Erfahrungsbericht
Die Kraft der Bilder
Rollen reflektieren und die individuelle Wahrnehmung schärfen ist das Ziel der Methode „Ich sehe was, was Du nicht siehst!“. Man braucht dazu nicht viel mehr als ein paar aussagekräftige Bilder. In diesem Erfahrungsbericht schildert eine Praktikerin, wie man die Methode einsetzen kann.
Die unterschiedliche Wahrnehmung der Welt und die individuelle Sicht der Dinge spielen in meinen Seminaren und Team-Coaching-Prozessen eine große Rolle. In Kommunikationstrainings oder während Beratungssituationen nutze ich dann gerne die Wahrnehmungs- und Visualisierungsübung „Ich sehe was, was Du nicht siehst“! Mit ihr gelangen die Teilnehmenden ganz praktisch und ohne große Erklärungen zu der Einsicht, dass menschliche Kommunikation und Interaktion stets abhängig ist von der eigenen Wahrnehmung und den prägenden, individuellen Erfahrungen (Wahrnehmungsvielfalt).
Wer hat nun eigentlich recht?
Auf einer vorbereiteten Pinnwand habe ich drei unterschiedliche, aussagekräftige Bilder/Fotos befestigt. Die Pinnwand steht mit der leeren Seite den Teilnehmenden zugewandt, damit diese noch nichts sehen können (Überraschungseffekt).
Sobald die Teilnehmenden fertig sind, fordere ich sie auf, ihre Wahrnehmungen im Plenum mitzuteilen: „Für welches Bild haben Sie sich entschieden und was haben Sie gesehen?“ Nachdem der Erste seine Karte vorgelesen hat, führe ich folgendermaßen weiter durch die Übung: „Wer von Ihnen hat sich noch für das gerade genannte Bild entschieden und liest dazu sein Ergebnis vor?“ Nach und nach lesen die Teilnehmenden ihre Ergebnisse, in die ermittelten Bilder-Gruppen eingeteilt, vor.
In der Phase der Auswertung und des Fazits ist es dann meine Aufgabe, den Lerndialog unter den Teilnehmenden mit geeigneten Impulsen zu aktivieren: „Es gab Übereinstimmungen und auch sehr individuelle Wahrnehmungen dieser drei Bilder. Das finde ich sehr bemerkenswert. Was finden Sie bemerkenswert?“ Jetzt entsteht ein intensiver Austausch, es ist Zeit und Raum für die Teilnehmenden, deren Assoziationen und Erkenntnisgewinne in der Gruppe mitzuteilen.
Für das anschließende Fazit biete ich dann eine abschließende Abfrage auf Zuruf mit vorgegebenem Satzanfang an: „Wenn Sie das jetzt das Gehörte Revue passieren lassen und dann den Satzanfang „Menschliche Wahrnehmung ist...“ beenden sollten, wie würde Ihr Satz lauten?"
Dazu visualisiere ich die Satzideen der Teilnehmenden auf einem bereits mit diesem Satzanfang vorbereiteten Flipchart. Auf diese Weise entwickelt sich erneut ein reger Lerndialog, der auch dem inneren Dialog der Teilnehmenden Impulse liefert, damit sich individuelle Lerngewinne bzw. Erkenntniszuwächse entwickeln können.
Zum Ende dieses Lerndialogs schließe ich die Übung ab: „Nun, ich bin überzeugt davon, dass sich Ihr Bild aus dieser spannenden Übung ganz tief mit dem Begriff der Wahrnehmungsvielfalt verknüpft hat. Und damit Sie sich an dieses Bild erinnern, erhalten Sie von mir die entsprechende Fotodokumentation im Seminaranschluss übermittelt!“
Abbildung 1 zeigt, wie das Papier in spezielle Zonen eingeteilt wird. Zuerst tragen die Teilnehmenden in Einzelarbeit ihre individuellen Antworten zu den Bildern ein (in die Bereiche ICH für je einen Teilnehmenden). Im zweiten Schritt produziert die Kleingruppe gemeinsam Antworten auf die Fragestellung in der Wolke (Gruppenergebnis gehört in die WIR-Zone).
Bezogen auf das Thema „Wahrnehmungsvielfalt“ könnte die Frage in der Wolke lauten: „Wofür hat mich die Übung in Bezug auf meinen Arbeitskontext sensibilisiert?“
Als Gruppenergebnis gebe ich meistens eine maximale Ergebniszahl vor: „Bitte einigen Sie sich in Ihrer Gruppe darauf, maximal drei Erkenntnisse aus Ihrem Dialog niederzuschreiben. Stellen Sie uns nachher im Plenum diese Gruppenerkenntnisse vor.“
Vorteile der Übung „Ich sehe was, was Du nicht siehst"
Viele Teilnehmende erzielen einen Aha-Effekt durch den konkreten Erkenntniszuwachs, sobald der Dialog über die Bilder beginnt. Daher entwickelt sich ein hoher Aktivierungsgrad, den ich dann gezielt zur inhaltlichen Weiterarbeit nutze.
CC BY-SA 3.0 DE by Bianca Maria Kessel für wb-web (25.01.2016), letztmalig geprüft am 24.07.2024