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Drei Fragen zur Nationalen Bildungsplattform

Die Grafik zeigt eine positive Geschäftsentwicklung als Chart.

Unternehmensentwicklung (Bild: Gerd Altmann, Pixabay  License, Unternehmer Idee Kompetenz - Kostenloses Foto auf Pixabay)

Nach den ersten Veröffentlichungen zu der geplanten Metaplattform im Jahr 2019 wurde es ruhig um Milla (Modulares, Interaktives Lebensbegleitendes Lernen für Alle). Teils harsch kritisierten Vertreter aus Gewerkschaft, Verbänden und Wissenschaft seinerzeit das Vorgehen und die Begrenzung auf die berufliche Bildung. Ende April 2021 wurde nun die Richtlinie für die Beantragung von Förderanträgen zur Entwicklung von Prototypen der Nationalen Bildungsplattform als Metaplattform ausgeschrieben. Diese wird thematisch breiter angelegt und umfasst alle Bildungsbereiche. Sie soll einen individuell und gleichzeitig übergreifend nutzbaren digitalen Zugang zu innovativen Lehr- und Lernformaten schaffen. Als technisches und regulatives Ökosystem vernetzt sie digitale Bildungsangebote und stellt einen Rahmen für eine Lehr-Lern-Infrastruktur mit zusätzlichen Funktionalitäten und Services.

630 Millionen Euro aus dem Deutschen Aufbau- und Resilienzplan sind für die Finanzierung des Bereiches „Digitaler Bildungsraum – Nationale Bildungsplattform“ vorgesehen. Hinzu kommen 35 Millionen, die im BMBF-Innovationswettbewerb INVITE für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben für die berufliche Weiterbildung eingesetzt werden.

Für wb-web beantwortet Dr. Lutz Goertz, mmb Institut GmbH, drei Fragen zur zukünftigen Entwicklung der Bildungsangebote, Vorschlagssysteme von Bildungsplattformen und seine Erwartungen die Entwicklung von Bildungsplattformen und die Anbindung einer Metaplattform.

Ziele der Nationalen Bildungsplattform

Im Rahmen der Initiative Digitale Bildung gibt das BMBF für die Entwicklung der Nationalen Bildungsplattform drei Förderziele vor:

  1. Entwicklung digital gestützter Bildungsangebote, die mit Blick auf die Bedarfe der Nutzer die Vernetzungsfunktionen der Nationalen Bildungsplattform verwenden. Hierzu können bestehende und/oder neue Curricula sowie Lehr- und Lernangebote herangezogen bzw. entwickelt werden. (Ziel 1)
  2. Lehrende aus allen Bildungssystemen sollen bei der Entwicklung der eigenen Digitalkompetenz und der Verbesserung ihres Methodenwissens mittels digitaler Lehr- und Lernszenarien unterstützt werden. (Ziel 2)
  3. Die Nationale Bildungsplattform wird Teil einer verteilten Serviceinfrastruktur. Es sollen Prototypen für eine Metaplattform entwickelt werden, denen ein einheitliches Regelwerk zugrunde liegt. (Ziel 3) (BMBF 2021)

Daneben, eingebettet in die Initiative Digitale Bildung, wurden vier weitere Handlungsfelder festgelegt: die Ausstattung von Lernorten, die Kompetenzen von Lehrenden, zeitgemäße Inhalte, Methoden und Werkzeuge, sowie ein Forschungsschwerpunkt im „Rahmenprogramm empirischer Bildungsforschung“.

wb-web: Die Pandemie hat in dem vergangenen Jahr zu einem Schub in der Digitalisierung geführt, aber auch einen Keil in die Weiterbildungslandschaft getrieben und brutal Defizite offengelegt. Dort, wo Digitalkompetenzen fehlten, besteht nach wie vor die Gefahr, dass die Personen, seien es Lehrende oder Lernende, abgehängt werden. Darüber hinaus musste die Weiterbildungsbranche durch Ausfälle starke Verluste hinnehmen. Der Wunsch nach einer Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen ist allgegenwärtig. Welche Strukturveränderungen erwarten Sie? Kann ein hybrider Ansatz die Lösung sein? Wie können Akzeptanz und Interesse für Digitalkompetenzen bei Personen, Lehrende und Lernende, geweckt werden? Welche Hilfsangebote benötigen sie?

Goertz: Ja, es wird voraussichtlich in der Weiterbildung mehr hybride Veranstaltungen geben, d.h. auch nach der Pandemie wird der Online-Anteil des Lernens in vielen Veranstaltungen eine große Rolle spielen.

Wie groß der Online-Anteil ausfällt, wird sicherlich von der Zielgruppe und von den Themen der Weiterbildungsangebote abhängen. Es gibt Zielgruppen, denen Präsenz sehr wichtig ist und gerade für diese sollten reine Präsenzangebote auch erhalten bleiben. Es gibt auch Kursinhalte, die online nicht funktionieren. Ich denke da an sportliche Angebote, wie beispielsweise Tanzkurse.

Ebenfalls wird es Zielgruppen geben, denen es sehr entgegenkommt, den Online-Anteil zu erhöhen. Das sind zum Beispiel Leute, die aus Mobilitätsgründen die Bildungsangebote von zu Hause aus verfolgen müssen, da sie beispielsweise keine Möglichkeit haben, abends mit dem Bus aus der Stadt zurück an ihren Wohnort zu kommen oder die an einen Rollstuhl gebunden sind. Andere können, aufgrund ihres Büroalltags und des Home-Office, Online-Angebote wie Webinare selbstverständlicher nutzen.

Für die Lehrenden bedeutet dies, entsprechende Kompetenzen zu erwerben, um Hybrid-Veranstaltungen anzubieten. Da gibt es aber mit Sicherheit während der Corona-Pandemie schon erste Erfahrungen. Aber es ist sinnvoll hierfür bei den Weiterbildungsinstitutionen auch Schulungsmöglichkeiten anzubieten, um Lehrenden die Kompetenzen beizubringen, die sie benötigen. Es ist wichtig, digitales Lernen auch für Lehrende, die bisher reinen Präsenzunterricht angeboten haben, attraktiv zu machen. Bei der Umstellung auf hybride Angebote sollte im Vordergrund stehen, dass digitale Angebote auch Arbeit ersparen und nicht noch mehr Arbeit verursachen.

 wb-web: Um den Servicegedanken mit dem Vorschlagssystem für relevante anschlussfähige Bildungsangebote und deren Vergleichbarkeit in allen Bildungsbereichen zu vertiefen, stellt sich die Frage nach bildungsbereichsübergreifenden Standards. Wer definiert diese und wie sollen diese in die Umsetzung einfließen, zum Beispiel in Lernpfade?

Goertz:  Vorschläge für Bildungsangebote, die in dem Augenblick eingeblendet werden, wenn man gerade eine Lernlektion oder einen Text beendet hat, sind natürlich eine tolle Idee und ja auch schon vielfach  realisiert worden. Oftmals handelt es sich dabei um eine vorgefertigte Liste von weiteren Angeboten, die genau für diesen Fall zu einem früheren Zeitpunkt definiert worden ist.

Es kommen aber auch immer mehr Systeme und Lernangebote auf dem Markt, die diese Vorschläge KI-gestützt ermitteln. Das klappt mehr oder weniger gut. Nicht in allen Fällen ist das eine lernende KI, die mit jedem Vorschlag und jeder Annahme eines Vorschlags etwas „schlauer“ wird. Gerade deswegen ist es natürlich auch wichtig, über Standards hierfür nachzudenken.

Ein Beispiel: Im Falle von Videoportalen hat sich ein Standard von selbst entwickelt. YouTube ist die dominierende Plattform. Das bedeutet allerdings auch, dass YouTube ein weltweites Monopol auf Videos und auf Vorschläge für Videos hat. Ein solches privatwirtschaftliches Plattform-Monopol möchten wir in der Landschaft der Lernangebote möglichst vermeiden. Deswegen ist es nötig, hier gemeinsam mit allen Markt-Playern  über Standards nachzudenken.

Im „Innovationswettbewerb INVITE“ des Bundesbildungsministeriums denken die beteiligten Projekte über solche Standards nach, identifizieren bereits vorhandene Lösungen und suchen nach Verfahrensweisen, die sich für unterschiedliche Angebote der beruflichen Bildung eignen. Standards müssen natürlich nicht nur für Content-Vorschlagssysteme eingeführt werden. Sie sind an vielen Stellen im Lernprozess sinnvoll und auch darüber denken wir im Innovationswettbewerb INVITE nach.

wb-web: Welche Erwartungen und Hoffnungen haben Sie in Bezug auf die Metaplattform? Wie wird sich das Weiterbildungsgeschehen in Deutschland mit dieser Plattform verändern?

Goertz:  Es gibt ja im Moment verschiedene Vorhaben, die sich mit übergeordneten Lernplattformen beschäftigen. Gaia X ist zum Beispiel eine. Auch der KI Campus, der vom BMBF gefördert wird, ist eine Initiative, ein zentrales Bildungsportal aufzubauen, in diesem Fall für das Thema künstliche Intelligenz.

Auch INVITE zählt dazu ebenso so wie das Vorhaben einer „Nationalen Bildungsplattform“ des BMBF für alle Bildungssektoren, das gerade gestartet ist. Bei diesen beiden Vorhaben bin ich optimistisch, dass sie zu einem Anker für das Bildungssystem ganz allgemein werden könnten.

Es wäre schön, wenn wir soweit kämen, dass man bei der Erstellung von digitalen Lerninhalten von vornherein überlegt, ob sie zu diesen Plattformen kompatibel sind. Da gibt es natürlich jetzt viele Weichen zu stellen, damit diese Zugänge zu vielfältigen Lernangeboten auch für Anbieter attraktiv genug sind – dies betrifft die Verbreitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten ebenso wie die Aufwände, die Angebote mit dieser Plattform zu verknüpfen. Diese sollten möglichst niedrig sein und keine Doppelarbeit – zusätzlich zum eigenen Angebot des Content-Produzenten – erfordern.

Umgekehrt muss es natürlich auch für Lernende attraktiv sein, sich in eine nationale Bildungsplattform einzuloggen, um sich von dort aus Lerninhalte zu erschließen. Wenn wir auf beiden Seiten bei den Lernenden und den Anbietern eine kritische Masse zusammen bekommen, dürfte eine solche nationale Bildungsplattform sehr gut funktionieren, aber bis dahin ist es sicherlich noch ein langer Weg. 

Dr. Lutz Goertz  leitet seit 2016 den Bereich  Bildungsforschung im mmb Institut - Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung mbH.


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