Katrin Gildner Blog

Medienmythen unter die Lupe genommen

„Mit E-Learning wird nicht automatisch alles gut“ – Prof. Dr. Thomas Strasser beleuchtet gängige Mythen rund um digitales und multimediales Lernen und Lehren.

Ein Mann hält eine Smart Watch und ein Smartphone vor sich und zahlreiche Icons werden abgebildet die von einem Grät zum anderen schweben

Medienmythen unter der Lupe. Thomas Strasser geht ihnen auf den Grund (Bild: Dariusz Sankowski/pixabay.com, CC0).

Thomas Strasser ist Professor für Fremdsprachendidaktik und technologieunterstütztes Lehren und Lernen an der Pädagogischen Hochschule Wien. Bei der 5. DaFWEBKON widmete er sich in seinem Überblicksvortrag den häufigsten Mythen beim Lernen und Lehren mit digitalen Medien. Als Ausgangspunkt dient dabei die letzte PISA-Studie, die keinen merklichen Leistungsvorteil durch E-Learning nachweisen konnte. Guter Unterricht könne durch E-Learning gestärkt, schwacher Unterricht jedoch nicht „ersetzt“ werden, so die Verfasser der Studie.

 „So einfach kann man es sich nicht machen“, wendet Strasser jedoch ein und weist auf Situationen hin, in denen Technologie auch schwachen Unterricht kompensieren kann. Der Mediendidaktiker warnt davor, das Fazit der PISA-Studie als Vorwand zu nutzen, sich dem Einsatz von Medien und E-Learning im Unterricht zu versperren.

Den häufigsten Mythen, die rund um den Medieneinsatz im Lehrkontext kursieren, geht Strasser daher auf den Grund:  

„Was neu ist, ist auch automatisch gut“

Das Befolgen von Technik-Trends sieht Strasser kritisch. „Hochglanz-Technologie“ und „Bling-Bling“ brauche man für den Unterricht nicht, so der Professor. Die Lern- und Lehrziele sollten im Fokus stehen: „Es geht nicht um die Technologie per se, sondern um das methodisch-didaktische Rüstwerk und die methodisch-didaktische Expertise.“

„E-Learning ist nur etwas für Digital Natives“

Den Begriff der Digital Natives weist Strasser zurück. Das Alter entscheidet nicht, ob eine Person kompetent mit Medien umgehen könne oder nicht. Entgegen der Meinung vieler Lehrkräfte beherrschen Schülerinnen und Schüler nicht automatisch jede App oder jedes Gerät. Vor allem bei Sicherheitseinstellungen oder spezifischen Tools brauchen sie kompetente Hilfestellung, meint Strasser. 

„E-Learning spart Zeit“

Auch die Annahme, dass Technikeinsatz Zeit einspart, weist Strasser zurück. Im Gegenteil: Lehrkräfte müssen Zeit investieren, um die Bedienung der Tools zu erlernen. Außerdem könne es immer wieder zu frustrierenden Situationen kommen, die die Lehrerinnen und Lehrer überwinden müssen.  

„Medien hemmen die Kommunikation“

Ein beliebter Mythos besagt, dass durch die omnipräsenten Smartphones die analoge Kommunikation ausstirbt. Um diesen Mythos zu widerlegen, zeigt Strasser zwei Fotos: Das erste, gegenwärtige, zeigt eine Gruppe von Menschen an einem Bahngleis. Bis auf einen Mann sind alle Wartenden mit ihrem Smartphone beschäftigt. Auf dem zweiten, einige Jahrzehnte älteren Bild sieht man die Passagiere einer Straßenbahn oder eines Busses, die fast ausnahmslos eine Zeitung oder ein Buch lesen und ebenfalls nicht mit ihren Mitfahrerinnen und Mitfahrern kommunizieren.

Der Professor zeigt so, dass es sich dabei keineswegs um ein neues Phänomen handelt, das erst seit der Verbreitung von digitalen Medien existiert: „Würden Sie auch ohne Smartphone an einer U-Bahn-Station generell eine Person anreden?“ Ein Smartphone polarisiere lediglich mehr als das gedruckte Wort, so Strasser, und rufe daher die unbegründete Angst um den Wegfall der analogen Kommunikation hervor. 

„Medien werden passiv konsumiert“

Medien sollten von Lernenden nicht ausschließlich rezipiert werden, fordert Strasser, sondern auch selbstständig produziert. Dafür müssen den Lernenden neue Kompetenzen vermittelt werden, zum Beispiel wie man Inhalte strukturiert oder seine Privatsphäre schützt. 

„Handys haben im Klassenzimmer nichts verloren“

An vielen Schulen herrscht ein Handyverbot. Lehrerinnen und Lehrer sehen es nicht gerne, wenn sich die Lernenden während der Unterrichtszeit mit ihren privaten Smartphones und Tablets beschäftigen. Strasser prognostiziert jedoch, dass im Klassenzimmer der Zukunft das Lernen mit Hilfe von Technologie örtlich und zeitlich „entgrenzt“ wird. Smartphones und Tablets der Lernenden sollen nach dem Bring your own device-Prinzip in Lernprozesse eingebunden werden. Sprachenlernen findet schließlich nicht nur im Klassenzimmer statt. Bringt man den Lernenden bei, wie sie ihre eigenen Geräte zum Wissenserwerb einsetzen können, verlagert sich das Lernen aus dem Klassenzimmer heraus in Freizeit und Alltag.  

E-Learning in die Curricula

Im Sinne des lebenslangen Lernens spielen Medienkompetenzen in jedem Alter eine Rolle. Strasser fordert deshalb Bildungsinstitutionen auf, von der Grundschule bis zur Universität an einem Strang zu ziehen und E-Learning in die Curricula einzubinden.

Lehrende ermuntert er, „Rebell“ zu sein und neue Dinge zu wagen und Technologien auszuprobieren. In Anlehnung an spanische Tapas, die in kleinen Portionen serviert werden, schlägt Strasser den Begriff der E-Tapas vor, also der „Technologisierung in kleinen Dosen“.

Die Aufzeichnung des vollständigen Vortrags können Sie auf der  Website der DaFWEBKON abrufen oder im Folgenden ansehen.

DaFWEBKON 2016: Medienmythen - Thomas Strasser


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