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OECD Bericht: Weiterbildung in Deutschland

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Die OECD veröffentlichte einen Bericht, der die Effektivität des Weiterbildungssystems in Deutschland dahingehend untersucht, wie es Individuen und Unternehmen auf die fortschreitenden Veränderungen in der Arbeitswelt vorbereitet. Damit verbunden sind konkrete Handlungsempfehlungen für das Weiterbildungssystem.

Die Corona-Pandemie unterbrach das Wirtschaftswachstum in Deutschland und zugleich bedingen Digitalisierung, demografischer und ökologischer Wandel einen beschleunigten Strukturwandel. Diese Entwicklungen verlangen ein zukunftsfähiges Weiterbildungssystem, um Menschen zu befähigen, sich auf die bevorstehenden Veränderungen einzustellen, um Wirtschaftsleistung und Lebensqualität zu sichern.

Deutschland liegt hinsichtlich der Beteiligung an Lernangeboten, die über die Erstausbildung hinausgehen, deutlich hinter anderen OECD-Ländern und variiert nochmals erheblich in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Dadurch verlieren die einzelnen Personen aber auch Unternehmen und die Volkswirtschaft Möglichkeiten, um die Chancen des Wandels zu nutzen.

Zwei zentrale Ergebnisse des Berichts sind:

  1. Die deutsche Weiterbildungslandschaft hat eine der komplexesten Governance-Strukturen im OECD-Raum, der von Dezentralisierung, Föderalismus, Pluralismus, Anbieterwettbewerb und Selbstverantwortung geprägt ist. Diese Strukturen stellen einerseits eine große Stärke dar, weil so den Anforderungen auf individueller und organisatorischer Ebene und auf Ebene der (regionalen) Arbeitsmärkte reagiert werden kann. Andererseits bringt das System große Koordination- und Kooperationsanforderungen mit sich, z.B. bei der Suche und Auswahl qualitativ hochwertiger Weiterbildungen und der Weiterbildungsförderung.
  2. Große Fortschritte werden Deutschland bei der Identifizierung und Inangriffnahme wichtiger Maßnahmen zur Verbesserung der Zukunftsfähigkeit wie etwa der Entwicklung von Ansätzen für die Validierung von nicht-formalen und informellen Lernen, die Einführung von Teilqualifikationen oder die Förderung von wissenschaftlichen Weiterbildungsmöglichkeiten attestiert. Jedoch fehlt diesen häufig ein übergreifender und systematischer Ansatz und haben teilweise projektartigen Charakter. „Eine höhere Effektivität, Effizienz und Chancengleichheit des deutschen Weiterbildungssystems kann nur durch die grundlegende Umstrukturierung zentraler Aspekte des Systems und eine deutliche Komplexitätsreduktion erreicht werden“ (vgl. S. 11), ist in der Zusammenfassung des Berichts zu lesen.

Gewürdigt wird in diesem Zusammenhang die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS), die einige der Herausforderungen in Angriff nimmt. Sie wird als wichtiger Schritt zu mehr Koordination und Zusammenarbeit in Weiterbildungspolitik angesehen.

Folgende Handlungsempfehlungen werden formuliert:

Verbesserung der Governance-Strukturen in der Weiterbildung

Das Papier empfiehlt, die Zusammenarbeit der Akteure im Kontext der NWS zu vertiefen und die Fortführung über 2021 hinaus bei gleichzeitiger Erhöhung des Ambitionsniveaus der Strategie festzulegen. Es sollte weiterhin ein deutsches Weiterbildungsgesetz entwickelt werden, welches einen gemeinsamen bundesweiten Rechtsrahmen sichert. Darüber hinaus wird die Einführung und Ausgestaltung von Mindestqualitätsstandards für Weiterbildungsanbieter zur Erhöhung der Transparenz für Teilnehmende und Unternehmen empfohlen.

Systematische Herangehensweise an Beratung, Validierung und Teilqualifikation

Es soll eine nationale Initiative zur Weiterbildungsberatung eingerichtet werden. Diese soll bestehende Angebote vernetzen und optimieren, regionale Angebotslücken schließen und eine (online) Beratung unter einheitlicher Marke anbieten. Teilqualifikationen als fester Strukturbestandteil der deutschen Weiterbildungslandschaft sollen durch flächendeckende Verfügbarkeit und Standardisierung etabliert werden. Weiterhin wird empfohlen, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die die Zusammenhänge von Beratung, Validierung und Teilqualifikation systematisiert.

Erweiterung der Finanzierung und Bündelung finanzieller Anreize

Die Bündelung finanzieller Anreize und das Schließen von Finanzierungslücken durch einheitliche Anreizsysteme wird ebenso empfohlen wie die Einführung einer bundesweiten Regelung für Bildungszeiten. Vorhandene Möglichkeiten, Bundesinvestitionen für Weiterbildung in die Länder zu lenken, sollen genutzt werden. Darüber hinaus wird die Erhöhung der Gesamtinvestitionen in Weiterbildung und die mittelfristige Prüfung zusätzlicher Finanzierungsmöglichkeiten angeregt.

Erwachsene mit geringen Grundkompetenzen für die Weiterbildung gewinnen

Eine Bund-Länder-Initiative für Erwachsene mit geringen Grundkompetenzen soll entwickelt werden. Die mögliche Aufstockung des Arbeitslosengeldes und progressive finanzielle Anreize für Arbeitnehmer*innen werden als Möglichkeiten angesehen, diese Zielgruppe zu adressieren. Arbeitsplatzbezogene Beratungs- und Mentoringprogramme werden als weitere Optionen genannt, diese Zielgruppe zu aktivieren.

Die im Bericht geäußerten Ansichten stellen keine offizielle Position der Mitgliedsländer dar.

Der gesamte Bericht (englisch) kann auf der Seite der OECD-iLibary käuflich erworben werden.

Eine deutschsprachige Zusammenfassung finden Sie kostenfrei hier.

Quellenangabe

OECD (2021): Continuing Education and Training in Germany, Getting Skills Right, OECD Publishing, Paris,  https://doi.org/10.1787/1f552468-en .

 

CC BY SA 3.0 von Lars Kilian (April 2021) für wb-web


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