Handlungsanleitung

Die Wahrnehmungsübung „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ als Aktivierungs- und Reflexionsmethode nutzen 
 

Wenn es etwa unter den Teilnehmenden in einem Kommunikationsseminar oder während eines Teamcoaching-Prozesses zu heißen Diskussionen kommt, Schwarz-Weiß-Denken vorherrscht bzw. Entweder/Oder-Schleifen den Dialog prägen, dann ist die Wahrnehmungsübung „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ eine spannende Möglichkeit, die vorhandene Meinungsvielfalt in der Gruppe wieder zu reaktivieren.

Auch zur fachlichen Wissensvermittlung bezüglich menschlicher Kommunikations- und Wahrnehmungsprozesse ist diese Übung hervorragend geeignet. Die Teilnehmenden gelangen ganz praktisch und ohne große Erklärungen per AHA-Effekt zu der Einsicht, das menschliche Kommunikation und Interaktion stets abhängig ist von der eigenen Wahrnehmung und den prägenden, individuellen Erfahrungen.

Besonders unterstützend wirkt die Übung, wenn es gilt, Kommunikations- und Wahrnehmungsprozesse im persönlichen und beruflichen Kontext zu reflektieren, auch in Bezug auf die Fremdwahrnehmung.

Die Methode ist in allen Lern- und Arbeitsphasen einsetzbar. Sie ist geeignet für Seminare, Coaching-Prozesse, Organisationsentwicklung und andere Beratungsbereiche. Mögliche Lernkontexte, in denen die Übung nutzbringend eingesetzt werden kann, können Kommunikation, Wahrnehmung, Teamentwicklung, Achtsamkeit, Führung, Konfliktbearbeitung, Resilienz und Stressmanagement sein. Sie ist geeignet für die Sozialformen: Einzelarbeit, Partnerarbeit, Kleingruppen, Plenum.

Anleitung

Auf einer vorbereiteten Pinnwand sind bspw. drei unterschiedliche, aussagekräftige Bilder/Fotos befestigt. Die Pinnwand steht mit der leeren Seite den Teilnehmenden zugewandt, damit diese noch nichts sehen können (Überraschungseffekt).

  1. Während bspw. die Seminarleitung im Plenum jedem Teilnehmenden je einen Moderationsstift/eine Moderationskarte überreicht, stellt sie parallel die Übung, „Ich sehe was, was Du nicht siehst“, vor, etwa: „Wenn Meinungen aufeinanderprallen, dann geht es uns oft auch um die Frage: Wer hat denn nun eigentlich recht? Eine Idee könnte es sein, stattdessen zu fragen: Wie nehme ich die Meinung des anderen wahr? Wovon hängt meine Wahrnehmung ab? Mit der nächsten Übung beschäftigen wir uns jetzt näher mit unseren Wahrnehmungen. Schließen Sie nun für einen kurzen Moment die Augen und atmen Sie mehrmals tief ein und aus. Wenn Sie gleich auf mein Signal hin die Augen öffnen, dann sehen Sie drei Bilder an der Pinnwand. Entscheiden Sie sich für eines davon und schreiben Sie spontan auf, was Sie darauf sehen. Bitte machen Sie das alleine, sprechen Sie nicht miteinander währenddessen. Gehen Sie ruhig näher ran, damit Sie mehr sehen können. Und jetzt... Augen auf! Schreiben Sie auf, was Sie auf Ihrem Bild sehen.“
  2. Sobald die Teilnehmenden fertig sind, fordert die Seminarleitung diese auf, ihre Wahrnehmungen im Plenum mitzuteilen, etwa:  „Für welches Bild haben Sie sich entschieden und was haben Sie gesehen?“ Nachdem der Erste seine Karte vorgelesen hat, führt die Seminarleitung weiter durch die Übung: „Wer von Ihnen hat sich noch für das gerade genannte Bild entschieden und liest dazu sein Ergebnis vor?“ Nach und nach lesen die Teilnehmenden ihre Ergebnisse, in die ermittelten Bilder-Gruppen eingeteilt, vor.
  3. In der Phase der Auswertung und des Fazits ist es die Aufgabe der Seminarleitung, den Lerndialog unter den Teilnehmenden mit geeigneten Impulsen zu aktivieren, etwa: „Es gab Übereinstimmungen und auch sehr individuelle Wahrnehmungen dieser drei Bilder. Das finde ich sehr bemerkenswert. Was finden Sie bemerkenswert?“ Jetzt entsteht ein intensiver Austausch, es ist Zeit und Raum für die Teilnehmenden, deren Assoziationen und Erkenntnisgewinne in der Gruppe mitzuteilen. Für das anschließende Fazit biete sich eine abschließende Abfrage auf Zuruf mit vorgegeben Satzanfang an: „Wenn Sie jetzt das Gehörte Revue passieren lassen und dann den Satzanfang ‚Menschliche Wahrnehmung ist...‘ beenden sollten, wie würde Ihr Satz lauten?“
  4. Dazu visualisiert die Seminarleitung die Satzideen der Teilnehmenden auf einem bereits mit diesem Satzanfang vorbereiteten Flipchart. Auf diese Weise entwickelt sich erneut ein reger Lerndialog, der auch dem inneren Dialog der Teilnehmenden Impulse liefert, damit sich individuelle Lerngewinne bzw. Erkenntniszuwächse entwickeln können.
  5. Zum Ende dieses Lerndialogs erfolgt der Abschluss, etwa: „Nun, ich bin überzeugt davon, dass sich Ihr Bild aus dieser spannenden Übung ganz tief mit dem Begriff der Wahrnehmungsvielfalt verknüpft hat. Und damit Sie sich an dieses Bild erinnern, erhalten Sie von mir die entsprechende Fotodokumentation im Seminaranschluss übermittelt!“

 CC BY-SA 3.0 DE by Bianca Maria Kessel für wb-web (25.01.2023), letztmalig geprüft am 27.07.2023


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