Wolfgang König Blog
Warum ein Chatbot-Didaktik Modell?
Viele Ideen - kein Modell
In dieser Informationsflut kam es mir so vor, als sehe man den Wald vor lauter Bäumen nicht. „Wo ist eigentlich ein einfaches pragmatisches Didaktik-Modell, das Chatbots als Lernmedium gezielt thematisiert?“ Aus meiner Sicht fehlte auch die Perspektive der Erwachsenenbildung sowie betrieblichen Aus- und Weiterbildung in der Debatte.
In meiner Arbeit als „Experte für digitale berufliche Bildung“ bei der Bildungswerk der Wirtschaft (BdW) gGmbH und meiner Tätigkeit im Projekt „Netzwerk Q 4.0“ griff ich diese didaktische Lücke auf. Ziel des „Netzwerkes Q 4.0“ ist die Ertüchtigung des Berufsbildungspersonals mit Blick auf die Ausbildung 4.0. Und so begann mein Kopf zu rattern. Wo und wie Chatbots in der beruflichen Bildung klug anwenden? Diese Fragen ließen mich nicht mehr los. In einem Gastbeitrag für erwachsenenbildung.at ließ ich wie im Flow meine ersten Gedanken dazu strömen. Das „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“ entstand fast von allein. Ein erster Entwurf zum Austausch und der fachlichen Diskussion war im April 2023 fertig.
Gib dem Kind einen Namen!
Warum Graue-Box-Modell? Modelle sind keine Wahrheiten. Sie müssen einfach, nützlich und griffig sein, das gilt natürlich auch für den Namen eines Modells. Bekannt sind die so genannten Black-Box-Modelle, die vereinfacht folgende Idee skizzieren: Daten gehen rein, Daten kommen raus, aber was dazwischen passiert, das weiß keiner. Weil der gesellschaftliche Anspruch an die Chatbot-Technologie aber ein Mindestmaß an Transparenz ist, schien „Graue-Box“ passend. Mit Blick auf die EU-Gesetzgebungsprozesse und Transparenzanforderungen an KI-Chatbots ist der begriffliche Unterschied von Black zu Grau ein relevanter Unterschied, der einen Unterschied macht - Gregory Bateson sei hier nur als Schlagwort erwähnt. Als Vertreter der kybernetischen Systemtheorie definierte er Information als „Unterschied der einen Unterschied macht“.
Didaktische Ansatzpunkte
Beim „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“ schlage ich im Grunde drei Analyseebenen vor, an der sich Lehrende orientieren können:
- Makro-Didaktik: Welche bildungspolitischen Rahmenvorgaben gibt es bereits und wo macht der Chatbot-Einsatz auf Basis bestehender Curricula oder KMK-Vorgaben Sinn?
- Mikrodidaktik: Bei der Feinplanung eines Lehrangebotes muss überlegt werden, an welcher Stelle genau der Chatbot-Einsatz geboten ist (z.B. Stufe 1 im Modell der vollständigen Handlung)
- Chatbot-Doing fokussiert die konkrete Arbeit mit einem Chatbot. Welche Fragen dürfen gestellt werden? Was wissen wir über die „Graue Box“? Machen die Antworten Sinn? Wie kann der Chatbot trainiert werden? Dies sind dann die konkreten didaktischen Ansatzpunkte in der Handlungssituation beim Chatbot-Doing.
Mit dem Modell arbeiten
Das „Graue-Box-Modell der Chatbot-Didaktik“ ist letztlich ein didaktischer roter Faden, um Chatbots für die Lehre zu nutzen:
Einsatzbereich identifizieren (Makrodidaktik)
- Überprüfen Sie Lehrpläne, Ausbildungsordnungen und ggf. weitere Dokumente, inwieweit sich KI oder Chatbots bereits hier schon als mögliche Unterrichtsthemen anbieten. Die „modernisierten Standardberufsbildpositionen“ bieten sich beispielsweise für die Ausbildung an. Im Themenfeld „Digitalisierte Arbeitswelt" finden sich Anknüpfungspunkte wie KI oder auch das Nutzen neuer Lernmedien.
- Überlegen Sie, welche Unterrichtsmethoden Sie einsetzen möchten und innerhalb dieser auf Chatbots als Lernmedium setzen (beispielsweise könnte dies die Stufe „Recherchieren im Modell der vollständigen Handlung“ sein). Erfahren Sie hier wie dies exemplarisch umgesetzt werden könnte: https://netzwerkq40.de/de/blog/modell-der-vollstaendigen-handlung-mit-chatgpt-umsetzen/
Chatbot-Einsatz in einer konkreten Unterrichtssituation (Mikrodidaktik)
- Überlegen Sie, welche Fachinhalte sich für einen explorativen Zugang im Unterricht eignen. Das Erarbeiten von Inhalten mit Chatbots schärft die kritische Medienkompetenz. Dies könnte beispielsweise das kritische Prüfen von Chatbot-Antworten sein. Hier finden Sie ein Video-Beispiel: https://youtu.be/_9sv7fxKRUo
Chatbot-Doing
- Überlegen Sie, wie Sie griffig in das Themas „Lernen mit Chatbots“ einführen.
- Erklären Sie, welche Fragen die Lernenden Chatbots stellen dürfen (z.B. Beachtung von Datenschutz, ethische Aspekte etc.)
- Erklären Sie, dass Chatbots für die User wie eine graue Box wirken. Wie genau die Algorithmen funktionieren ist unklar. Antworten können manipuliert sein.
- Antworten müssen interpretiert werden. Antworten klingen immer logisch, können aber falsch sein. Deshalb gilt - wie bei allen Internetrecherchen – Quellenkunde ist sinnvoll.
- Chatbots Trainieren. Bei falschen oder allgemeinen Antworten kann durch gezieltes Fragen der Chatbot trainiert werden. Dies heißt Promptengeneering und führt zu besseren Ergebnissen.
Medienpädagogische Aufklärung
- Nach dem Üben mit Chatbots im Unterricht sollten die Lernenden den Einsatz kritisch reflektieren?
- Was hat gut geklappt?
- Was ist schief gegangen?
- Welche Warnleuchten sehen die Beteiligten beim Lernen mit Chatbots?
Tipp
Sie müssen sich nicht auf einen Chatbot fokussieren, sondern können auch mehrere verschiedene einsetzen und mit den Lernenden die jeweiligen Ergebnisse reflektieren.
CC BY-SA 3.0 DE by Wolfgang König für wb-web (2023)