Handlungsanleitung

Lerninteresse wecken

Für unser Lernen ist es bedeutsam, dass unsere Lerninteressen berücksichtigt werden. Schon in dem Spruch „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ steckt die Antwort auf die Frage, warum und wozu wir überhaupt lernen. Es muss etwas mit uns selbst zu tun haben. Doch wie kann ein Orientieren an Lerninteressen in Gruppen überhaupt gehen? Und wie lassen sich dadurch Lernbarrieren überwinden? Darum geht es im Folgenden.

Warum an Lerninteressen orientieren?

Wer in Schule und Ausbildung die Erfahrung gemacht hat, dass die Lerninteressen von den Lehrenden definiert und verordnet werden, verliert aufgrund dieser Erfahrungen die Fähigkeit, eigene Lerninteressen benennen zu können. Wenn Lernende als Kinder und Jugendliche von den Lehrenden als „Objekte“ begriffen werden und ihre subjektiven Interessen als störend für den Unterricht behandelt werden, werden sie Lernen im Erwachsenenalter immer als Zumutung und nicht als Bereicherung erfahren. Bei ihnen setzt sich fest, dass sie als Subjekte für das Lernen uninteressant sind. Schon mit kleinen Übungsangeboten wie bspw. im Kasten können Sie dieser Erfahrung gegensteuern.

Bei Geringqualifizierten, die oftmals viele negative Lernerinnerungen gesammelt haben, hat sich dieser Eindruck verfestigt. Es braucht Zeit und pädagogische Geduld, um ihnen plausibel zu machen, dass sie in der aktuellen Lernsituation als Teilnehmende und nicht als „Stoffkonsumenten“ verstanden und geschätzt werden. Dabei bietet das Anknüpfen an individuelle Lerninteressen viel stärkere Lernanreize als der Bezug auf von außen gesetzte Lernziele oder das Androhen von Sanktionen. Lebenslanges Lernen gelingt nur dann, wenn die Lernenden Lernen auch als Bereicherung, als persönlichen Zugewinn erfahren können. Und als Zugewinn erfahren wir als Lernende, wenn das Lernthemen an unsere Interessen angeschlossen sind und wir uns als Subjekt im Lernen begreifen können. Das bedeutet aber auch, dass die Interessen der Lernenden die didaktischen Entscheidungen für die Lern-/Lehrsituation mit bestimmen und Lehrende dazu ermutigen und anregen.

Deshalb brauchen Lehrende ein Wissen über Zugänge zu Lerninteressen und Kenntnisse entsprechender Methoden und Verfahren, subjektive Lerninteressen zur Sprache zu bringen und bei der Gestaltung des Unterrichts zu berücksichtigen. Lernen ist den Menschen aufgrund ihrer natürlichen Neugierde in ihrer anthropologischen Ausstattung mitgegeben. Die ersten Jahre in der Grundschule liefern dabei den anschaulichen Beweis. Nur wird diese Neugier aufgrund der Verfasstheit von Schule im Bildungsverlauf zunehmend gedämpft, weil nicht die Lerninteressen, sondern der vorgegebene Lernstoff im Vordergrund stehen. Die Box zeigt Ihnen exemplarisch, wie Sie die Übung aus Abb. 1 Schritt für Schritt durchführen können.

Wie an Lerninteressen orientieren?

Ein Beispiel haben Sie bereits kennengelernt. Die Bereitschaft von Lernenden, sich intensiv mit Lernthemen zu befassen, zeigt sich dann, wenn ihre Lerninteressen zum Ausgangspunkt und Ziel des Lernens gemacht werden. Lerninteressenorientierung ist ein didaktisches Prinzip, mit dem Selbstverantwortung im Lernen gefördert werden kann, weil Lernende die Erfahrung machen, dass es um sie, um ihr Lernen geht.

Entscheiden Teilnehmende sich eher freiwillig zu einem Kurs, kann man von einem prinzipiellen Interesse ausgehen. Jedoch auch bei begrenzt freiwilliger Kursteilnahme beginnt eine Orientierung an den Lerninteressen mit Nachfragen.

Die Ergebnisse solcher Fragen steuern dann den Lehr-Lernprozess. Sie geben Hinweise darauf,

  • was im gemeinsamen Unterricht behandelt werden kann,
  • wo Binnendifferenzierung angesagt ist,
  • welche Teilnehmende als Tandem zu einem thematischen Interesse zusammen arbeiten können.

Lerninteressenorientierung macht transparent, warum Lernende an einem Thema einmal mehr und einmal weniger aufmerksam folgen und aktiv mitgestalten. Bei unterschiedlichen Interessen-Nennungen schließen sich z. B. kurze Aushandlungsprozesse zwischen Kursleitung und den Lernenden an, auf welchen weiteren Umgang mit den genannten Interessen man sich verständigt.

Interessant ist die Beobachtung: Eine derart praktizierte Interessenorientierung führt nicht dazu, dass im Kurs lauter Einzellernende entstehen, die mit ihren jeweiligen Interessen bedient werden wollen. Die Folge ist vielmehr, dass sich Gruppen zum Miteinanderlernen finden und Lernende neugierig werden auf Lernfragen anderer.

An Lerninteressen orientieren: wofür und mit wem?

Das Sichtbarmachen und Berücksichtigen von Lerninteressen verhindert Lernbarrieren. Es unterstützt Lernende dabei, Verantwortung für ihren Lernprozess zu übernehmen und mehr Sinn und Nutzen in den Lernthemen zu entdecken. Die Wahrscheinlichkeit, freudvoll zu lernen, nimmt zu. Die Lernenden erfahren sich als Subjekte und als Experten für ihr eigenes Lernen.

Grundsätzlich ist das Ermitteln von Lerninteressen und deren Berücksichtigung für alle Zielgruppen sinnvoll. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Lerngruppen bzw. die einzelnen Lernenden dafür sehr verschiedene Voraussetzungen mitbringen. Während die einen sehr schnell gute Zugänge zu Ihren Interessen finden, als hätten Sie darauf gewartet, dass dies endlich mal jemanden interessiert, tun andere sich anfänglich oder auch längere Zeit schwer. Bei nachhaltig von schulischen Erfahrungen – „der Lehrer ist für den Lernstoff zuständig“ - geprägten Lernenden braucht es mehr Zeit und Übung, weil für sie das Identifizieren eigener Lerninteressen ein ungewohnter Prozess ist, der gelernt werden muss. Es braucht Anstöße, die Lerninteressen aufzuspüren und Übung, sie zu vertreten.

Anstöße können einfache und klare Botschaften sein wie:

  • „Es geht um Sie?“
  • „Kein Lehrbuch kann sagen, was für Sie wichtig und richtig ist.“
  • „Wo / Wann ist Ihnen diese Frage / dieses Thema bereits begegnet?“
  • „Was war nützlich daran? Was konnten Sie damit anfangen?“ 

An Lerninteressen orientieren: Wie?

Geht es – wie bei der Arbeitsorientierten Grundbildung (AoG) etwa – darum, ein Angebot passgenau zu entwickeln, dann beginnt die Orientierung an Lerninteressen bereits bei der Kursplanung: Die potenziellen Interessenten werden nach ihren Bedarfen und Interessen gefragt. Zudem gibt der Lehrende den klaren Hinweis, dass kein „Schulbuchlernen“ praktiziert wird, sondern ein Lernen an realen Arbeits- oder besser noch Lebenssituationen durchgeführt wird.

An Lerninteressen orientieren: Voraussetzungen

Bildungsinstitution und Lehrende sollten den Lernenden konsequent Mitsprachemöglichkeiten in Bezug auf Lerninhalte eröffnen und die Bearbeitung unterschiedlicher Lernthemen durch Binnendifferenzierung ermöglichen. Ganz wichtig ist: identifizierte Lerninteressen müssen konsequent als Lernanlässe genutzt werden! Für die Ermittlung von Lerninteressen braucht es reflexive Angebote, also gute Fragen, Zeit für die Lernenden zur Erarbeitung von Antworten, immer wieder Ermutigung und ein passendes Methodenrepertoire für die passende Umsetzung von interessengeleiteten Themen und Fragestellungen.

CC BY-SA 3.0 DE by Rosemarie Klein für wb-web


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