Angelika Gundermann Forschung quergelesen

Gläubige oder Skeptiker - Menschen im Museum

Blick in eine Ausstellungshalle

Nichts für die Ewigkeit: Wissen im Museum. (Bild: Barni1/pixabay.com, CC 0)

Dieser Frage ging eine Untersuchung von Rahel Grüninger, Inga Specht, Wolfgang Schnotz und Doris Lewalter nach (vgl. Grüninger, R. et al. (2013): Personale Bedingungen der Verarbeitung von fragilem Wissen in Museen. In: Unterrichtswissenschaft 41 (1), S. 2-19).

Die Forscher hatten dabei im Hinterkopf, dass im Museum präsentiertes Wissen heute oft nicht mehr für die Ewigkeit festgehalten und ausgestellt wird, sondern die angebotenen Informationen in kurzen Zeitabständen durch neue Forschungsergebnisse überholt werden können. Gerade in naturwissenschaftlich-technischen Museen sorgen die Fortschritte in Wissenschaft und Technik dafür, dass Darstellungen schnell veraltet sind oder sich sogar widersprüchliche Erkenntnisse ergeben. Es entsteht „fragiles“ Wissen. Können Museumsbesucher damit umgehen? Welche Eigenschaften sind überhaupt günstig, damit Menschen sich angesichts widersprüchlicher Informationen eine eigene Meinung bilden und nicht davor zurückschrecken?

Die Wissenschaftler untersuchten dazu drei Eigenschaften, die zeigen, wie Menschen mit Informationswidersprüchen umgehen: epistemologische Überzeugungen, Ambiguitätstoleranz und Selbstwirksamkeitsannahmen. In epistemologischen Überzeugungen manifestieren sich Annahmen zum Ursprung, zur Sicherheit und zur Veränderbarkeit von Wissen. Als naiv lässt sich die Vorstellung bezeichnen, dass einmal erworbenes Wissen wie in Stein gemeißelt gilt, als reflektiert gilt das Bewusstsein, dass auch Wissen wieder verworfen werden kann. Wer die Welt gerne nach einfachen, feststehenden Schemata beurteilt, hat eine geringe Ambiguitätstoleranz, wer dagegen Spaß an unbekannten und vielleicht auch verwirrenden Umständen hat, ist stark ambiguitätstolerant. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten reicht oft aus, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Diese Eigenschaft bezeichnen die Fachleute als Selbstwirksamkeitsannahme. Zusammen genommen ist ein Mehr oder ein Weniger dieser menschlichen Eigenschaften verantwortlich dafür, wie Informationswidersprüche erfahren werden – die Palette reicht von Angst bis zu Vergnügen.

Bei ihren Befragungen in zwei kulturhistorischen und zwei naturwissenschaftlich-technischen Museen trafen die Forscher auf Menschen, die grundsätzlich eher bewusst mit der Herstellung von Wissen umgehen konnten (reflektierte epistemologische Überzeugungen), deren Selbstwirksamkeit mittel bis hoch war und die eine hohe Ambiguitätstoleranz aufwiesen. Bei näherem Hinsehen unterschieden die Wissenschaftler dabei drei ungefähr gleich große Gruppen von Museumsbesuchern: den „selbstzweifelnden Skeptiker“, die Gruppe der „selbstbewusst vertrauensvollen“ Besucher und die „Stabilitätsgläubigen“.

Die „selbstzweifelnden Skeptiker“ verstehen, dass Wissen veränderbar ist, halten sich aber selbst im Umgang mit Wissen für wenig kompetent. Die „selbstbewusst Vertrauensvollen“ beschreiben die Forscher als autoritätsgläubig und selbstbewusst. Sie glauben an die Veränderlichkeit von Wissen, das allerdings vor allem über Autoritäten vermittelt wird. Die „Stabilitätsgläubigen“ wiederum gehen von der Unveränderlichkeit von Wissen aus. Das Alter ist im Übrigen nicht entscheidend für die Zugehörigkeit zu einer der Gruppen – das Geschlecht schon: Es gibt überdurchschnittlich viele selbstzweifelnde Skeptikerinnen.

Wichtigste Erkenntnis für die Museumsfachleute: 70 Prozent der Besucher – die Skeptiker und die Vertrauensvollen - gehen davon aus, dass Wissen sich verändert. Wie die Einzelnen dann damit umgehen können, ist allerdings sehr unterschiedlich. Vor allem die Skeptiker fühlen sich womöglich überfordert. 


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