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Interview: Heterogenität und fehlende Lateinschriftkenntnisse bewältigen mit multisensorischer Sprachlernmethode

wb-web: Guten Tag. Stellen Sie bitte Liechtenstein Languages vor.

Noser: Die Idee zu Liechtenstein Langugages (LieLa) entstand in der liechtensteinischen Botschaft in Berlin mit Vertretern verschiedener Konfessionen. Ziel war, einen positiven Beitrag zum aktuellen Leitthema in Europa, „Migration und Flüchtlinge“ zu leisten. Der Verein Neues Lernen in Liechtenstein wurde beauftragt, ein Programm zur sprachlichen und sozialen Erstorientierung für Migrantinnen und Migranten zu entwickeln. Dieser hat langjährige Erfahrung mit effektivem Sprachlernen und Lehrendenweiterbildung, nicht nur im Land selbst, sondern auch mit internationalen Großprojekten in Lateinamerika.

Der erste Pilotkurs fand Ende 2015 in Liechtenstein statt. Im vergangenen Jahr haben wir über 100 Trainerinnen und Trainer in Deutschland und Österreich ausgebildet, die ihrerseits wieder Kursleitende ausbilden. Wir arbeiten mit unterschiedlichen Partnern zusammen: mit großen Hilfsorganisationen, genauso wie z.B. mit einer Initiative des Bürgermeisters von Altena NRW, mit Betreibern von Großunterkünften und auch in einem Projekt der „Joblinge“. Ende Januar beginnt eine Ausbildung von 20 Lehrpersonen in Bochum, mehrheitlich aus Berufskollegs. Im Februar beginnt der erste Kurs in der Schweiz. Die Gemeinden des Kantons St. Gallen wollen über 100 Kursleiterinnen und Kursleiter ausbilden, um die Geflüchteten in ihren Gemeinden besser zu integrieren. Wir passen unser Angebot den jeweiligen Verhältnissen an.


wb-web: Was ist das Besondere an Liechtenstein Languages?

Noser: Wir legen den Schwerpunkt auf die erste Sprechfähigkeit. Mit dieser Methode können Personen mit unterschiedlichster Vorbildung erfolgreich gemeinsam unterrichtet werden. Wir arbeiten ohne Übersetzungen, von Beginn an. Der Kurs ist so konzipiert, dass auch Lernende ohne Schriftkenntnisse teilnehmen können.

 Die schnellen Erfolge der Kursteilnehmenden fördern ihr Selbstbewusstsein und ermutigen sie, das Gelernte in ihrer Umgebung anzuwenden. In der Methode Neues Lernen werden viele Erkenntnisse der Gehirn- und Lernforschung der letzten Jahre praktisch umgesetzt und in einen sinnvollen Ablauf gebracht. Die Kursteilnehmenden lernen dadurch schneller und durch die abwechslungsreiche Gestaltung auch mit viel Spass.

 Da wir nur eine sehr kleine Organisation sind, setzen wir auf eine Verbreitung im Schneeballsystem. Wir bilden Trainerinnen und Trainer aus, die dann selbst wieder Kursleitende ausbilden können. Ein sehr detaillierter Unterrichtsplan und ein umfangreicher, gerade erst fertig gestellter Trainerkoffer sind integraler Bestandteil. Dieser  enthält vom Arbeitsblatt und Bildkarten bis zu den Luftballons zum Farben lernen oder der Knete, um das eigene Traumhaus auszustatten, alles für einen 60 Stunden Kurs. Dieses umfangreiche Paket erlaubt es, dass auch nicht pädagogisch Ausgebildete diese Kurse geben können. Dadurch ist es auch möglich, die Kurse unter mehreren Kursleitenden aufzuteilen. Gerade für die ehrenamtliche Sprachbegleitung stellt das einen großen Pluspunkt dar.

wb-web: Wie zeigt sich der Erfolg in den Kursen?

Noser: Unser Programm ist der ideale Einstiegskurs in die neue Sprache. Bereits am ersten Tag beginnen die Lernenden mutig zu sprechen und schätzen die angenehme Atmosphäre. Sie kommen mit Freude in den Kurs und sind immer aktiv dabei. Bereits nach 60 Stunden haben durchschnittliche Lernende einen aktiven Wortschatz von etwa 500 Worten. Nach dem Kurs sind viele, auch nicht akademisch gebildeten Migrantinnen und Migranten ermutigt, weitere, auch traditionelle Kurse, zu besuchen. Natürlich würden sie gerne mit unserer Methode weiterlernen. Deshalb arbeiten wir an einem Fortsetzungskurs. Unser Intensivkurs eignet sich besonders gut als Angebot in Grossunterkünften. Die gute Stimmung in den Kursen wirkt ansteckend und so ist der Andrang auf die täglich stattfindenden Kurse groß.


wb-web: Beschreiben Sie Ihre Methode anhand eines Beispiels.

Noser: Zu Beginn jedes Kurses wählen die Teilnehmenden eine Phantasieidentität (z.B. Bernd Huber oder Anna Müller) und erfinden im Laufe des Kurses auch eine entsprechende Geschichte und Familie dazu. Gerade bei Geflüchteten hilft dies auch, eine mit vielen Schwierigkeiten behaftete Identität abzustreifen und während des Kurses in eine neue fantastische, selbst entworfene zu schlüpfen. In einem Kurs, erinnere ich mich, hat ein Teilnehmer seinem neuen Kurs-„Ich“ zehn Frauen verpasst. Bei der Personenbeschreibung musste er dann auch zehn Frauen beschreiben. Da konnte er viel üben!


wb-web: Wie lernt Ihre Organisation?

Noser:. Für dieses Projekt mit Geflüchteten haben wir Personen in Deutschland, die in Flüchtlingsunterkünften arbeiten oder Deutschkurse geben, integriert. Deshalb sind die Kurse wirklich alltagstauglich und praxisorientiert.

Jeder unserer Auftraggeber ist anders organisiert und insbesondere der Einsatz von ehrenamtlichen Kursleitenden für vierwöchige Intensivkurse ist eine große Herausforderung. Zwar kann man unsere Kurse auf mehrere Kursleiterinnen oder Kursleiter aufteilen, sie bleiben aber immer noch sehr zeitintensiv für jemanden, der das freiwillig und gratis machen soll. Die einzelnen Organisationen haben das sehr unterschiedlich gelöst, da lernen wir auch ständig dazu. Die größte Herausforderung für uns  Ausländer stellen aber die vielfältigen amtlichen Regelungen, Vorschriften, Kategorien und Hilfsangebote dar. Das bleibt ein großes Entwicklungsfeld.


wb-web: Welche Pläne hat Liela für die nächste Zukunft?

Noser: Aufgrund der grossen Nachfrage entwickeln wir derzeit ein Zusatzpaket Alphabetisierung, das unseren Erstkurs von 60 Stunden zu einem Grundkurs von 100 Stunden ergänzen soll. Als nächstes ist ein Aufbaukurs „Zugang zur Berufswelt“ geplant.


wb-web: Was wollen Sie sonst noch sagen?

Noser: Angenehm überrascht waren wir von der großen Hilfsbereitschaft, dem Engagement und der Begeisterung der Trainerinnen und Trainer, die wir ausgebildet haben. Viele davon machen ihre Arbeit ehrenamtlich und kämpfen mit vielen Widrigkeiten, bis endlich ein Kurs organisiert ist.

Unsere Kurse bringen nicht nur für die Lernenden viel Freude und Erfüllung. Das Zusammenwachsen der Lernenden, die schönen Erfolge und die Dankbarkeit der Lernenden sind auch unvergessliche Momente für die Trainerinnen und Kursleiter.


wb-web: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Walter Noser ist Präsident des Verein Neues Lernen und Vorstandsmitglied von Liechtenstein Languages. www.liela.li

 

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