Wissensbaustein

Online-Befragungen  von Teilnehmenden

Fragebögen optimal gestalten

Online-Befragungen werden geschätzt, weil sie als schnell und günstig gelten. Doch auch diese Instrumente müssen methodisch gut vorbereitet werden, damit sie genau die Erkenntnisse bringen, die erwartet werden. Dabei muss eine ganze Reihe von Aspekten berücksichtigt werden: die Formulierung der Fragen, deren Reihenfolge oder der Zeitpunkt des Einsatzes der Befragung. Dieser Wissensbaustein zeigt Ihnen, welche Grundlagen man für die optimale Gestaltung von Online-Fragebögen kennen sollte.

DefinitionWas ist das?

Online-Befragungen umschreiben Methoden, individuelle Befragungen durchzuführen, bei denen die Teilnehmenden die Fragen an einem Endgerät beantworten und die Ergebnisse über das Internet an die Versuchsleiterin bzw. den Versuchsleiter übertragen werden. Der wesentliche Vorteil ist die ortsunabhängige Möglichkeit der Beantwortung der Fragen. So muss bei Präsenzveranstaltungen kein Zeitfenster dafür bereitgehalten werden. Weitere Vorteile sind die Möglichkeit, vielfältige Reizkomponenten bereitzuhalten, z.B. Audio- oder Video-Inhalte zu präsentieren, und die schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse, die praktisch direkt nach dem Ausfüllen der Online-Fragebögen vorliegen. Ein großer Nachteil in der Praxis zeigt sich darin, dass die Rücklaufquote zum Teil deutlich geringer ist als beim Ausfüllen von Papierfragebögen im Rahmen von Präsenzveranstaltungen.

GeschichteWoher kommt das?

Befragungen sind seit über 100 Jahren ein oft durchgeführtes Instrument der empirischen Sozialforschung. Die computergestützte Verarbeitung der zum Teil sehr großen Datenmengen hat große Evaluationsvorhaben schon entscheidend erleichtert. Es blieb jedoch immer noch das Problem der Eingabe der auf Papier erfassten Daten. Diese Eingabe war sehr aufwendig. Dieses Problem konnte erst durch Online-Befragungen gelöst werden. Sie gehören heute zum Standardinstrument vieler Sozialforscherinnen und -forscher. Der flächendeckende Einsatz von Online-Befragungen wurde in der Fachwelt mit Skepsis begleitet. Zum einen ist durch die räumliche Distanz zur/zum Versuchsleitenden die Möglichkeit der Rückfragen bei Verständnisproblemen nicht gegeben, zum anderen wurde vermutet, dass am Bildschirm ausgefüllte Befragungen als weniger verbindlich angesehen werden und eine sorgfältige Beantwortung jeder einzelnen Frage unterbleibt. In der Forschung wird somit immer noch bei jedem Projekt gemäß den Anforderungen und Zielen entschieden, ob eine Online-Befragung oder ein klassisches Paper-and-Pencil-Verfahren vorzuziehen ist.

MerkmaleWie geht das?

Jedes Befragungskonzept und jede Evaluation hat ein Gegenstandsziel und einen Befragungszweck. Das Gegenstandsziel ist das untersuchte Objekt, z.B. eine bestimmte Veranstaltung oder die Einstellung einer Personengruppe zu einem festgelegten Thema. Der Befragungszweck ist das, was mit den Ergebnissen der Befragung erreicht werden soll. Folgende Befragungszwecke sind besonders häufig:

  • Optimierung bestehender Veranstaltungskonzepte, -formen oder didaktischer Instrumente
  • Entscheidungsunterstützung (z.B., ob eine bestimmte Maßnahme fortgeführt oder wiederholt werden soll)
  • Rechenschaftslegung (z.B. für einen Träger oder Zuwendungsgeber, der Informationen über die Wirksamkeit der Maßnahme haben möchte)
  • Erkenntnisgewinnung (indem die Ergebnisse der Befragungen auf andere Szenarien übertragen werden sollen)

 Sind das Gegenstandsziel und der Befragungszweck festgelegt, folgt die Formulierung der übergeordneten Fragestellung, die den Befragungszweck konkretisiert. Aus dieser allgemeinen Fragestellung werden in einem nächsten Schritt weitere Fragen formuliert, die die Fragestellung in kleinere Aspekte aufgliedern, die das Evaluationsteam erfahren möchte.

HandlungsfelderWo brauche ich das?

Sinnvolle Themenkomplexe für Befragungen sind zum Beispiel:

  • Vergangenes Verhalten: Die Teilnehmenden können etwa darüber Auskunft geben, wie oft sie an der Veranstaltung teilgenommen haben, ob sie die Materialien zur Vor- und Nachbereitung genutzt haben und inwieweit sie Lerninhalte aus der Veranstaltung bereits in der Praxis eingesetzt haben.
  • Einstellungen: Die Teilnehmenden können zu inhaltlichen Aspekten der Lehrveranstaltung gefragt werden wie auch zu Ihrer Ansicht zur/zum Lehrenden, zu den Räumlichkeiten, zur Organisation etc.
  • Verhaltensabsichten: Die Teilnehmenden können gefragt werden, ob sie eine weitere Veranstaltung besuchen oder die Veranstaltung weiterempfehlen würden oder inwieweit sie vorhaben, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen.
  • Hypothetisches Verhalten: Auf diese Fragen greift man zurück, wenn es um Verhaltensabsichten geht, die nicht jeder Teilnehmende zeigen kann (z.B. aufgrund einer Lebenssituation), man aber dennoch gerne etwas darüber wüsste.

Aus diesen Elementen lassen sich unter Zuhilfenahme der Leitfrage die konkreten Fragen für die Teilnehmenden formulieren. Dies sind die wichtigsten Regeln bei der Formulierung der einzelnen Fragen: 

  • Die Fragen müssen kurz formuliert sein und für alle Teilnehmenden beim ersten Lesen verständlich sein.
  • Wertende Formulierungen, die eine bestimmte inhaltliche Richtung vorgeben, sind zu vermeiden.
  • Die Fragen sind so anzuordnen, dass allgemeine Aspekte vor speziellen Aspekten abgefragt werden.
  • Die Antwortoptionen sollten so formuliert sein, dass alle möglichen Aspekte erfasst werden. Das sollte aber nicht zu einer ausufernden Zahl an Antwortoptionen führen, es darf auch „Reste”-Kategorien geben wie „Keine der Antworten trifft auf mich zu”. Generell sollten nur Antwortoptionen gegeben werden, die auch von Interesse bei der Auswertung sind.
  • Fragen sollten immer eindeutig und so konkret wie möglich sein und sie sollten nach Informationen fragen, über die jede/r Proband/in auch tatsächlich verfügt.

DiskussionWas wird diskutiert?

In der Fragebogenforschung wird untersucht, wie man möglichst korrekte Ergebnisse erlangen kann. Dabei wird versucht, die Störfaktoren wie beispielsweise die Unterschiede im Verständnis von bestimmten Begriffen oder den Reihenfolgeeffekten zu minimieren. Ein wichtiges Problemfeld ist die Gewinnung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Gerade bei Evaluationen ist das Interesse der Teilnehmenden, sich zu beteiligen, deutlich geringer, wenn die Daten per Online-Befragung statt direkt in der Präsenzveranstaltung erhoben werden. Hier wird an Strategien gearbeitet, um die Bereitschaft zur Teilnahme zu erhöhen. Ausgelobte Belohnungen wie die Verlosung von Gutscheinen scheinen wenig zur Teilnahmemotivation beizutragen, wohingegen eine persönliche Nutzenerwartung eine größere Rolle spielen könnte. Teilnehmende könnten eher bereit sein, Fragen zu beantworten, wenn sie das Gefühl haben, durch ihre Beteiligung tatsächlich etwas verändern zu können (Eichhorn, 2004). Aus der Fragebogenforschung sind auch in Zukunft wichtige Hinweise für die Befragungspraxis zu erwarten.

Internationale BezügeWie sieht man das woanders?

Online-Befragungen sind überall auf dem Vormarsch und werden in vielen Kontexten eingesetzt. In den USA sind wissenschaftliche Befragungen zu einem zentralen Steuerungsinstrument politischen Handelns   (pdf) geworden. Auch die systematische Evaluation im Bildungskontext hat hier früher eingesetzt als in Europa. Befragungsinstrumente werden immer weiter erforscht und entwickelt – von den Formulierungen, den Befragungstechniken bis hin zu statistischen Auswertungsmethoden. In den USA wird die Einhaltung bestimmter Standards verlangt. Dazu gehören u.a. die systematische und datenbasierte Untersuchung des Untersuchungsgegenstands, die Gewährleistung der fairen und integren Durchführung des Prozesses sowie der Respekt gegenüber allen Beteiligten (Höhns, G. & Meyer, W., 2002).


CC BY-SA 3.0 DE by Maria-Christina Nimmerfroh für wb-web


Service

Verwandte Begriffe

Online-Survey, Befragungstool, Befragungsplattform

Zur Reflexion

  • Überlegen Sie sich drei Fragen, auf die Sie in Bezug auf Ihre Veranstaltung gern eine Antwort von den Teilnehmenden erhalten möchten. Formulieren Sie diese Fragen unterschiedlich aus und überlegen Sie, welche Auswirkungen die Formulierungen auf die Antworten haben könnten. (Auch gut im Kollegium durchzuführen).
  • Schauen Sie sich den Fragebogen an, den Sie zur Evaluation Ihrer Veranstaltungen üblicherweise einsetzen. Sind Sie mit den Fragen zufrieden? Identifizieren Sie die Fragestellungen, die nicht zu aussagekräftigen Antworten führen und verändern Sie diese.

Literaturliste

  • Eichhorn, W. (2004). Online-Befragungen. Methodische Grundlagen, Problemfelder, praktische Durchführung.
    Umfangreiches Handbuch mit dem Schwerpunkt auf der Fragenformulierung. Abgerufen von http://www2.ifkw.uni-muenchen.de/ps/we/cc/onlinebefragung-rev1.0.pdf (08.04.2016).
  • Gräf, L. (2010). Online-Befragung. Eine praktische Einführung. Münster: LIT. 
    Der Titel dieses Lehrbuchs ist Programm: Der Autor bietet eine Praxiseinführung für Online-Befragungen. Die Leserinnen und Leser erfahren, wie Online-Befragungen richtig durchgeführt werden. Methodik und Fragebogen-Konzeption werden in diesem Lehrbuch ebenfalls vermittelt.
  • Welker, M., Taddicken, M., Schmidt, J.H. &  Jackob, N. (Hrsg.). (2014). Handbuch Online-Forschung. Sozialwissenschaftliche Datengewinnung und -auswertung in sozialen Netzen. Köln: Herbert von Halem.
    Das Handbuch bietet einen breiten Überblick über methodische Grundlagen der Online-Forschung und über Erhebungsverfahren wie Befragungen und Beobachtungen. Außerdem werden praktische Anwendungsmöglichkeiten der Online-Befragung vorgestellt sowie datenschutzrechtliche Einschränkungen diskutiert.

Quellen
  • Eichhorn, W. (2004). Online-Befragungen. Methodische Grundlagen, Problemfelder, praktische Durchführung – Umfangreiches Handbuch mit dem Schwerpunkt auf der Fragenformulierung. Abgerufen von http://www2.ifkw.uni-muenchen.de/ps/we/cc/onlinebefragung-rev1.0.pdf (08.04.2016). 
  • Höhns, G. & Meyer, W. (2002). Was ist Evaluation? Bundesinstitut für Berufsbildung – BIBB. Abgerufen von https://www.bibb.de/dokumente/pdf/wd_59_evaluation.pdf (11.04.2016) 
  • Kuckartz, U., Ebert, T., Rädiker, S. & Stefer, C. (2009). Evaluation online. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Scholl, A. (2009). Die Befragung. Köln: Böhlau-Verlag.


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