möglichkeit, anhand des Lerntagebuchs Kompetenzen zu erfassen, ist die Bewertung durch den Lehrenden. Auch hier helfen die oben formulierten Fragen. Der Lehrende nimmt dafür nach der Selbstbewertung der Lernenden eine weitere Bewertung durch.

Da im Lerntagebuch sowohl Fragen zu sachlichen Inhalten, zu Emotionen und zu Reflexionen über das Thema oder den Kurs gestellt worden sind, gibt es bei der Bewertung der Antworten kein einfaches „Richtig“ oder „Falsch“. Es geht vielmehr darum, die Lernenden dazu aufzufordern, über die Fragen nachzudenken und ihren Lernweg zunächst selbstständig zu reflektieren und zu beurteilen.

Damit die Antworten mit denen der Mitlernenden verglichen werden können, formuliert der Lehrende Kriterien. Um diese Kriterien bilden zu können, ist es nötig, die Wünsche und Ziele der Teilnehmenden mit den Zielen der Kursleitenden abzugleichen. Zur Bewertung der Antworten teilt der Kursleitende jeder Frage, die er im Evaluationsverfahren gestellt hat, Kriterien zu. Dies können Teilantworten oder persönliche Aspekte in der Beantwortung sein, z.B. die persönliche Einschätzung eines eigenen Lernerfolgs. Für jedes vorhandene Kriterium einer Frage wird ein Punkt vergeben.

Für jede Frage, die im Evaluationsverfahren gestellt wird, muss ein solcher Kriterienkatalog erstellt und die jeweilige Punktvergabe festgelegt werden. Wenn alle Teilnehmenden die Fragen beantwortet haben und die Punkte verteilt wurden, erfolgt der letzte Schritt. Dabei werden alle Teilnehmenden miteinander verglichen und die Antworten in Beziehung zueinander gesetzt. Dabei bestimmt der Kursleitende für jede Frage eine Minimal-, Maximal- und Durchschnittspunktezahl, so dass ein Notenspektrum (Note 1 bis 6) festgesetzt werden kann. Nun können den einzelnen Teilnehmenden Noten gegeben und diese miteinander verglichen werden.

Modifikationsmöglichkeiten und Tipps

Eine Abwandlung des Lerntagebuchs ist das Projekttagebuch. Ein solches Tagebuch kann in Form eines echten, gebundenen Buches oder als eine Datei auf dem Projektserver angelegt werden. Nach Art eines Logbuchs wird in einem Projekttagebuch alles, was erwähnenswert scheint, für den späteren Gebrauch festgehalten. Das können Aufgaben, Ereignisse, Vorhaben usw. sein. Zu der im Tagebuch zu erfassenden Aufgabe werden z.B. die Projektbeteiligten, der Beginn der Aufgabe, das Datum der voraussichtlichen Erledigung, die Art und die Wichtigkeit der Aufgabe sowie die zugehörigen Dokumente (E-Mails, Briefe, Terminpläne, Protokolle, Fotos, Lerntechniken, Lerngruppen u. a.) erfasst. Darüber hinaus hilft es, bereits während der Durchführung der Aufgabe Ergebnisse zu sammeln, zu dokumentieren und zu ordnen. Somit spiegelt das Projekttagebuch später den tatsächlichen Ablauf eines Projekts, die einzelnen Arbeitsschritte und die Verantwortlichkeiten wider.

Nach Abschluss des Projekts wird anhand des Tagebuchs deutlich, wo Erfolge (z.B. Lernfortschritte) gemacht wurden oder wo Bedarf besteht, Lerninhalte nachzuarbeiten. Sichtbar wird aber auch, welche Lernmethoden und Reflexionsarbeiten richtig waren und zum Lernerfolg geführt haben. Der Aufbau eines Projekttagebuchs kann in zwei Bereiche unterteilt werden: zum einen in einen inhaltlichen Bereich, in dem Aufgaben und Planungsschritte formuliert werden, zum anderen in einen Bereich für persönliche Eindrücke und deren Reflexion. Durch gezielte Fragen können diese Bereiche individuell bearbeitet werden:

Aufgaben und Planung

  • Welche Aufgaben wurden seit dem letzten Eintrag im Projekttagebuch durchgeführt und abgeschlossen (Recherchen, Dokumente etc.)?
  • Wann und wo fanden Gruppentreffen statt? Wer war beteiligt und hat dabei welche Aufgabe in der Gruppe übernommen?
  • Welche Ergebnisse wurden erzielt?
  • Welche Aufgaben und Ziele wurden als nächstes innerhalb der Gruppe vereinbart?
  • Welche Aufgaben stehen jetzt an? Wer übernimmt sie?
  • Welche Veränderungen sollten im Projektablauf vorgenommen werden?
  • Persönliche Eindrücke und Reflexion
  • Was denke und fühle ich in Bezug auf die aktuelle Situation des Projekts?
  • Wie bewerte ich den bisherigen Projektverlauf?
  • Wie bewerte ich die abgeschlossenen Aufgaben?
  • Was ist meiner Meinung nach bis hierhin gut im Projekt gelaufen? Wo sehe ich Verbesse-rungen für die weitere Arbeit im Projekt?
  • Wie wirkt sich die Arbeit im Projekt auf meine Motivation aus? Woran möchte ich unbedingt noch arbeiten?
  • Wie ist die Gruppenatmosphäre?
  • Welche Konsequenzen ziehe ich aus meinen Überlegungen über die aktuelle Situation und für zukünftige Projekttreffen?

Es ist wichtig, dass von jedem Projektmitglied regelmäßig Einträge vorgenommen werden. Wie ein solches Projekttagebuch beispielhaft aussehen kann, zeigen wir im Folgenden:


leere Tabelle

Quelle

Quelle: Strauch, A., Jütten, S., & Mania, E. (2009). Kompetenzerfassung in der Weiterbildung. Instrumente und Methoden situativ anwenden. Bielefeld: W. Bertelsmann.  S. 55ff.


Das könnte Sie auch interessieren

Passende Wissensbausteine

Passendes Material