Wissensbaustein

Lernwiderstände

Widerstände haben Gründe – nur welche?

Wer Bildungsarbeit macht, ist sicher schon in Situationen gekommen, die weniger angenehm sind: Lernende zeigen wenig Interesse am Thema, Gruppen weigern sich, Rollenspiele zu machen, Teilnehmende beschäftigen sich demonstrativ nicht mit der Aufgabe, die die Lehrkraft vorgibt. Widerstand macht sich breit. Lernwiderstand hat gute Gründe, und will man sie beheben, muss man sich fragen, was es braucht, dass Lernende besser lernen können.

DefinitionWas ist das?

Warum lernen Erwachsene überhaupt? Entweder wollen sie etwas lernen oder sie sollen etwas lernen. Wenn sie etwas lernen wollen, liegt es daran, dass es ein Problem gibt, zu dem sie eine Lösung suchen. Im Rahmen einer Aufgabe von außen, zum Beispiel einer Weiterbildung, überwiegt oftmals das Lernen-sollen. Je nachdem, wie die Person mit dieser Anforderung umgeht, wird daraus Lernen oder Lernwiderstand. Macht die Lernende die Aufgabe von außen zu ihrer eigenen, wird sie lernen wollen. Wenn nicht, beugt sie sich der Anforderung, sie muss dann lernen. Das nennt der deutsche Psychologe Klaus Holzkamp „expansiv“ (lernen wollen) und „defensiv“ (lernen müssen). Oder aber, die Lernende lernt nicht – und damit sind wir bei den Lernwiderständen (Faulstich, Forneck, & Knoll, 2006, S. 26).

GeschichteWoher kommt das?

Mit Lernwiderständen beschäftigt sich die Forschung erst seit den 1990er Jahren. Erste Publikationen stammen von Dirk Axmacher „Widerstand gegen Weiterbildung“ (1990) sowie Nuissl, Siebert und Tietgens „Lernwiderstände bei Erwachsenen“ (1991). Seit der Jahrtausendwende wurde deutlich mehr darüber publiziert, vor allem von Faulstich und Arnold. Faulstich beruft sich bei seiner Forschung auf die Teilnahmeforschung, die es bereits in den 1930er Jahren schon einmal gegeben hat. 

MerkmaleWie geht das?

Lernwiderstände können sich vielfältig und in unterschiedlichen Zusammenhängen ausdrücken:

  • im Umgang mit Medien und Materialien, indem diese nicht verstanden oder sogar abgelehnt und Inhalte angefochten werden,
  • im Kontakt mit der Lehrkraft, zum Beispiel bei Kommunikationsproblemen oder indem sich die Teilnehmenden über Methoden beschweren, sie dauernd hinterfragen,
  • im Kontext der Gruppe, wenn die anderen Teilnehmenden abgelenkt werden oder die Gruppe sich sogar als Gegenpart zur Lehrkraft definiert,
  • im Kontext der räumlichen Bedingungen, indem die Zuweisung der Plätze abgelehnt werden oder die Raumanordnung in Frage gestellt wird,
  • im Kontext der zeitlichen Bedingungen, wenn Teilnehmende sich dauernd verspäten, weitere Pausen wünschen oder selbstständig einlegen (Faulstich & Grell, 2004, S. 109).

Sie reichen von Blockaden über Provokation bis hin zum Fernbleiben von Bildung. Diese Formen der Lernwiderstände einfach als Faulheit oder Widerborstigkeit der Teilnehmenden zu bewerten, ist zu kurz gedacht und birgt auch keine Möglichkeit auf Verbesserung. Für Lernwiderstände gibt es gute Gründe, die in Abbildung 2 zusammengefasst werden.

HandlungsfelderWo brauche ich das?

Kann also Lernen gelingen, wenn die Lernsituation optimiert wird? Gibt es Rezepte, die Lernwiderstände verhindern? Wohl nicht, denn Lernwiderstände sind weit mehr als Ausdruck von persönlicher Einstellung oder Unlust. Die Aufgabe der Lehrkraft ist es, die Inhalte, die Rahmenbedingungen und die Methoden so zu wählen, dass sie Lernen ermöglichen und unterstützen. Trotz allem können Lernwiderstände entstehen.

Es scheint, dass Lernen leichter ist, wenn es für die Lernenden wichtig – und anschlussfähig – ist. Neues Wissen muss der Art sein, dass es Lernende an bereits vorhandenes Wissen anschließen können, es darauf aufbaut oder Querverbindungen zu Bekanntem gefunden werden können.

Oftmals entstehen Widerstände aus Störungen. Diese können sich zum Beispiel als Müdigkeit oder Schweigen der Teilnehmenden oder durch Nicht-Zuhören äußern. Solche Störungen sollten nicht ignoriert werden.

Weiterhin bedingen individuelle Erfahrungen oft Lernwiderstände. Die Teilnehmenden sollten daher ihre Lernwiderstände reflektieren. Lediglich der Einsatz anderer Methoden durch die Lehrkraft oder die Institution hilft nicht weiter.

Lernwiderstände können zum Beispiel im Rahmen eines Beratungsgespräches aufgedeckt und hinterfragt werden. Hier können der Teilnehmer und die Lehrkraft gemeinsam nach dem Stellenwert der Lerninhalte fragen und Inhalte finden, die die Handlungsmöglichkeiten des Teilnehmers erweitern. Das Ziel eines solchen Gespräches sollte sein, den Lernprozess des Teilnehmers erfolgreich zu gestalten.

Gleichzeitig sind Lernwiderstände aber nicht nur Folge von individuellen Erfahrungen und Voraussetzungen, sie entstehen auch durch die Strukturen des Weiterbildungssystems. Bietet die Lehrkraft im Rahmen dieser Strukturen Lernformen an, die selbstbestimmtes Lernen unterstützen, können Widerstände reduziert werden.

DiskussionWas wird diskutiert?

Unterschieden wird zwischen „Lernwiderstand“ und „Weiterbildungsabstinenz“. Sind die Teilnehmenden zwar anwesend, beteiligen sich aber nicht am Kursgeschehen, spricht man von Lernwiderständen.  

Darüber hinaus wird aber auch über die „Weiterbildungsabstinenz“ diskutiert, darüber, dass sich Menschen gar nicht erst um Weiterbildung bemühen oder sich nicht dafür interessieren. Gerade im Zusammenhang mit dem Konzept des „lebenslangen Lernens“ werden Gründe für Weiterbildungsabstinenz untersucht und neue Förderprogramme entwickelt um Menschen an Weiterbildung heranzuführen. 


Service

Zur Reflexion

  • Wenn Sie an Ihre eigene Seminararbeit denken, wie gehen Sie mit Störungen um? 

  • Auf welche Widerstände treffen Sie?
  • Welche Gründe haben Sie bisher dafür identifizieren können?

Literaturliste

  • Faulstich, P., & Bayer, M. (Hrsg.). (2008). Lernwiderstände. Anlässe für Vermittlung und Beratung. Hamburg: vsa.
    In diesem Band werden verschiedene Aufsätze zu Lernwiderständen angeboten. Die Lernenden werden in den Mittelpunkt gerückt und deren Gründe für Lernwiderstände analysiert.
  •  Szepansky, W.-P. (2010). Souverän Seminare leiten (2. Aufl.). Bielefeld: W. Bertelsmann.
    Szepansky beschreibt typische Situationen im Kurs und liefert dazu sowohl Lösungsstrategien als auch wissenschaftliche Grundlagen. Das Buch ist verständlich geschrieben und aufgrund seiner Praxisnähe auch für erfahrene Lehrkräfte der Erwachsenenbildung anregend.

Quellen

Bender, W., Groß, M., & Heglmeier, H. (Hrsg.). (2004). Lernen und Handeln. Eine Grundfrage der Erwachsenenbildung. Schwalbach: Wochenschau.

Faulstich, P., & Bayer, M. (Hrsg.). (2008). Lernwiderstände. Anlässe für Vermittlung und Beratung. Hamburg: vsa.

Faulstich, P., & Bayer, M. (Hrsg.). (2012). LernLust. Hunger nach Wissen, lustvolle Weiterbildung. Hamburg: vsa.

Faulstich, P., Forneck, H. J., & Knoll, J. (Hrsg.). (2005). Lernwiderstand – Lernumgebung – Lernberatung. Bielefeld: W. Bertelsmann.

Szepansky, W.-P. (2010). Souverän Seminare leiten (2. Aufl.). Bielefeld: W. Bertelsmann.


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