Erfahrungsbericht
Methoden früher und heute: was ist zu beachten?
wb-web: Freude ist ja ein sehr starkes Gefühl – haben Sie den Eindruck, dass es heute in Seminaren allgemein mehr um Freude geht, beziehungsweise um Methoden, die Freude auslösen?
Michael Thanhoffer: Ja klar. Alle wollen so richtig oft glücklich sein. Und aus der Sicht der persönlichen oder professionellen Entwicklung heraus: Lernen hat mit Gefühl zu tun, das haben wir spätestens durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften bewiesen bekommen. Gemeinsames Lachen kann Kontakt fördern und für eine positive Grundstimmung sorgen. Aber ein Dozent kann auch mal provokant auftreten, beruhend auf der „provokativen Therapie“ von Frank Farelly. Mal Witze machen auf Kosten eines Teilnehmers geht dann – aber nur dann, wenn die Grundlage stimmt, die Beziehung positiv ist. Als Einstiegssituation kann ich das nicht empfehlen.
Um aber nochmal auf die Gefühle zurückzukommen: Die Methoden, die wir früher eingesetzt haben, waren von der Stärke des Sinneseindrucks eher zart, vorsichtig. Auch da sind meine Erfahrungen heute andere: Um die Gefühlsebene der Menschen zu erreichen, braucht es scheinbar stärkere Reize. Wenn rundherum alles recht laut ist und in der Organisation es rasch, kraftvoll und sehr bestimmt zugeht, dann ist sensible Zartheit keine gute Qualität, sondern eine Schwäche. Leise Stimmen werden leichter überhört. Auch im übertragenen Sinn.
wb-web: Jetzt haben wir viel über die Veränderungen im Semiargeschehen von Ihnen gehört. Was würden Sie denn Lehrkräften empfehlen, wenn sie Methoden planen möchten?
Michael Thanhoffer: Erstmal muss man wissen, worum es geht. Briefing ist hier das Stichwort. Im besten Fall erhalten Sie das von Ihrem Auftraggeber: „Was soll eigentlich das Ziel der Veranstaltung sein?“ Sollen die Teilnehmenden hinterher fröhlich sein, sich freuen und den nächsten Kurs wieder besuchen oder muss ich ihnen in der ersten halbe Stunde klarmachen, dass sie gerade ihre letzte Zigarette geraucht haben? Sie können sich sicher vorstellen, dass das zwei völlig unterschiedliche Methodenkonzepte braucht. Das Ziel soll möglichst klar sein.
Zweitens: Der Kontext sollte mir klar sein. Bin ich in einer Gruppe, die zusammenkommt, um sich zu entspannen, oder arbeite ich mit forschen, jungen, frustrierten arbeitslosen Männern?
Drittens: Was passt zu mir? Was kann ich gut, worin bin ich sicher?
wb-web: Ja, allerdings! Aber was mache ich, wenn das Briefing durch den Auftraggeber nicht gemacht wird?
Michael Thanhoffer: Dann gibt es die Möglichkeit, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vorfeld zu befragen. Das kann man so oder so machen, sollte sich aber nicht wundern, wenn man dann Antworten bekommt, mit denen man nicht gerechnet hat. Und vor allem sollte man dieses Feedback dann auch berücksichtigen.
wb-web: Das ist auf jeden Fall hilfreich, aber leider auch nicht immer möglich. Bei vielen Veranstaltungen weiß man ja gar nicht, was einen erwartet.
Michael Thanhoffer: Völlig richtig. Dann muss man selbst Thesen aufstellen. Fragen, die dazu helfen, können sein: Was machen meine Teilnehmenden vor dem Seminar? Was machen sie nach dem Kurs? Sind sie motiviert oder ist zu befürchten, dass sie keine Lust haben? Sind sie freiwillig da oder wurden sie geschickt? Wofür braucht man das, was ich vermitteln will? Was soll am Ende dabei herauskommen? Was ist sicher und wo begebe ich mich auf dünnes Eis? Ist die Gruppe lernentwöhnt oder sind sie es gewöhnt, sich mit Neuem zu beschäftigen? Und wenn man aus diesen Fragen Thesen bildet, dann können darauf die passenden Methoden basieren.
wb-web: Das ist harte Arbeit…
Michael Thanhoffer: Ja, das ist richtig – aber eine gute Vorbereitung verhindert besser, dass man falsche Methoden einsetzt. Methoden, die von ihrer Idee her gut sind, aber einfach nicht zur Gruppe, zum Thema, den erwarteten Vorerfahrungen und zu meiner Kompetenz passen. Damit handelt man sich oft Ärger ein.
wb-web: Und dann lohnt sich die Vorbereitung doch… Noch eine letzte Frage habe ich an Sie: Wenn Sie an Veränderung denken – wie ist Ihr Ausblick in die Zukunft? Was ist und wird weiterhin das wichtigste Thema in der Gestaltung von Seminaren sein?
Michael Thanhoffer: Ganz klar – der Körper. Reden reicht nicht. Der Körper muss miteinbezogen werden. Über Rollenspiele oder Methoden die nicht in erster Linie den Verstand ansprechen, kann man etwas hereinholen, an das man sonst nicht herankommen würde. Über Spiele kommt man an typische Verhaltensweisen, versteht, wie man „tickt“. Wenn man das nicht weiß, wie soll man dann absichtlich etwas tun? Nur wenn ich weiß, wie ich funktioniere, kann ich mich verändern und etwas absichtlich tun. Das gilt für den Trainer genauso wie für die Teilnehmenden.
Dr. Michael Thanhoffer ist Trainer, Berater und Entwickler von Bildungsprogrammen in Profit-, Nonprofit-Organisationen und im Medienbereich (Fernsehen), Managementcoach, Autor, Kreativitäts-Coach für Einzelpersonen und Gruppen. Er sagt über sich selbst: In meinen Seminaren, Coachings, Beratungen, Vorträgen sind Methoden das, wozu man auch Inszenierung sagen kann: Temporäre, manchmal sachbezogene, förderliche Bedingungen & Interaktionen zwischen Menschen und im Individuum selbst. Lernziel ist Kooperation mit anderen und Selbstkooperation. Dazu gehören Mut, Embodiment, Visualisierung, Humor, Fehlerfreundlichkeit, Neugier, Team, Handeln, Wirksamkeit, Übersicht, Regeneration und Sinn: „Es tut so gut, mit sich zufrieden zu sein!“ www.ett.at