Blog

Wie unterstützt Ihre Einrichtung den Einstieg in die ehrenamtliche Sprachbegleitung

Das Bild zeigt eine Situation eines Einstufungstests.

Einstufungstest, DAMF. CC BY SA 3.0 DE

Gudrun Schlosser, Caritas Bildungszentrum Wien, und Rico Ehren, Mitbegründer von DAMF Dresden, geben Einblick, wie ihre jeweilige Organisation mit dem Thema „Einstieg ins Ehrenamt“ umgeht.

 Beide Einrichtungen verbindet, dass ihre freiwilligen Helfer Deutschkurse für Asylwerber, die noch keinen staatlichen Anspruch auf Deutschunterricht haben, anbieten. Sie unterscheiden sich dadurch, dass DAMF eine relativ junge Initiative ist (gegründet 2012), während die Deutschlernangebote der Caritas als „kleines Rädchen“ im Kontext einer sehr umfassenden, ausgereiften karitativen Organisation (gegründet 1900) zu sehen sind. Beide Auskunftgeber haben im Blick, dass ihre Ehrenamtlichen einer frontalen Kurssituation ausgesetzt sind.

Kann jeder Sprachbegleitung machen?

„Das Ehrenamt ist geprägt von der großen Heterogenität der Engagierten und sollte es aus meiner Sicht auch bleiben - also ja, jeder kann sich an der ehrenamtlichen Sprachbegleitung beteiligen“, meint Rico Ehren von der Initiative DAMF. „Jedoch sollten die Ehrenamtlichen dazu bereit sein, sich in unterschiedlichen Formen auf ihre Rolle als Sprachbegleiter oder Sprachbegleiterin vorzubereiten.“ In der Caritas verfolgt man bei den Deutschkursen einen selektiveren Ansatz. So werden nach Gudrun Schlosser vorwiegend nur „Personen mit pädagogischem oder sogar DaF-DaZ-Hintergrund“ zum Erstgespräch eingeladen. Mitbringen sollte man zudem „hohe Frustrationstoleranz, pädagogisches Geschick, Empathie und ein Grundverständnis für die Lebenssituation der Asylbewerber/innen.“

Was ist das Wichtigste zu Beginn?

Rico Ehren findet, zu Beginn sei es am wichtigsten, „Empathie zu zeigen und die Tätigkeit als Sprachbegleiter_in wirklich machen zu wollen. Zu diesem wichtigen ersten Schritt gehört auch eine Sensibilisierung für die Zielgruppe unserer Lernerinnen und Lerner.“ Gudrun Schlosser beantwortet diese Frage im Hinblick darauf, was ihre Organisation leisten muss: Sobald Ehrenamtliche signalisieren, dass sie bereit sind, ein Semester lang regelmäßig ein- oder zweimal pro Woche einen Deutschkurs zu leiten, unterstützt ihre Einrichtung diese Absicht durch 

  • ein ausführliches Erstgespräch, in dem Motivation, Erwartungen, Möglichkeiten und die Kursgegebenheiten (mit ausführlichem Teil über die Besonderheit der Zielgruppe der Asylwerberinnen und  Asylwerber) besprochen werden, sodass der potenzielle Kursleiter für sich und wir für uns entscheiden können, ob der Bedarf mit den persönlichen Voraussetzungen zusammen passt;
  • Begleitung und Unterstützung bei den ersten Schritten im Kurs;
  • Feedbackschleifen nach ein oder zwei Kursterminen;
  • eine Ansprechperson (Freiwilligen-Koordinatorin) für alle anfallenden Fragestellungen bezüglich Unterrichtsinfrastruktur, Problemstellungen durch Kursteilnehmernden und Unterrichtsfragen und Einleitung von Lösungen oder Weiterleitung an zuständige Stellen;
  • Unterrichtsinfrastruktur, Kursraumausstattung sowie durch Zurverfügungstellung einer Vorauswahl von Lehrmaterialien (die Lehrenden entscheiden jeweils selbst, was sie einsetzen möchten). 

Wie wichtig sind  Grammatikkenntnisse? Wie wenig ist genug?

Gudrun Schlosser: „Deutsch sollte auf Muttersprachen-Niveau beherrscht werden und die Voraussetzung ist, sich mit der Grammatik, den Regeln der Grammatik und der Didaktik auseinandersetzen zu wollen. In Kursen mit zwei Ehrenamtlichen übernimmt manchmal auch die grammatikalisch versiertere Person diesen Teil.“ Ähnlich sieht das Rico Ehren: „Explizite Grammatikkenntnisse sind keine Voraussetzung für die Tätigkeit als Sprachbegleitende. Jedoch sollte man bereit sein, sich nach und nach (passend zu den Themen des eigenen Unterrichts) in grammatische Phänomene des Deutschen einzuarbeiten.“

Gibt es Qualitätssicherung?

In der Caritas erreicht man Qualitätssicherung durch

  • Hospitation, Feedback und  Austausch mit der Koordination und unter den freiwilligen Lehrkräften (ab Ende  Wintersemesters 2016/17 auch mit hauptamtlichen Lehrkräften);
  • (unregelmäßige) Umfragen unter den Freiwilligen und unter den Kursteilnehmenden, in denen auch die Zufriedenheit und die Unterrichtsqualität abgefragt wird;
  • kostenlose Fortbildungsmöglichkeiten auf freiwilliger Basis.

Da bei DAMF zunächst kein pädagogischer oder DaF/DaZ-Hintergrund vorausgesetzt wird, nimmt DAMF die Qualifizierung der Ehrenamtlichen selbst in die Hand durch

  • Workshops,
  • Weiterbildungen,
  • Hospitationen bei anderen Lehrkräften sowie
  • fortlaufende Reporting-Prozesse und Erfahrungsaustausch mit anderen.

Das Bild zeigt eine Lerngruppe in einem Klassenraum.

„Zu Beginn der Qualifizierung bei DAMF steht ein eintägiger Workshop zu Grundlagen von Migration, Flucht und Asyl sowie DaF/DaZ.“
DAMF, CC BY SA 3.0 DE 

Gibt es einerseits ausreichend Sprachbegleitende und andererseits – wird es genug Geflüchtete oder Migrantinnen und Migranten geben, die Deutschkurse von Freiwilligen besuchen wollen?

Gudrun Schlosser: „Die Nachfrage war bis zum Herbst 2016 sehr groß, sodass wir nie alle Interessierten unterbringen konnten. Seit dem Wintersemester 2016/2017 bemerken wir, dass die Nachfrage etwas kleiner wird, wahrscheinlich aufgrund der veränderten politischen Situation (weniger Einreisen, ...) und aufgrund von staatlichen Angeboten. Das wird sich auch in den nächsten zwei Jahren vermutlich weiter in diese Richtung bewegen und unser Angebot möglicherweise etwas verändern. Genaueres ist noch nicht absehbar.“

Rico Ehren: „Es existieren unterschiedlichste Angebote ehrenamtlicher Sprachbegleitung, die von Geflüchteten unterschiedlich wahrgenommen und auch angenommen werden. Ich sehe in den kommenden zwei Jahren weiterhin die Notwendigkeit einer ehrenamtlichen Sprachbegleitung, jedoch nicht in ausschließlicher Form von Deutschkursangeboten, sondern auch als flankierende Angebote zu Lernangeboten staatlicher Träger sowie spezifische Angebote (bspw. den Berufseinstieg begleitendes Sprachlernern).“

Reality Check: Im Rahmen des Projekts „Sprachbegleitung einfach machen!“ haben sich Kooperationspartner bereit erklärt, begleitend zu den Themen des Dossiers ad hoc und mit wenigen Sätzen auf E-Mail-Fragen zu reagieren, um die Stimme der aktuellen Praxis einzubringen. In diesem Beitrag bedanken wir uns bei: 

Deutschkurse Asyl Migration Flucht (DAMF)

DAMF bietet in Dresden 30 Kurse mit 100 Ehrenamtlichen für 300 Lernende (Jahresbeginn 2017). Rico Ehren ist Lehramtsstudent, ehrenamtlicher Sprachbegleiter und Ansprechpartner der Arbeitsgruppe Didaktik. Die Initiative DAMF arbeitet ihrem Verständnis nach auf ihre eigene Abschaffung hin: Wir wünschen uns einen Zustand, in dem staatliche Kurse die Deutschvermittlung für Geflüchtete übernehmen und wir nur noch für flankierende Angebote benötigt werden (= Mentoring, Nachhilfe). Mehr Inforamtionen über DAMF finden Sie hier.

Deutschkurse im Caritas Bildungszentrum Wien (CarBiz)

Im CarBiz Wien werden seit gut zehn Jahren Freiwilligendeutschkurse für Geflüchtete angeboten. Aktuell sind es 13 Kurse von Niveaustufe A1-B1 mit 18 fixen ehrenamtlichen Kursleitenden für ca. 130 Deutschlernende. Gudrun Schlosser schätzt als Freiwilligenkoordinatorin insbesondere die Stabilität einer Gruppe und sieht darin einen wesentlichen Qualitätsfaktor. Mehr zu Caritas und den vielfältigen Unterstützungsaktivitäten für Geflüchtete finden Sie hier.

CC BY-SA 3.0 DE by Lotte Krisper-Ullyett für wb-web (2017), letzte Prüfung von Lars Kilian (2023, fehlerhafte Links entfernt)
 


Das könnte Sie auch interessieren

Bildungsarbeit mit erwachsenen Flüchtlingen

Das Bild zeigt mit einer Weltkarte bemalte Hände vor einem Wolkenhimmel.

Erwachsenenbildung als Flüchtlingshilfe:  Volkshochschulen, Anbieter von Sprachkursen, Bildungsberatungsstellen –  Einrichtungen der Erwachsenenbildung sind mit der großen Zahl neu angekommener Menschen direkt konfrontiert. Geht es um Ansätze zur Integration, fallen immer wieder die Stichworte „Sprache“ und „Bildung“ als Schlüssel für ein schnelles und sozialverträgliches Ankommen der Menschen in der neuen Umgebung. Wie reagieren die Akteure der Erwachsenenbildung auf diese Herausforderung? Welche Lösungsansätze haben Sie bereits entwickelt? Und wie sieht die Situation in der Praxis, in den Einrichtungen aus? wb-web versucht einen Überblick.

Zum Dossier