Seit nunmehr 100 Tagen sind die neue Bundesregierung und damit auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek im Amt. Zeit für eine erste Bestandsaufnahme: Folgen dem Koalitionsvertrag nun konkrete Taten im Bereich der Erwachsenen-und Weiterbildung?
Die Tatsache, dass mit Bundesministerin Karliczek eine bildungspolitische Quereinsteigerin das Amt übernommen hat, hat vermutlich viele überrascht und wird in einigen Bildungsbereichen wohl eher skeptisch betrachtet. Im Sinne von gelebtem, lebenslangem Lernen könnte Frau Karliczeks Werdegang aus Perspektive der Erwachsenenbildner indessen sogar ein Vorteil sein.
Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass „Menschen […] in jedem Alter und in jeder Lebenslage die Chance haben [müssen], am digitalen Wandel teilzuhaben, digitale Medien für ihr persönliches Lernen und ihre Bildung zu nutzen und Medienkompetenz zu erwerben.“ Die Regierung will „die Entwicklung von attraktiven, niedrigschwelligen Lernangeboten fördern, vor allem im Bereich der Volkshochschulen.“ Außerdem wird die Entwicklung einer „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ angekündigt, um Antworten auf den digitalen Wandel in der Arbeitswelt zu geben.
Im März hat die Bundesministerin bei ihrer Antrittsrede im Bundestag betont: „Wir wollen eine neue Weiterbildungskultur etablieren, eine Weiterbildungskultur, die Lust macht, lebenslang zu lernen – in der Schule, im Beruf, im Privaten, bis ins hohe Alter.“
Diese Sichtweise hat sie im Mai bei der Haushaltsberatung noch einmal hervorgehoben: „Lebenslanges Lernen aber ist der Schlüssel für Erfolg in Arbeitswelten, die sich rasant verändern.“ Dazu sei jeder Einzelne „gefragt, sich selbst weiterzubilden. […] Mein Ministerium schafft die Voraussetzungen dafür. Wir werden die Aus- und Weiterbildung auf die Geschwindigkeit des modernen Lebens und Arbeitens ausrichten.“
Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, nannte auf einem Symposium den Bereich „Lebenslanges Lernen“ gemeinsam mit der Entwicklung einer Nationalen Weiterbildungsstrategie als einen von fünf Schwerpunkten ihres Ministeriums bei der Gestaltung zukünftiger Arbeitswelten.
Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat dieser Prozess nun auch begonnen. „Die Regierung arbeitet an einer Nationalen Weiterbildungsstrategie“, sagte er kürzlich in einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung.
Die Kurs steht also fest: Kontinuierlich werden Weiterbildung und Lebenslanges Lernen als notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Arbeitswelt der Zukunft hervorgehoben und in einen engen Zusammenhang mit den Herausforderungen der Digitalisierung gestellt. Das klingt aus Sicht der Erwachsenenbildung erstmal vielversprechend.
Allerdings sollte man dabei auch bedenken, dass wir nicht bei null anfangen. Lebenslanges Lernen ist kein Konzept aus dem Jahr 2018 und über eine fehlende Weiterbildungskultur können wir uns in Deutschland auch nicht beklagen. Es gibt in Deutschland etwa 530.000 Lehrende in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Im Jahr 2016 haben 50 Prozent der 18- bis 64-Jährigen an Weiterbildungen teilgenommen. Knapp die Hälfte der Bildungsaktivitäten erfolgte damals bereits in digital gestützter Form und fast 70 Prozent der Befragten hatten schon einen guten Überblick über die eigenen Weiterbildungsmöglichkeiten. Das ergab der Adult Education Survey, den das Bundesbildungsministerium vergangenes Jahr veröffentlicht hat.
Lebenslanges Lernen und Weiterbildung finden in Deutschland also schon heute auf recht hohem Niveau statt. Natürlich kann auch das noch gesteigert werden. Es bleibt nun also mit Spannung abzuwarten, wie die „neue Weiterbildungskultur“ im Laufe dieser Legislaturperiode ausgestaltet wird und inwiefern die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ noch einmal einen weiteren Schub in Richtung Weiterbildung 4.0 bedeuten wird. Die Ausgangslage ist jedenfalls günstig.
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