Erfahrungsbericht
Erfahrungen eines Trainers mit der Methode Thinkback
Für viele Menschen ist Gruppenarbeit in Seminaren eine unangenehme Erfahrung. Statt die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen der Gruppe zu nutzen, verbringen einzelne Gruppenmitglieder die Zeit mit Statusspielchen und Ablenkungsmanövern. Solch ein Verhalten zeigt, dass der Rahmen nicht gut gesetzt war. Es ist die Aufgabe des Seminarleiters, einen guten Rahmen für die Gruppenarbeit zu definieren, zum Beispiel mit Jack Lochheads Thinkback.
In einem Blogbeitrag für wb-web – „Lernen in der Gruppen braucht einen Rahmen" – habe ich schon geschrieben, warum Gruppenarbeit für Trainerinnen und Trainer und für das Lernen insgesamt wichtig ist. Unangenehme Erfahrungen mit Gruppenarbeit deuten oft auf einen unklaren Rahmen hin. Dabei ist es vorteilhaft, einen Gesprächspartner zu haben, mit dem man zusammen sein neues Wissen testet.
Einen interessanten Rahmen bietet die Methode Thinkback* von Jack Lochhead. Sie ist eine Fragetechnik, die Gedankengänge nachvollziehbar machen soll, ähnlich der Zeitlupe (engl. Playback), mit der Bewegungen analysiert werden können.
Thinkback funktioniert nicht allein, nur zu zweit. Es gibt zwei Rollen: den Aufgabenlöser und den Interviewer. Der Interviewer beobachtet den Aufgabenlöser und fordert ihn immer wieder auf, seine Gedanken und Annahmen zu erklären. Der Interviewer darf selbst die Aufgabe nicht lösen und er gibt auch keine Hinweise zur Lösung. Nach der ersten Aufgabe wechseln die Rollen.
Schon einfache Aufgaben wie „Sortieren Sie diese Länder nach der Anzahl der Einwohner: Frankreich, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz“** führen interessante Annahmen zutage. Probieren Sie es selbst mit einem Kollegen aus.
In diesem Beispiel werden wir Frankreich sicher als das bevölkerungsreichste Land identifizieren. Und Polen ist an zweiter Stelle. Aber was wissen wir über die anderen? Welches Land hat mehr Einwohner: Österreich oder die Schweiz? Wie stehen Portugal und Norwegen da? Das Interview deckt das Denken auf. Der Interviewer darf auch Fragen wie „Bist Du sicher?“ oder „Unter welchen Annahmen wäre ein anderes Ergebnis möglich?“ stellen
Ich nutze Thinkback gern, um neue Begriffe zu testen. Dabei biete ich neue und alte Begriffe in einer Liste an.
Diese Gruppenübung funktioniert gut. Mit zwei oder drei Personen ist die Gruppe klein genug, so dass jeder zur Geltung kommt. Zudem soll der Interviewer den Aufgabenlöser ja nicht korrigieren. Der Aufgabenlöser darf also jede Antwort geben, solange er sie erklären kann. Das gibt zusätzliche Sicherheit. Der Interviewer weiß auch, dass er sich benehmen muss. Denn er ist ja in der nächsten Runde der Aufgabenlöser.
Obwohl die Anweisungen bei Thinkback ungewöhnlich sind, sind sie einfach und schnell zu verstehen. Das gibt einen guten Rahmen für die Gruppenarbeit.
CC BY SA 3.0 DE by Jan Fischbach für wb-web (09.12.2015), letztmalig geprüft am 22.05.2023
*Die Methode wurde aus folgenden Buch entnommen: Lockhead, J. (2000). Thinkback : A User’s Guide to Minding the Mind. New York: Routledge
** Die Einwohnerzahlen laut Wikipedia sind: Frankreich (66,3 Mio.), Polen (38,5 Mio.), Niederlande (16,8 Mio.), Portugal (10,6 Mio.), Österreich (8,6 Mio.), Schweiz (8,3 Mio.), Norwegen (5,2 Mio.).