Wissensbaustein

Gruppenarbeit

Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen in Gruppen

Des einen Freud, des anderen Leid: die Gruppenarbeit. Schon in der Schule und später in der Ausbildung oder im Studium kommen wir in Berührung mit Gruppenarbeit. Auch in der Erwachsenenbildung wird diese Sozialform angewandt. Dabei ist sie nicht automatisch der Einzelarbeit oder der Arbeit im Plenum überlegen. Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Gruppenarbeit effizient erfolgt? Welche Möglichkeiten bieten sich einer Lehrkraft, um Gruppenarbeit zu gestalten? Dieser Wissensbaustein liefert einige Antworten.

DefinitionWas ist das?

Die Gruppenarbeit ist eine von mehreren Sozialformen im Rahmen von Bildungsveranstaltungen – neben Einzelarbeit, Partnerarbeit und Plenum. Sie beschreibt, wie Lernziele erreicht und Inhalte erarbeitet werden. Die Wahl der Sozialform beeinflusst die Kommunikation und Kooperation sowie den Lernerfolg und die Lernatmosphäre. Bei der didaktischen Planung von Bildungsveranstaltungen sollte also auch die Sozialform eine Rolle spielen. In der Erwachsenenbildung werden Sozialformen wie die Gruppenarbeit häufig nicht als eigenständige Thematik behandelt, sondern unter den Bereich der Methodik gefasst (vgl. Arnold, Nolda, & Nuissl, 2010, S.267f.). 

GeschichteWoher kommt das?

Nach Kaiser (2008) basiert die Grundidee der Gruppenarbeit in Teilen auf den Annahmen des Konstruktivismus: die Lehrkraft dürfe nicht lenkend in den Lernprozess bzw. in den Konstruktionsprozess eingreifen. Die Teilnehmenden müssen danach selbstständig lernen und ihre eigene Realität konstruieren. Eine weitere Grundlage für das Lernen innerhalb von Gruppen, unabhängig von der Lehrkraft, bildet nach Kaiser die Humanistische Psychologie. Der Mensch solle seine Gedanken und Gefühle frei entfalten können, ohne starre Vorgaben einhalten zu müssen. Außerdem umgebe die Gruppenarbeit seit der Weimarer Republik und der „Neuen Richtung“ (pdf), die die Vorteile von Arbeitsgemeinschaften propagierte, eine Art von Sozialromantik (vgl. Kaiser, 2008, S.25).

MerkmaleWie geht das?

Wie können Lehrkräfte Gruppenarbeit gewinnbringend einsetzen? Ein möglicher Vorteil der Gruppenarbeit liegt darin, dass die Lernmotivation der Teilnehmenden gesteigert wird. Voraussetzung hierfür ist es, dass sie Unterstützung innerhalb der Gruppe erleben, auf Interesse stoßen und das Gefühl haben, anerkannt zu sein. Das Motivationspotenzial, das sich aus der Gruppendynamik entwickeln kann, wird jedoch nur voll ausgeschöpft, wenn die Teilnehmenden nicht nur gern, sondern auch effizient zusammenarbeiten. Studien verweisen auf zwei Faktoren, die die Motivation innerhalb von Gruppen fördern: zum einen eine klare Arbeitsstruktur und zum anderen die Einsicht in den Sinn der Kooperation.  

Die Kursleitenden sollten sichergehen, den Teilnehmenden beide Punkte deutlich zu vermitteln. Zu Beginn eines Seminars sollten daher klare Regeln etabliert werden (siehe z.B. Checklisten Vier Regeln für die Gruppenarbeit und Souveränes Leiten in der ersten Gruppenphase).  

Die Rahmenbedingungen spielen für das Gelingen der Gruppenarbeit eine erhebliche Rolle. Die Theorie der sozialen Interdependenz bietet einen Anhaltspunkt für förderliche Rahmenbedingungen. In solch einer Situation sind die Teilnehmenden positiv voneinander abhängig. Die einzelnen Teilnehmenden erreichen ihre Ziele nur, wenn auch die Gruppe ihr gestecktes Ziel erreicht. In solch einem Falle würden nur die Gruppenergebnisse bewertet und keine Einzelleistungen. Negative Abhängigkeit innerhalb einer Gruppe käme zum Tragen, wenn nur die besten Mitglieder einer Gruppe eine Prüfung bestehen. In diesem Falle sehen sich die Gruppenmitglieder als Konkurrenten. Eine positive Kooperation wird erschwert oder gar verhindert (Szepansky, 2010, S.34ff.).

Trotz der positiven Effekte, die das Lernen in Gruppen erzielen kann, sollten Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner berücksichtigen, dass nicht jeder Lerntyp in einer Gruppe optimal zur Entfaltung kommt. In einem Forschungsprojekt (VaLe = Variation von Lernumgebungen) wurde festgestellt, dass sich weniger als ein Viertel der Weiterbildungsteilnehmer (21,6 %) als dezidierte Gruppenlerner einstuften. 23 Prozent grenzten sich von der sozial-interaktiven Lernform innerhalb der Gruppe ab und bezeichneten sich als Alleinlerner. Über die Hälfte der Befragten (55,4 %) ordneten sich als Mischlerner ein. Die Herausforderung für die Kursleitenden besteht darin, allen Lerntypen gerecht zu werden und das Methodenrepertoire nicht auf Gruppenarbeit einzuengen (Kaiser, 2008, S.12ff.).  

Darüber hinaus benötigt die Gruppenbildung eine gewisse Zeit und durchläuft mehrere Phasen, bevor die Gruppe effizient arbeiten und Ergebnisse erzielen kann.

Eine Zusammenstellung möglicher Vor- und Nachteile von Gruppenarbeit sowie Lösungsmöglichkeiten, um die möglichen Nachteile von Gruppenarbeit zu kompensieren, finden Sie in der folgenden Tabelle.

HandlungsfelderWo brauche ich das?

Die Gruppenarbeit ermöglicht den Teilnehmenden, eine Aufgabe kooperativ zu bearbeiten und anschließend das gemeinsame Arbeitsergebnis zu präsentieren. Dabei werden kooperative, kommunikative und soziale Kompetenzen sowie Problemlöse- und Präsentationsfertigkeiten gefördert. Doch welche Punkte sollte die Lehrkraft bei der Planung und Durchführung beachten?

Zunächst sollte die Lehrkraft ein für die Gruppenarbeit geeignetes Thema auswählen. Zum Beispiel eignen sich komplexe Themen in der Regel nicht für Gruppenarbeit. Vor Aufnahme der Gruppenarbeit erläutert die Lehrkraft das zu bearbeitende Thema und gibt klare Vorgaben hinsichtlich Arbeitsauftrag, Zeitvorgabe und Gruppeneinteilung. Die Gruppenarbeit kann arbeitsteilig (jede Gruppe behandelt eigenes Unterthema) oder arbeitsgleich (alle Gruppen behandeln das gleiche Thema) angelegt sein. Neben der Zeitvorgabe ist das Vorgehen bei der Gruppenaufteilung von entscheidender Bedeutung. Es gibt drei verschiedene Vorgehensweisen.  

In der folgenden Tabelle 2 wird die Gruppenbildung durch Zufall, Wahl und unmittelbare Nachbarn vorgestellt.

Nach Wendorff (2012) durchläuft Gruppenarbeit in der Regel fünf Phasen: 

  • Phase 1: Thema und Aufgabe vorstellen 

Das Thema der Gruppenarbeitsaufgabe wird von der Lehrkraft vorgestellt. Der Arbeitsauftrag sollte mündlich erläutert und im besten Falle auch schriftlich fixiert werden. Dies reduziert mögliche Nachfragen während der Gruppenarbeitsphase. Die Gruppen können – je nach Thema, Lernziel etc. – parallel an einer Aufgabe arbeiten oder sie widmen sich unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Die Bearbeitungszeit sollte von der Lehrkraft vorgegeben werden.  

  • Phase 2: Gruppeneinteilung durchführen 

Die Gruppengröße sollte fünf Personen nicht übersteigen, ansonsten zerfällt die Gruppe leicht in Untergruppen. Wendorffs Erfahrung zeigt, dass kleinere Gruppen schneller zu Ergebnissen kommen, da weniger Abstimmungsprozesse innerhalb der Gruppe nötig sind. Zu bedenken ist jedoch, dass bei größeren Gruppen zumeist ausgewogenere Ergebnisse entstehen. 

  • Phase 3: Gruppenarbeit durchführen 

Während der aktiven Phase der Gruppenarbeit besucht die Lehrkraft regelmäßig die Gruppen und gibt Hilfestellungen oder Anregungen. Sie sollte inhaltlich nur eingreifen, wenn sie merkt, dass die Aufgabe nicht richtig gelöst wird.  

  • Phase 4: Ergebnispräsentation 

Die Gruppen präsentieren ihre Arbeitsergebnisse. Falls nötig, kann die Präsentationszeit der einzelnen Gruppen gekürzt werden. Die Präsentation sollte nur unterbrochen werden, wenn schwerwiegende Fehler vorkommen. Kleine Fehler oder Missverständnisse sollten erst am Ende geklärt werden. Die Lehrkraft bedankt sich am Ende der Präsentationsphase für die geleistete Arbeit. Anschließend können Fragen von Teilnehmenden und der Lehrkraft gestellt werden.  

  • Phase 5: Abschließende Zusammenfassung 

Am Ende sollten von der Lehrkraft alle Gruppenarbeitsergebnisse zusammengefasst und ein Bezug von den Einzelergebnissen zum Arbeitsthema hergestellt werden. Dies ermöglicht den Teilnehmenden die Einordnung der Ergebnisse in den Gesamtzusammenhang.

DiskussionWas wird diskutiert?

Kaiser (2008) kritisiert, dass Gruppenarbeit häufig mangelhaft umgesetzt werde und mit unzureichenden Aufgabenstellungen und Aufgabentypen einhergehe, die nicht für Gruppenarbeit geeignet seien. Da Gruppenarbeit zu Beginn einen großen Aufwand an Zeit und kognitiver Energie sowie einen hohen Interaktionsaufwand bedeute, lohne sich Gruppenarbeit nur bei Aufgaben, die z. B. über bloßes Beschreiben oder Paraphrasierung von Geschehnissen hinausgehe.  

Sozialpsychologische Studien haben gezeigt, dass die Leistung in Gruppen vor allem von zwei Faktoren abhängt: der Identifizierbarkeit der individuellen Leistungen innerhalb der Gruppe und der Komplexität der Aufgabe. Wenn die Einzelleistung innerhalb einer Gruppe bewertet werden kann, führt dies bei einfachen Aufgaben eher zur Leistungssteigerung, bei komplexen Aufgaben eher zur Leistungsminderung. Wenn die Einzelleistung nicht beurteilt werden kann, ist das Umgekehrte der Fall. Gruppenphänomene sind mitentscheidend für den Lernerfolg von Gruppen und sollten bei der didaktisch-methodischen Planung berücksichtigt werden. Gruppenarbeit sollte nicht als Allheilmittel angesehen werden – vielmehr sollten Interventionen entwickelt werden, um die Nachteile der Gruppenarbeit zu minimieren und Lerngruppen für alle Beteiligten gewinnbringend zu gestalten (Maes, 2008, S.8ff.).


Service

Zur Reflexion

  • Lesen Sie sich noch einmal die möglichen Nachteile von Gruppenarbeit in Tabelle 1 durch und rufen Sie sich Ihr übliches Vorgehen als Lehrkraft in der Gestaltung von Gruppenarbeit in Erinnerung. Achten Sie darauf, dass die möglichen Nachteile von Gruppenarbeit nicht zum Tragen kommen? Was können Sie tun, damit diese Nachteile nicht auftreten? 

  • Wechseln Sie die Perspektive und erinnern Sie sich an Veranstaltungen, in denen Sie selber an einer Gruppenarbeitsphase mitgewirkt haben. Reflektieren Sie ihr Verhalten in der Gruppe. Welche Aufgaben haben Sie übernommen? Hat Sie die Arbeit in der Gruppe motiviert? Waren Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Wenn nicht, warum?
  • Die Gruppenbildung durch Zufall oder Wahl hält viele Variationen bereit. Überlegen Sie sich jeweils zwei Variationen für künftige Gruppenbildungen in Ihren Weiterbildungsveranstaltungen!

Literaturliste

  • Hofert, S., & Visbal, T. (2015). Die Teambibel. Offenbach: Gabal. 
    Die Teambibel ist ein Praxisbuch, das sich vor allem an Trainerinnen und Trainer sowie an Coachs richtet, die mit Teams arbeiten. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden grundlegende Kenntnisse über Teams und Gruppen vermittelt. Wie funktionieren Gruppen? Wie entscheiden sie? Im zweiten Teil werden konkrete Praxistipps für typische Herausforderungen in Teams angeboten.
  • Weiterbildung. Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends (5) (2008).  
    Die Ausgabe 5 dieser Zeitschrift aus dem Jahr 2008 behandelt „Gruppenarbeit – Des einen Freud, des anderen Leid”. Zahlreiche Artikel widmen sich entlang unterschiedlicher Fragestellungen der Gruppenarbeit als Lernform in der Erwachsenenbildung. Einige Autoren betonen, dass Gruppenarbeit nicht automatisch einen hohen Lernerfolg erzielt, sondern dass es einer differenzierteren Betrachtung von Gruppenarbeit mit ihren Vor- und Nachteilen bedarf.
  •  Wendorff, J. A. (2012). Das Lehrbuch. Trainerwissen auf den Punkt gebracht. Bonn: ManagerSeminare Verlags GmbH. 
    Dieses Lehrbuch bietet zahlreiche Handlungsempfehlungen für die Planung, Durchführung und Nachbereitung von Fortbildungsveranstaltungen. Es ist übersichtlich gegliedert und verständlich geschrieben. Im Hinblick auf Gruppenarbeit sind insbesondere die Kapitel „Gruppen leiten in Abhängigkeit von der Gruppendynamik” (II.4), „Standardlehrmethoden” (IV.2.1) und „Großgruppen aktivieren” (IV.3.) zu empfehlen. 

Quellen

Arnold, R., Nolda, S., & Nuissl, E. (Hrsg.). (2010). Wörterbuch Erwachsenenbildung (2. Aufl.). Stuttgart: UTB. 

Kaiser, A. (2008). Gruppenlerner auf dem Prüfstand. Weiterbildung. Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends (5), 12–15. 

Kaiser, R. (2008). „Jetzt machen wir Gruppenarbeit“. Weiterbildung. Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends (5), 22–25. 

Maes, J. (2008). Gemeinsam sind wir nicht immer stark. Weiterbildung. Zeitschrift für Grundlagen, Praxis und Trends (5), 8–11. 

Szepansky, W.-P. (2010). Souverän Seminare leiten. Gruppenprozesse und Leitungsrolle (2. Aufl.). Bielefeld: W. Bertelsmann.  

Wendorff, J. A. (2012). Das Lehrbuch. Trainerwissen auf den Punkt gebracht. Bonn: ManagerSeminare Verlags GmbH.


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