Lars Kilian News

"In der beruflichen Weiterbildung ist es Schlag zwölf"

Cover der Studie von Martin Noack / Bertelsmann Stiftung

Die Bertelsmann Stiftung veröffentlichte heute eine Studie, die der Frage nachgeht, was Beschäftigte von Weiterbildung abhält. Sie beleuchtet Hürden auf dem Weg zu einer Weiterbildungsrepublik und zeigt, wie diese abgebaut werden können. Die repräsentative Studie zeigt, dass sich nur etwa die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland dem Wandel in der Wirtschaft stellt und in den kommenden zwölf Monaten eine berufliche Weiterbildung plant. Der Autor stellt fest: "In der beruflichen Weiterbildung ist es nicht mehr fünf vor zwölf, sondern Schlag zwölf."

Damit entfernt sich Deutschland von den Weiterbildungszielen der Europäischen Union. Nach diesen sollten 65 Prozent der Arbeitnehmenden jedes Jahr eine Weiterbildung aufnehmen. Planen im kommenden Jahr 50,7 Prozent der Beschäftigten zwischen 25 und 64 Jahren eine Weiterbildung, waren es vor fünf Jahren noch 57 Prozent. Die größten Hürden für die Aufnahme einer Weiterbildung sind eine unübersichtliche Informationslage sowie zu hohe Kosten und zu wenig Zeit.  Aber auch die Aussichten auf mehr Gehalt und Aufstieg durch Weiterbildung werden als zu gering eingeschätzt. Durch die Hürden wird nicht nur die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sondern auch die Beschäftigungsfähigkeit der Erwerbstätigen gefährdet, so die Studie.

Die Studie untersuchte  die bestehenden Weiterbildungsbarrieren aus Perspektive von Beschäftigten und zeigt, wie bedeutsam einzelne Hürden sind, abhängig davon, ob Beschäftigte ihre Weiterbildungsaktivitäten verstärken, wieder aufnehmen oder überhaupt erst aktivieren möchten. So berichten die Beschäftigten von sechs bis acht strukturellen, individuellen oder betrieblichen Barrieren, die den Bereichen Motivation, Information, Umsetzung und Unternehmenskultur zuzuordnen sind.  "Zu den Top-Ten-Barrieren zählen fehlende Anreize wie Gehalts- oder Karriereperspektiven, klare  Informationen zu passenden Angeboten und Fördermöglichkeiten sowie hohe Fortbildungskosten und fehlende Zeit, um sich fortzubilden" (vgl. Noack 2025, S. 6). Auch eine mangelnde betriebliche Weiterbildungskultur gehört zu den Hürden. "Die Studie bestätigt damit eklatante Defizite in zentralen Bereichen der Weiterbildung. Der individuelle Weg zur beruflichen Qualifizierung kann an jeder Stelle scheitern. Die (Um)Gestaltung der fragmentierten und intransparenten deutschen  Weiterbildungslandschaft muss deshalb alle relevanten Bereiche in den Blick nehmen" (ebd.) Schon eine Barriere kann ausreichen, damit Beschäftigte keine berufliche Weiterbildung aufnehmen. Die Studie zeigt, dass  vor allem höher Qualifizierte und weiterbildungsaffine  Personen an Weiterbildung teilnehmen. Die weiterbildungsaktive Person ist laut der Studie jünger, männlicher, großstädtischer, arbeiten eher in Vollzeit und weniger in Kleinstunternehmen tätig. Und so dominiert das Matthäus-Prinzip die Weiterbildungsbeteiligung (vgl. Abb. 1)

KI generiert: Das Bild zeigt eine Statistik zur Weiterbildungsbereitschaft in den nächsten 12 Monaten, wobei 50,7 % der Befragten planen, eine Weiterbildung zu machen, und 49,3 % dies nicht vorhaben. Die Grafik unterteilt die Befragten nach Bildungsgrad und demografischen Merkmalen in Weiterbildungs-Aktive und Weiterbildungs-Passive.

Abb. 1: Demografie- und Bildungsprofile von Weiterbildungs-Aktiven und -Passiven, Quelle: Noack 2025, S. 14

So kommt die Studie zu den Empfehlungen, dass

  • die Motivation zur Aufnahme einer beruflichen Weiterbildung gestärkt werden sollte, z.B. durch die Förderung formaler Qualifikationen, die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen oder die Etablierung professioneller Lernbegleitungen
  • Informationsangebote verbessert werden, z.B.  vereinheitlichte und vernetzte Bildungsberatungsangebote, einheitliche Datenbasis oder die lokale Bündelung der Beratung für leichteren Zugang
  • die Umsetzung unterstützt wird, z.B. durch die Etablierung von Bildungs(teil)zeit oder einen einheitlichen Bundesberufsbildungscheck
  • die Unternehmenskultur Weiterbildung unterstützt, z.B. durch eine betriebliche Weiterbildungsstrategie oder das Aufbrechen von Altersstereotypen  (vgl. Abb. 2)
KI generiert: Das Bild stellt eine Übersicht von Handlungsempfehlungen für eine „Weiterbildungsrepublik 2030“ dar, die in vier Bereiche unterteilt sind: Motivation, Information, Umsetzung und Unternehmenskultur. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, Weiterbildungshürden zu überwinden und eine effektive Weiterbildungsstrategie zu fördern.

Abb. 2: Hürden und Handlungsempfehlungen zur Weiterbildungsteilnahme, Quelle: Noack 2025, S.  37

Die Studie kann kostenfrei auf der Seite der Bertelsmann-Stiftung heruntergeladen werden.

Quelle

Noack, M. (2025). Was Beschäftigte von Weiterbildung abhält – Hürden auf dem Weg zur Weiterbildungsrepublik und wie wir sie abbauen können. Bertelsmann Stiftung. Gütersloh. DOI 10.11586/2025090,  https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/was-beschaeftigte-von-weiterbildung-abhaelt-1 


Das könnte Sie auch interessieren

Forschung quergelesen: Nicht-Teilnahme an Grundbildungskursen

- Forschung quergelesen

Forschung quergelesen: Nicht-Teilnahme an Grundbildungskursen
Jeder dritte Erwachsene in der Schweiz hat Schwierigkeiten mit grundlegenden Fertigkeiten – doch die wenigsten finden den Weg in entsprechende Weiterbildungen. Eine aktuelle SVEB-Studie zeigt, wie Bildungsanbieter diese Zielgruppe dennoch erfolgreich ansprechen können. Die konkreten Strategien und Erkenntnisse zusammengefasst in Forschung quergelesen.
Mehr