Nele Hirsch Blog

Verzahnung zwischen klassischen (Online-)Fortbildungen und Peer to Peer-Lernen

Warum ist eine Verzahnung zwischen klassischen Fortbildungen und P2P-Lernen sinnvoll?

Wer in der aktuellen Corona-Situation im Bereich Online-Bildung Fortbildungen organisiert, wird sicherlich bestätigen, dass das Interesse und der Bedarf daran riesig ist. Eine Verzahnung von klassischen Fortbildungen und P2P-Lernen hat deshalb gerade aktuell sehr viel Potential. Teilnehmende an Online-Fortbildungen können damit gezielt zu Multiplikator*innen werden, die ihr erworbenes Wissen und ihre Kompetenzen weitergeben. Auf diese Weise erreicht eine Online-Fortbildung mit ca.. 15 Teilnehmenden potentiell viel mehr Menschen. Einfaches Rechenbeispiel: Wenn nur 2/3 der Teilnehmenden danach mit durchschnittlich 3 Kolleg*innen zu dem Thema arbeiten, wissen nachher nicht 15, sondern 45 Personen darüber Bescheid.

Noch viel wichtiger ist aus meiner Sicht die Praxis- und Kollaborationsperspektive, die mit P2P-Lernen eröffnet wird. Denn wer bei Online-Fortbildungen neue Kompetenzen erwirbt und dann damit in der eigenen Organisation aber allein ist und bleibt, wird diese Kompetenzen wahrscheinlich weniger anwenden und nutzen, als wenn die Person sich mit Kolleg*innen dazu austauschen und gemeinsam daran weiterlernen und ausprobieren kann. P2P-Lernen, d.h. in einem ersten Schritt die Weitergabe der Inhalte der Online-Fortbildung und daran anschließend die gemeinsame Praxis und das Weiterlernen dazu, kann genau diese Perspektive eröffnen.

Wie kann eine bessere Verzahnung erreicht werden?

P2P-Lernen ist keine neue Erfindung, aber es ist in den letzten Jahren in vielen Bildungsbereichen bewusster in den Blick genommen und gestaltet worden. In Kollegien werden Mikrofortbildungen (= Mini-Lernangebote in der Mittagspause von und für Kolleg*innen) organisiert, in ‘Montagsrunden’ übernimmt reihum eine andere Person einen Input oder schulinterne Lehrer*innen-Fortbildungen werden im Format eines Barcamps angelegt.

Daneben gibt es weiterhin ‘offizielle’ Fortbildungen: Kolleg*innen werden von externen Referent*innen zu einem bestimmten Thema geschult. Vor Corona war diese Fortbildung häufig an einem anderen Ort als die Arbeitsstelle. Inzwischen sind solche Fortbildungen häufig online.

Diese Verzahnung hat bislang - auch ohne dass sie explizit mitgedacht wurde - häufig sicherlich ‘einfach so’ funktioniert. Die eingangs erwähnte Teilnehmerin ist hierfür das beste Beispiel: Ohne dass ich bei der Konzeption der Fortbildung daran gedacht oder bei der Durchführung besonders auf die Möglichkeit hingewiesen habe, hat sie sich das anschließende P2P-Lernen selbst vorgenommen. Meine These ist jedoch, dass sich solch eine Verzahnung mit nur minimale, Aufwand noch deutlich häufiger ergeben und für alle Beteiligten einfacher gestalten ließe. Hierfür lässt sich sowohl die Perspektive der Lernenden als auch die Perspektive der Lehrenden betrachten.

Perspektive Lehrende: Was sollte ich bei der Konzeption und Durchführung einer Online-Fortbildung beachten? 

  • offen lizenziert: Teilnehmende sollte ohne rechtliche Schwierigkeiten eine Weiternutzung möglich sein. Optimal ist hierfür sicherlich eine Freigabe unter der Lizenzbedingung CC0 (= es kann einfach weitergenutzt werden und es muss nicht einmal ein Lizenzhinweis dazu geschrieben werden). Wer das nicht will auch mit BY oder BY-Sa Bedingung - dann möglicht mit einem bereits vorformulierten Lizenzhinweis.
  • niederschwellig erreichbar und weiternutzbar: Teilnehmende und ihre Kolleg*innen sollten ohne Notwendigkeit einer Registrierung auf die Materialien zugreifen können. Auf diese Weise können Teilnehmende einfach einen Link mit Kolleg*innen teilen. Schön ist es, wenn die Materialien auch einfach remixt werden können. Also eine Gestaltung in der Form erfolgt, dass auch nur Teile davon weitergegeben oder Hinweise ergänzt werden können. (Letzteres habe ich z.B. in der Vergangenheit häufig nicht beachtet, indem ich Flipped Materialien auf einer Unterseite meiner Website einstellte wie   z.B. hier in der geschilderten Fortbildung am Freitag. Es wäre hier aber nur sehr wenig Aufwand dazu z.B. zusätzlich eine Version mit CodiMD oder einem anderen Remix-Tool zu erstellen).
  • modular gestaltet: P2P-Lernen funktioniert oft als Mikrolearning und sehr praxisorientiert. Kolleg*innen werden sehr wahrscheinlich oft nur wenig Interesse haben, die gesamte Fortbildung nachzuhören - wohl aber einzelne Elemente daraus. Bei der Gestaltung des Flipped Inputs kann ich deshalb besser mehrere kleine Clips, als eine vollständige Übersicht gestalten. (Dies ist nebenbei bemerkt auch für die Teilnehmenden selbst hilfreicher, weil sie dann überspringen können, was sie schon wissen).

Bei der Durchführung der Fortbildung sollte gezielt auf die P2P-Perspektive eingegangen und dazu ermutigt werden, das in der Fortbildung erworbene Wissen mit Kolleg*innen anschließend zu vertiefen - und auf diese Weise auch für sich selbst zu festigen. Für meine Fortbildungen nehme ich mir vor, das unter anderem in die Reflexions- und Transferphase zum Abschluss der Fortbildung mit aufzunehmen. Bislang habe ich hier häufig Fragen vorgegeben, die sich auf das eigene Lernen bezogen. Beispiele hierfür sind:

  • Schreibe einen Brief an Dein zukünftiges Ich und halte darin fest, was Du in z.B. 4 Wochen ausprobiert haben möchtest.
  • Schreibe Dein wichtigstes Learning der Fortbildung auf, z.B. in Kurzform als #TIL (=Today I Learned).
  • Überlege Dir eine konkrete Idee, die Du direkt in der nächsten Woche ausprobieren willst.

Mit Blick auf eine Verzahnung mit anschließendem P2P-Lernen könnten diese Fragen/ Aufgaben alternativ oder ergänzend gestellt werden:

  • Wie könntest Du Kolleg*innen in 30 Sekunden davon überzeugen, dass es sich lohnt, sich mit den Themen der Online-Fortbildung zu befassen?
  • Für welche Deiner Kolleg*innen könnten die Themen der Online–Fortbildung ebenfalls von Interesse sein und warum?
  • Welches gemeinsame Lernangebot könntest Du mit Kolleg*innen mithilfe der Inhalte dieser Online-Lernfortbildung realisieren?
  • Schreibe einen Mailentwurf an Kolleg*innen, in denen Du sie auf die Inhalte der Online-Fortbildung verweist, begründest warum eine Beschäftigung damit sinnvoll ist und sie zu einer Mikrofortbildung zur Vertiefung einlädst.

Ich denke, dass diese Fragen mindestens ebenso gut zur Reflexion des Gelernten und damit zur Festigung der Fortbildungsinhalte beitragen können, wie die obigen Fragen, die sich nur mit dem eigenen Lernprozess beschäftigen. Und zusätzlich eröffnen sie die P2P-Perspektive.

Perspektive Lernende: Was sollte ich bei der Teilnahme an einer Online-Fortbildung beachten?


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