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Herausforderungen beim Einstieg in die ehrenamtliche Sprachbegleitung

Das Bild zeigt keimende Kaffeebohnen.

Kanai Coffee Company (Christian Joudrey / Unsplash, CC0)

Wenn man darüber nachdenkt, in die ehrenamtliche Sprachbegleitung Deutsch einzusteigen, sollte man sich im klaren sein: Möchte man Einzelpersonen individuell begleiten oder größere Kursgruppen unterrichten? Was sind die größten Herausforderungen und wie kann man sie bewältigen? In der Facebook-Gruppe „Sprachbegleitung einfach machen!“ wurde begleitend zum Start des Dossiers das Thema „Herausforderungen beim Einstieg ins Ehrenamt“ reflektiert. Die wesentlichen Argumente sind hier als Collage zusammengestellt.

Herausforderung Kursleitung

Eine Facebook-Teilnehmerin beschreibt in besonders kompakter Weise ein typisches Szenario freiwilliger Deutschlernkurse: 

Szenario
„Ich wollte helfen und als Volksschullehrerin und Lehrerin für frühe sprachliche Bildung auch gerne ausprobieren, wie es ist, Erwachsene zu unterrichten. Ich habe über eine Bekannte Kontakt zu einer Sprachlehrerin hergestellt, die in einem Containerdorf für geflüchtete Menschen A1 und A2 Kurse hielt. Ich wurde freudig aufgenommen und mir wurde gesagt ich solle Alphabetisierungskurse halten für ca.7 Männer, damit diese bald in den A1 Kurs wechseln könnten.“


Herausforderung
„Größte Herausforderung für mich war, dass ich nie wusste, wer und wie viele tatsächlich kommen. Es waren immer 10 bis 20 Leute da, unterschiedliche Niveaus und Vorbildung, teilweise in ihrer Sprache nicht alphabetisiert, teilweise sind auch Leute gekommen, von welchen ich wusste, dass sie schon im A1 Kurs sitzen…“


Was geholfen hat
„Ohne pädagogische und didaktische Grundausbildung hätte ich es, ehrlich gesagt, nicht geschafft. Ich habe viel Material verwendet, in Gruppen arbeiten lassen und mir schon Fortgeschrittenere "geschnappt" und sie als Helfer engagiert.“

 

Was geholfen hätte
„Geholfen hätte mir

  • eine straffe Organisation,
  • fixe Kurseinteilung,
  • Möglichkeiten zum Ausdrucken oder schnellen Kopieren,
  • ein Kästchen für meine Materialien,
  • eventuell ein minimaler Kursbeitrag für die Teilnehmer, den sie nach regelmäßigem Besuchen wieder zurückerhalten,
  • Kursbücher für alle, die angemeldet sind, etc.“

Was sie trotz fehlender organisatorischer Hilfe motiviert hat
„Die größte Motivation für mich war die ungebrochene Motivation einiger Teilnehmer!“ 

Weitere genannte Bewältigungsstrategien

 
Weiterbildung und Vernetzung
Geholfen haben mir neben Weiterbildungen vor allem Gespräche mit anderen Ehrenamtlichen zum Erfahrungsaustausch.“

 

Einzelbegleitung und Humor
„Mit dem Kennenlernen der Einzelpersonen, ihrer Sprachgewohnheiten, Wissenslücken, Verständnismöglichkeiten weiß man irgendwann, wer was versteht und wie man etwas erklären muss, damit es diese besondere Person versteht. Die Unterschiede sind immens, aber es entstehen viele lustige Momente. Einzelkontakte ermöglichen auch passgenaues Üben je nach Lebenslage und Anforderungen von außen.“ 

 

 

Wortschatztraining und gleiche Augenhöhe
„Frontalunterricht ist nicht mein Ding. Ich unterhalte mich einfach mit den Lernenden (Wortschatz), wobei ich fast permanent auch 'mit Händen und Füßen' rede, und lasse bei Bedarf grammatische Erklärungen einfließen, meist auch schriftlich. Die beiden Syrer, die ich zurzeit betreue, bestätigen mir, dass es ihnen so am meisten bringt. Psychologisch hilfreich ist auch, dass ich gleichzeitig ein bisschen Arabisch von ihnen lernen möchte und wir insofern alle gleich 'dumm' sind.“
„Es ist mir wichtig, dass diese erst mal einen Wortschatz beherrschen, mit dem sie in ihrem Alltag weiterkommen. So lernen sie z.B. Körperteile kennen und bestimmte Krankheitssymptome benennen, damit sie sich beim Arzt verständlich machen können. Genauso wichtig ist die Uhrzeit, Termine vereinbaren oder beim Einkauf nach Preisen oder Hilfe fragen zu können.“

 

 

Angst vor Grammatik nehmen
„1. Keine Angst vor Fehlern - die meisten Deutschen können es ja selber nicht! Beispiel-Fundgrube: Facebook.
2. Regeln nicht vorkauen, sondern selber erschließen lassen; dann merkt man sie sich besser! Beispiel: die Kindheit, die Blindheit, die Blödheit usw. -> ...heit ist immer feminin.
3. Ganz ideal sind natürlich Analogien zu Muttersprache, z.B. Kontraktionen: in das -> ins, arab.: fi al -> fil. (Schreibung ohne Gewähr, bin auch noch ganz am Anfang).“

 

 

Empfohlene Literatur für einfachen Einstieg
„Wenn es ein ‚vernünftiger‘ DaZ-Kurs ist, wird da recht wenig Grammatik (explizit) vorkommen. Jedenfalls halte ich das so. Für die Anfänger eignet sich beispielsweise ‚Herzlich willkommen‘ von Funk / Kuhn.“
„Zum praktischen Anwenden der Sprache passen sehr gut solche Lehrbücher wie Grammatik und Konversation, Grammatik im Gespräch von Olga Swerlowa oder Deutsch zu zweit von Gerhard Antretter. Er ist mein Lieblingsautor!* 

 

Induktive Grammatikvermittlung
„Die Frage ist doch, ob man das metasprachlich vermittelt oder einfach durch Üben.“
„Man sucht im Lerngegenstand nach einem bestimmten Phänomen. Hat man dieses gefunden und erklärt, schließt man vom Beispiel/von Beispielen auf eine allgemeine Regel.“


Grammatik nicht unterschätzen
„Aber wenn die Grundlagen sitzen, kommt der ‚Feinschliff‘ - das wird von den meisten sogar sehr gewünscht, da niemand gern ‚Ausländerdeutsch‘ spricht und das Bewusstsein wächst, dass gehobene Ausdrucksweise bei der Integration extrem förderlich ist und bessere Chancen verschafft.“ 

 

Online Vernetzung zur Einstiegshilfe
Zum Abschluss dieses Beitrags, der Interessentinnen und Interessenten ermutigen möchte, Sprachbegleitung einfach zu machen, soll beispielhaft auf die Facebook-Gruppe Materialsammlung DaF/DaZ: Flüchtlingshilfe konkret hingewiesen werden. Binnen weniger Stunden oder sogar Minuten erhalten Sie Hilfe von erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die genau verstehen, vor welchem Problem Sie gerade stehen, gerade beim Einstieg. Siehe auch das Interview mit Gruppengründer Steffen Schmidt.

 

CC BY-SA 3.0 DE by Lotte Krisper-Ullyett für wb-web (2017), letzte Prüfung von Lars Kilian (2023)
 
 

Über die Facebook-Gruppe „Sprachbegleitung einfach machen“

Die Gruppe versteht sich als "kommunikatives Begleitboot" zum Dossier "Sprachbegleitung einfach machen!"  auf wb-web.de, dem Portal für Erwachsenenbildung. Sie wird temporär vom 24. Jänner bis 30. März 2017 betreut und danach wieder geschlossen. Um ins Dossier eine aktuelle Stimme der Praxis im O-Ton hereinzuholen, werde Ehrenamtliche in mehreren Fragerunden eingeladen, passend zum Thema ihre Erfahrungen, Expertise und Problemstellungen einzubringen. Nach drei Tagen Diskurs werden die Beiträge collageartig zusammengestellt und fließen in der Folgewoche ins Dossier ein. Wir bedanken uns bei allen, die sich zum Thema „Herausforderungen des Einstiegs“ zu Wort gemeldet haben. Diesmal: Edith Absolon, Michael Allers, Hajo Becker, Rico Ehren, Michaela Schirnick, Sandra Schöngeist. Link: Facebook-Gruppe