Angelika Gundermann Forschung quergelesen

Strategie ist die Lösung

Das Bild zeigt ein Schachspiel.

Schachspiel, (Bild: Dimitris Kilymis veröffentlicht unter https://www.flickr.com)
CC BY-NC-SA 2.0

Digitale Formate und Technologien sind schon lange angekommen in der Erwachsenenbildung. Allerdings eher unbemerkt und auch manchmal ungewollt – jedenfalls nicht gesteuert. Um gute Angebote zu erstellen, ist aber eine Strategie nötig, schreibt E-Learning-Spezialistin Claudia Bremer. Die Bildungsorganisation bestimmt letztendlich die Qualität der digitalen Angebote und muss diese Aufgabe bewusst angehen.

Einleitung

Der Beitrag behandelt das Thema auf drei Ebenen: Es geht zunächst um Möglichkeiten und Potenziale angesichts der digitalen Transformation. Im Anschluss werden Einsatzszenarien für digitale Medien und abschließend die für eine Umsetzung erforderlichen organisatorischen Maßnahmen vorgestellt.

Das Vorhandensein einer Strategie zum Umgang mit der digitalen Transformation in Bildungsorganisationen beurteilt die Forschung als unabdingbar. Zugleich gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die darstellen, wo Strategien bereits existieren, wie sie aussehen und wie sie wirken. Es wird eher angenommen, dass Einrichtungen der Erwachsenenbildung eher selten eine solche Strategie besitzen und verfolgen (vgl. Koschorreck und Gundermann 2021, S. 172f.).

Der hier vorgestellte Beitrag gibt Anstöße und Unterstützung für die Erstellung einer Strategie zur Digitalisierung in Bildungseinrichtungen.

Welche Relevanz hat das für die Erwachsenen- und Weiterbildung?

Vor Beginn der Corona-Pandemie wurden Entwicklungen hin zu digitalen Lehr- und Lernformaten durch eine in den Organisationen der Erwachsenenbildung vertretene pädagogische Präferenz für Präsenzveranstaltungen (z.B. Hinweis auf sozialen Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden) nur zögernd angestoßen. Zugleich fehlten bei den Lehrenden die Kompetenzen zur Umsetzung eines digitale(re)n Angebots, aber auch für eine Einschätzung des Nutzens (vgl. Bremer 2019, S. 76).

Aktuell ist klar, dass der „Reflexions- und Handlungsbedarf“, den Bremer in ihrem Beitrag bereits 2019 konstatiert (vgl. ebd.), durch die Auswirkungen der Pandemie auf den Sektor der Erwachsenenbildung weiter verschärft wurde. Der Beitrag bietet hier Orientierung für Bildungsorganisationen auf dem Weg zu digitalen Angeboten.

Worum geht es?

Bremer vertritt die Ansicht, dass der Einsatz digitaler Medien kein Selbstzweck sein darf; die Frage nach dem „Mehrwert“ muss beantwortet werden: „Bevor Fragen zum Einsatz digitaler Medien angemessen beantwortet werden können, ist also eine Reflexion des eigenen didaktischen Konzepts notwendig.“ (ebd., S. 78)

Was stellt der Beitrag vor?
Bremer unterscheidet drei E-Learning-Szenarien nach „Virtualisierungsgrad“:

AnreicherungskonzeptHerausforderungMögliche AnwendungenMehrwert
In Präsenzlehre werden digitale Medien ergänzend eingesetzt: Bereitstellung digitaler Unterlagen,
Einsatz digitaler Medien im Unterricht
AblenkungDigitale Mitschriften, Dokumentation, Online-Recherchen, Erstellen von digitalen Artefakten durch Teilnehmende, Kollaboratives Arbeiten an digitalen Dokumenten, Digitale Simulationen, Digitale Übungen, Audience Response Systeme, Bring Your Own Devicemehr Möglichkeiten eines aktivierenden Unterrichts, Bearbeitung von Material über mehrere Zeiteinheiten und Orte hinweg möglich, Visualisierungen und Interaktivität unterstützen kognitive Lernprozesse, mehr Motivation der Teilnehmenden
Technische Infrastruktur in der EinrichtungWLAN, Mobile Internetnutzung ermöglichen  
Integrationskonzept (Blended Learning)HerausforderungMögliche AnwendungenMehrwert
Konzept mit festgelegten online-Selbstlernphasen und Präsenzphasen,  Digitale Lehre integraler Bestandteil Bereitstellung allein nicht ausreichend, Aktivierung erforderlich

Videos/Texte, Simulationen, kollaborative Settings zur Vorbereitung auf die nächste Präsenzsitzung; Lernanlässe wie Quiz, Vorabfragen, Transferleistungen aktivieren Teilnehmende; in Präsenz Übungen, Rollenspiele, Versuche u.ä. zur Anwendung und Reflektion des erworbenen Wissens (Flipped/Inverted Classroom)

ODER Wissensvermittlung in Präsenz, Anwendung und Vertiefung in virtuell unterstützten Selbstlernphasen, z.B. e-Portfolios, Übungen mit automatisiertem Feedback; Peer-Review-Verfahren
Nutzung mobiler Endgeräte der Teilnehmenden

Wissenserwerb im individuellen Lerntempo der Teilnehmenden nach ihren Präferenzen; 
Flexibilisierung von Lernwegen, Zeiten und Vorlieben; neue Zielgruppen können erreicht werden; Angebotsspektrum kann erweitert werden
Virtualisierungskonzept (ausschließlich online)HerausforderungMögliche AnwendungenMehrwert
Komplette Online-Kurse über einen längeren Zeitraumverlangt von Teilnehmden viel Selbststeuerung bei Motivation, bietet wenig Möglichkeit zur Selbststeuerung bei Inhalten und StrukturBetreute/unbetreute Kurse, zeitgleicher oder individueller Start; mit oder ohne Interaktion zwischen TeilnehmendenEinrichtung erhält online Aufmerksamkeit; neue Zielgruppen, ohne Betreuung wenig Aufwand für Organisation;
Badges/Nanodegrees als Vorstufe für formale Abschlüsse

 

Bremer stellt die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der drei Konzepte detailliert dar. Dies ist wichtig für Einrichtungen, um absehen zu können, ob das entsprechende Konzept mit der eigenen Personal- und Technikinfrastruktur umgesetzt werden kann. Nicht jeder Mehrwert ist für jeden Bildungsanbieter interessant, auch dies kann bei der Entscheidung für ein Digital-Konzept wegweisend sein.

Neben der klassischen Zielgruppen- und Marktanalyse rät Bremer dazu, bei der Entscheidung über die Digitalisierung von Kursen auch die verfügbaren Ressourcen zu berücksichtigen. Letztlich gehe es um das Profil der Einrichtung, das auch für die Zukunft festgeschrieben wird (vgl. ebd., S. 89). Bremer empfiehlt die Erfassung des Status Quo in einer Tabelle, die für alle Kurse die Formate hinsichtlich ihres digitalen Anteils im Sinne der vorgestellten drei Konzepte darstellt. Auf dieser Grundlage kann die weitere Entwicklung mit der Festschreibung von Meilensteinen und Zeithorizonten festgeschrieben werden.

Bremer empfiehlt für den Prozess den Einbezug des pädagogischen Personals auf allen Ebenen (Planende, Kursleitende) sowie auch der im Management Tätigen. Erforderlich sind weiterhin die passende technische Infrastruktur und ggf. neue Geschäftsmodelle.  

Die Gestaltung der Rahmenbedingungen beim Weiterbildungsanbieter

Sollen digitale Medien für das Lehren und Lernen eingesetzt werden, steht über allem die Frage nach dem Mehrwert, denn die Planung und Realisierung digitaler Lehrangebote ist zunächst mit zusätzlichem Aufwand für die Einrichtung verbunden. Danach kann die Frage nach den passenden Formaten beantwortet werden. Sollen neue Kurse in digitaler Form entstehen oder bereits vorhandene „umgebaut“ werden? Soll es zu einem Thema zwei Kursformate geben? Neben den klassischen Marketinginstrumenten Markt- und Zielgruppenanalyse und einem Blick auf die Ressourcen (Personal, Ausstattung) kann die Planungstabelle, die Bremer im Beitrag anbietet, diesen Prozess steuern. Zudem weist sie auf weitere wichtige Schritte und begleitende Maßnahmen hin; dies reicht von Weiterbildungen für das pädagogische Personal über die technische Infrastruktur und Geschäftsmodelle für digitale Inhalte und die Gestaltung der Kursgebühren.

Wie schätze ich den Beitrag ein?

Der Beitrag bereitet nicht nur den Horizont für strategische Entscheidungen, sondern hilft auch bei der Planung konkreter organisatorischer Maßnahmen für die Schaffung digitaler Angebote in Weiterbildungseinrichtung.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Beitrag vor der Corona-Pandemie erschienen ist. Inzwischen haben viele Einrichtungen Erfahrungen mit digitalen Medien in Lernangeboten gemacht. Da diese „Spontan-Digitalisierung“ oft ungeordnet erfolgte, kann der Beitrag hilfreich sein zur Verstetigung und Ordnung der digitalen Strategie in der Bildungsorganisation.

Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass dieser Beitrag aus dem Jahr bei einigen Anwendungen bereits als veraltet angesehen werden muss. So sind Web Based Trainings aktuell nicht mehr wirklich innovativ. Hier zeigt sich wieder, wie kurzlebig Trends bei digitalen Lern- und Bildungstechnologien sind. Dies schmälert den grundsätzlichen Nutzen des Beitrags nur wenig; einzelne Anwendungen müssen mit aktuellen Tools ersetzt werden, die vorgestellten Konzepte haben aber Bestand.

Wo finde ich den Beitrag?

Bremer, C. (2019): Szenarien des Einsatzes digitaler Medien in Bildungsprozessen. Chancen und Herausforderungen für Weiterbildungseinrichtungen. In: Erik Haberzeth und Irena Sgier (Hg.): Digitalisierung und Lernen. Gestaltungsperspektiven für das professionelle Handeln in der Erwachsenenbildung und Weiterbildung. Bern: hep-Verl. (Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung. 8).

Literaturhinweis

Koschorreck, J., Gundermann, A. (2021). Die Bedeutung der Digitalisierung für das Management von Weiterbildungsorganisationen. In A. Wilmers, M. Achenbach, C. Keller (Hrsg.). Bildung im digitalen Wandel. Organisationsentwicklung in Bildungseinrichtungen, S. 161-192. Münster, New York: Waxmann. doi:10.31244/9783830994558.06

 

CC BY SA 3.0 DE by Angelika Gundermann für wb-web (16.12.2021), letztmalig geprüft am 07.03.2024


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