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Was berufsorientierten Unterricht ausmacht

„Wirtschaftsdeutsch gibt es nicht“

Das Konzept der in den achtziger Jahren gelehrten „Handelskorrespondenz“ ist veraltet. Globalisierte Wirtschaftsstrukturen verändern den Kommunikationsbedarf in einer Fremdsprache, so Funk: Auf horizontaler Ebene erfolgte eine Ausweitung in Bezug auf die Themen und Teilnehmende der Kommunikation. Auf vertikaler Ebene werden Fremdsprachenkenntnisse von allen erwartet – egal, ob in der Produktion oder im Management. Qualitativ ändert sich die Arbeitskultur zum Beispiel durch die Digitalisierung.

Die Schlussfolgerung: „Wir brauchen neue Konzepte, mit denen wir uns den beruflichen Realitäten auch konzeptuell und in der Materialentwicklung nähern.“


Berufsorientierter Sprachunterricht

Im Hinblick auf berufsorientierten Fremdsprachenunterricht unterscheidet Funk drei Formen: 

  1. berufsvorbereitend
  2. berufsbegleitend
  3. berufsqualifizierend

Am berufsvorbereitenden Fremdsprachenunterricht nehmen Lernerinnen und Lerner teil, die noch keine Expertise in ihrem Fach haben oder diese gerade aufbauen. Es handelt sich um eine allgemeine sprachliche Vorbereitung auf die Anforderung von Berufen, noch ohne Fachsprache und Fachlexikon.

Berufsbegleitender Fremdsprachenunterricht kann sowohl ausbildungsbegleitend (z.B. in der Berufsschule) als auch im Betrieb (z.B. als Vorbereitung auf einen baldigen Auslandsaufenthalt) stattfinden.

Berufsqualifizierender Fremdsprachenunterricht richtet sich an Menschen, bei denen der Sprachtest ein Teil der Berufsausbildung ist. 

Berufsorientierten Deutschunterricht planen

In der Broschüre Arbeitsplatz Europa  wird der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GERS) auf den Berufskontext angewendet. 

Als Instrumente für die betriebsinterne Bedarfsplanung können die Analysen TSA, PSA und LSA dienen:

  • Zielsituationsanalyse (Target Situation Analysis/TSA)
  • Ausgangssituationsanalyse (Present Situation Analysis/PSA)
  • Lernsituationsanalyse (Learning Situation Analysis/LSA)  

Prinzipien für guten Unterricht

Funk erinnert daran, dass die Prinzipien und Standards eines guten Fremdsprachenunterrichts natürlich auch für Sprachunterricht im beruflichen Kontext gelten:

  1. Personalisierung und Individualisierung
  2. Interaktionsorientierung
  3. Handlungsorientierung
  4. Kommunikationsorientierung
  5. Mehrsprachigkeit und Lernökonomie
  6. Themen- und Inhaltsorientierung

Funk empfiehlt, vom Ziel her zu denken: „Die zu bewältigende kommunikative Aufgabe bestimmt die Form und den Umfang der Übungen.“ Lehrende sollten sich zunächst fragen, was die Lernenden am Ende einer Unterrichtssequenz können sollen, und anschließend die Schritte zu diesem Ziel bestimmen.

Diese Vorgehensweise eignet sich auch für den beruflichen Kontext. Funk rät, zunächst die verschiedenen (sprachlichen) Herausforderungen zu identifizieren und sich dann zu fragen: Welche Wörter, welche grammatischen Strukturen, welche Textsorten müssen die Lernenden dafür können?

Sprachhandlungen im Beruf treten häufig als Handlungsketten auf, z.B. schreibt man eine E-Mail für eine Besprechung, beantwortet eine Rückfrage in einem Telefonat und führt diese anschließend durch.

Aufgaben und Übungen sinnvoll auswählen

Gute Aufgaben im Unterricht haben immer eine kommunikative Zielstellung und einen lebens- und arbeitsweltlichen Bezug. Sie entsprechen einem Plan und ihre Ergebnisse sind überprüfbar. Lehrkräfte müssen von Situation zu Situation abwägen, welchen Grad an Korrektheit sie für eine Aufgabe erwarten oder wie viel Zeit sie einer Aufgabe geben. Auch die Wissensvoraussetzungen und die Komplexität sollten beachtet werden: „Sie können nicht jeden Menschen auf jedem Niveau für jede berufliche Tätigkeit vorbereiten“, so Funk.

Viele kommunikative Kompetenzen sind sowohl für den privaten als auch für den beruflichen Bereich relevant.

Übungen sollen dabei helfen, Aufgaben besser zu bewältigen. Sie richten sich auf bestimmte Komponenten einer Aufgabe und sind ein Schritt zum komplexeren Ziel. Professor Funk ermutigt Lehrkräfte, Übungen ohne direkten Bezug zur Zielfertigkeit aus ihrem Konzept zu streichen.

Es gibt eine Vielzahl von Übungsangeboten (Apps, Online-Angebote etc.), aber es stecke nicht immer ein durchdachtes Übungsangebot dahinter, so Funk. Im schlimmsten Fall seien diese Übungen bloß eine Zeitverschwendung für Lehrende und Lernende. 

10 Merkmale guter Übungen

Anhand dieser zehn Merkmale können Lehrkräfte die Qualität von Übungen überprüfen:

  1. Übungstransparenz: Der Auftrag ist für alle klar.
  2. Zieltransparenz: Es ist klar, wie sich die Übung auf die Aufgabe bezieht.
  3. Scaffolding: Es ist ein Gerüst erkennbar.
  4. Habitualisierung: Wiederholung ist wichtig.
  5. Interaktionsorientierung: Es gibt interaktive Elemente (Soziales Lernen).
  6. Übungsökonomie: Die Übung ist überschaubar und erfordert wenig Hilfsmittel.
  7. Übungsökologie: Strukturvorgaben geben Hilfe.
  8. Relevanz: Die Themen sind (berufs-)relevant.
  9. Offenheit und Personalisierung: Die Übung kann ergänzt und personalisiert werden.
  10. Erfolgsorientierung: Der Erfolg einer Übung ist messbar.

Wo bleibt die Fachsprache?

Funk empfiehlt, Fachsprache und Fachwortschatz erst im Unterricht zu behandeln, wenn auf Seiten der Lernenden Fachexpertise vorhanden ist. Es gibt jedoch zahlreiche Herausforderungen, die in allen Berufen relevant sind. Dazu zählt zum Beispiel die Recherchefähigkeit im Internet und in (Fach-)Büchern oder das Lesen von Fachtexten.

In der Handreichung „Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf“, an der Prof. Funk mitgewirkt hat, werden u.a. die Textkompetenz, das Verstehen von Definitionen, Textaufgaben, Fragen und Anweisungen und das Führen von Berichtsheften trainiert. Unter sprachtraining-beruf.de können Lehrende zahlreiche Materialien zur Nutzung als Open Educational Resources (OER) finden.

   

CC BY SA 3.0 by Katrin Gildner für wb-web