Blog

Gruppenarbeit: Frust vorprogrammiert!

Contra Gruppenarbeit. wb-web hat zwei Praktiker um ihre Einschätzung zu Gruppenarbeit gebeten. Pro oder Contra? Lesen Sie auch Lernen in der Gruppe braucht einen Rahmen - Erfahrungen eines Trainers.

Irgendwann heißt es in jedem Seminar und in jedem Training, dass der nächste Abschnitt in Gruppen bearbeitet werden solle. Kein Arbeitgeber schafft es, sich diesem Trend zu entziehen. Ich muss das Wort „Gruppenarbeit“ nur hören – und meine Nackenhaare sträuben sich. Es scheint gerade so, als würden sie alle lieben. Oder wieso kommt man nirgends mehr um die Arbeit in Gruppen herum? Mir geht sie jedenfalls gehörig auf den Wecker! 

Es geht schon los bei den kleinsten Dingen: Da wird sich tatsächlich darüber gestritten, welche Schriftfarbe auf dem Flipchart verwendet werden sollte. Worum es eigentlich geht: auszuhandeln, wer hier das Sagen hat. Ausgerechnet die, die am wenigsten Ahnung vom Ganzen haben, versuchen das Ruder an sich zu reißen, um in die Rolle des Alpha-Männchens zu schlüpfen. Dann gibt es endlose Beiträge von einzelnen Gruppenmitgliedern, die für das Ziel der Gruppenarbeit überhaupt nicht relevant sind. Vielmehr geht es darum, mit überschwänglichen Selbstdarstellungen die neue Mitarbeiterin zu beeindrucken. Nach den anfänglichen Versuchen, mich einzubringen, merke ich, dass kaum jemand wirklich an der Sache interessiert ist. Mir ist das zu bunt, ich halte mich raus.

Nicht nur, dass die Zeit mit Hahnenkämpfen, narzisstischen Selbstdarstellungen und Diskussionen um Belanglosigkeiten verschwendet wird: Wenn wir dann mal am selben Strang ziehen, dann ziehen alle mit unterschiedlicher Kraft. Während ich nämlich aus der gegebenen Zeit so viel wie möglich herausholen will, wollen andere das vorgegebene Ziel mit minimalem Aufwand erreichen. Natürlich kann ich nicht vorschreiben, wie viel Einsatz jeder zu erbringen hat. Wenn ich mir aber Arme und Beine ausreiße, um ein gutes Resultat zu erzielen und es am Ende heißt, das haben Wir toll gemacht, dann ist das frustrierend für mich. Anstatt mich reinzuhängen, sollte ich mich vielleicht doch lieber hängen lassen. Auf jeden Fall bin ich dann am Ende nicht der Blöde.  

Mich nervt Gruppenarbeit

Ich habe noch einen Punkt, der mir etwas unangenehm ist. Sobald ich in einer Gruppe arbeite, schießen mir folgende und ähnliche Fragen durch den Kopf: Wie sehen die anderen mich? Wie wirke ich? Wenn ich meine Zweifel äußere, zerstöre ich dann die Harmonie in der Gruppe oder stehe gar als Miesepeter dar? Man könnte mir hundert Mal sagen, dass das Quatsch ist, dass mein Selbstbewusstsein da größer sein müsste. Aber so ist es. Zu hundert Prozent bei der Sache bin ich nur, wenn ich mir über solche Dinge keine Gedanken machen muss. Es fällt mir schwer zu verstehen, dass andere am liebsten den ganzen Tag Leute um sich herum haben wollen. Als Introvertierter brauche ich zwischendurch einfach Zeit für mich, ansonsten bin ich abends völlig am Ende mit meinen Nerven. 

Mir ist klar, dass man in Gruppenarbeiten von dem Wissen und den Fähigkeiten der anderen profitieren kann. Mir ist auch klar, dass es viele Leute gibt, die Gruppenarbeit tatsächlich mögen. Aber eben nicht alle. Mich nervt Gruppenarbeit und ich bin mir sicher, dass ich da nicht alleine bin.

CC BY-SA 3.0 DE by Michel Eggebrecht (2015), aktualisiert und anonymisiert 2017, letzte Prüfung by Lars Kilian (2024)
 


Das könnte Sie auch noch interessieren

Lernen in der Gruppe braucht einen Rahmen – Erfahrungen eines Trainers

- Blog

Lernen in der Gruppe braucht einen Rahmen – Erfahrungen eines Trainers
Für viele Menschen ist Gruppenarbeit in Seminaren eine unangenehme Erfahrung. Statt die unterschiedlichen Erfahrungen und Sichtweisen der Gruppe zu nutzen, verbringen einzelne Gruppenmitglieder die Zeit mit Statusspielchen und Ablenkungsmanövern. Solch ein Verhalten zeigt, dass der Rahmen nicht gut gesetzt war. Es ist die Aufgabe des Seminarleiters, einen guten Rahmen für die Gruppenarbeit zu definieren, zum Beispiel mit „Wahr-Falsch-Karten“.

Mehr

Vomfragwürdigen Nutzen des Kooperierens

- Forschung quergelesen

Vomfragwürdigen Nutzen des Kooperierens
Moderne digitale Medien scheinen für Kooperationen jenseits von Zeitzonen und Kontinenten wie gemacht. Social Media Tools machen die Zusammenarbeit vieler möglich. Doch das als „Mitmachnetz“ propagierte Web 2.0 wird tatsächlich von weit mehr Personen passiv als aktiv genutzt. Beispielsweise ist von den Millionen Nutzern von Wikipedia nur ein geringer Anteil kooperativ an der Erstellung der Texte beteiligt. Vergleichbare Phänomene beobachten Wissenschaftler auch in computergestützten Lernumgebungen.

Mehr